Zu starkes Wollen, sich nicht Bescheidenkönnen das ist aber weder weise noch christlich und es steht nur einem Halbgott und einer königlichen Figur zu, wie sie der junge Alexander 90im höch- [65] sten Maß war. Sie steht nicht einem Emporkömmling, dem Weltkriegsgefreiten und dem Anstreicher aus Böhmen 91, so viel fatale Zauberkraft auch in seiner Persönlichkeit liegt.
Französisches Buch über Histoires drôlatres von Monfigny 92gelesen. Leichtestes erotisches Geplauder mit erdachtem und gestelltem Ausgang. Erinnert an Boccaccio 93.
Vom Bathing Pool bis zu meinem Bungalow geschwommen. Weit im Meer draußen gegen leichten Ostwind, der kurze Wellen in das Gesicht schlug. Angenehmes Vertrauen auf Körperkraft im weiten Element [66] draußen.
Kinder bauen Sandburgen vor das hereinkommende Meer, die von Wasser bestürmt und schließlich zerstört werden. Am aufregendsten der Augenblick, in dem die Sanddämme noch halten und man bereits in einer trockenen Insel im Meer rings steht.
Schwerstes Bombardement auf St. Malo. Die Insel zittert wie von Erdbeben. Erstaunlich langer Widerstand in dieser Hölle.
Heute 2te Invasion in Südfrankreich. 94Man ist gar nicht mehr entsprechend beeindruckt. Das allge- [67] meine Zurück und Abwärts schon zur Gewohnheit geworden.
Polizeibesprechung, mit untergeordneten Problemen zeigt Friedlichkeit auf dieser Insel und rechtfertigt mich innerlich, daß alle überreizte Provozierung wegen Lappalien nicht am Platze ist. Besprechung mit Bailiff über Lichteinschränkung, Austausch von ziv. Schlachtpferden gegen bessere Truppenpferde usw.
16. 8. [1944]
In Sof 95Wölcken 96steht ein klares Beispiel des Intellektuellen vor mir. Er ist sehr belesen und beschlagen auf allen Gebieten. Hat überviele Ansichten, aber kein Urteil. Sein Verstand gleicht einer ausgezeichne- [68] ten Spieldose, die oben auf seinem unbeteiligten Körper sitzt. Es ist keinerlei Verbindung zwischen Verstand und Gefühl, wo doch nur beide im ständigen Kampf untereinander die Persönlichkeit bilden. Physiognomisch und körperbaucharakterlich drückt sich das gleich aus. Eine hohe Stirn, ziemlich uninteressant gewölbt. Ihre Spannung liegt über der Nasenwurzel und den scharfbebrillten Augen. Betonung also auf dem kritischen, beobachtenden, nicht schöpferischen, philosophischen Denken. Die Backen sind kindlich dick gefüllt, ein Zeichen für mangelnde seelische Durchlebtheit. Der Körper, der an sich wohl gebaut ist, hat [69] völlig schlaksige unharmonische Bewegungen. Auch er ist von nichts Geistigem oder Persönlichem angehalten oder geführt. Seine Neigung ist Büchersammeln. Sein Verhältnis zum Buch ist stärker als zu allem Lebenden, wie zu Frauen, Hunden oder Natur. Seiner Freundin, die seine starke Eitelkeit befriedigt, liest er am liebsten Bücherstellen vor, natürlich nur englische, denn zu seiner nun mal etwas charakterlosen Art gehört es, daß er restlos in das gegnerische englische Lager gehört und im Grunde nur alles Englische bewundert und das Deutsche verachtet. Da wir [70] ihm dies vielfach vorgehalten haben, hat er eine aus seinem Mund paradox klingende Dialektik entwickelt, die ihn immer gleichsam als Deutschfreund beweisen soll. Er ist kein durchhaltender Arbeiter, hat oft schon den Beruf gewechselt und war nach einem Jahr in Schottland als Lektor zuletzt Buchhändler in München. Seine Dinge sind ausgeklügelt und übergescheit. Dabei ist nicht zu verkennen, daß manchmal auch sehr Gutes herauskommt. Seine geistige Beweglichkeit hebt die Dinge gleichsam auf verschiedene Stühle und läßt sie von vielen Seiten sehen. Es spricht hervorragend englisch und besitzt eine [71] Fertigkeit, selbst erst halbausgesprochene Gedanken u. Ideen sofort in ihre Vollständigkeit zu übersetzen. So ist er mehr ein gutes Instrument als ein guter Mitarbeiter und mehr ein Nachschlagwerk als ein Berater.
Ganz anders dagegen ist Sof Bleul. Er macht zunächst mit seinen engen bebrillten Augen und seinem strengen Ausdruck mit der hasenhaft vorstehenden Oberlippe den Eindruck eines humorlosen Schullehrers. Er ist von Beruf auch Studienrat und hat etwas Schulmeisterliches an sich, was [72] überall eine sichere Art ist, um zunächst Abneigung zu erwecken. Bei näherem Kennenlernen und in seiner Arbeit zeigen sich aber mehr Vorzüge als Nachteile. Seine pedantische Sturheit ist im Gesamteinsatz einer Verwaltung unbedingt notwendig. Da gibt es Preisdurchrechnungen, unklare Statistiken, verwickelte Lappalien. Hierfür ist der Ansatz eines bissigen nicht nachlassenden Mannes geradezu wunderbar. Sind dagegen Dinge mit der leichten Hand und einem gewissen Scharm und Witz besser zu lösen, so nur nicht ihn dafür einsetzen. Persönlich ist er sehr gefällig und innerlich anhänglich u. verbunden weil ich zu den wenigen gehöre, die seine Vorzüge aner- [73] kennen und einen freundschaftlichen Kontakt über vieles gemeinsames Baden mit ihm halte. Auch dabei zeigen sich bei ihm plötzlich leichtere und liebenswürdigere Seiten. Die durch seine Lehrtätigkeit im Ausland gewonnene größere Beweglichkeit kommt dann vorteilhaft heraus. So lohnt es, zu ihm nett zu sein, weil hinter dem äußerlich und anfänglich zu leicht abstoßenden Schulmeister ein umgänglicher Mensch hervorkommt. Er hat einen leidenschaftlichen Hang zu Sonnenbädern u. kann den Stolz des braunsten Mannes der Insel für sich in Anspruch nehmen. [74]
Seine braunen Körperfarben sind so tief, daß selbst der bei der stark ausgeprägten Eßlust nicht vermeidbare embonpoint 97nicht so auffällt. Seine Art zu Mädchen ist ein wenig eigenartig. Er schnalzt gern mit dem Daumen und hat eine Weise des Nachblickens, die etwas Kompromittierendes hat u. aus südlicheren Landstrichen genommen scheint.
17. 8. [1944]
Am Morgen bei den herrlichen Augusttagen erfaßt mich immer wieder ein wehmütiger Schmerz nach den Lieben zu Hause. M. ist nun einmal meine einzige große Liebe im Leben und ich bejahe sie mit meinem ganzen Wesen. Zur Zeit bedrückt mich noch weniger die Sorge um [75] ihr materielles Ergehen als die Sorge um ihre Seele, um dies schwertragende Wort zu gebrauchen. Ich habe die Anwesenheit der Schwiegermutter schon einmal mit einem Katalysator verglichen, der den Anstoß zu einer völligen seelischen Umbildung gibt. Bei der Anwesenheit Mamis 98wird aus ihrer Milde und Heiterkeit Widerspruchsgeist und Gereiztheit. Die gerade feine Stirn faltet sich in hundert Runzeln und der ganze Ausdruck verändert sich zum Nachteil. Was aber eine Frau jung erhält, ist nur eine schöne Seele. Die wird ihr aber genommen. So fürchte ich, daß meine Frau von dieser Seite alt u. abgebraucht wird in der langen Trennungszeit, die noch bevorstehen könnte. Sie wird [76] vermehrt in das übergesellige Leben Altaussees flüchten. Wenn ich zurückkomme wird nicht mehr die alte Zärtlichkeit und Innigkeit da sein. Um dies fürchte ich am meisten.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.