». . . kein Flugzeug auf dieser Seite von Samoa. Ich bin ganz sicher . .
.«
Und dann starb es wieder weg. Die Spannung war nicht mehr auszuhalten. Was ging da draußen vor sich? Hatten sie bereits begonnen, Flieger und Rettungsexpeditionen auszusenden? Jetzt gingen wohl die Meldungen kreuz und quer durch den Äther.
Die zwei Funker arbeiteten fieberhaft. Der Schweiß tropfte ihnen vom Gesicht genauso wie uns, die wir saßen und drehten. Es begann langsam Kraft in die Senderantenne zu kommen, und Torstein zeigte ergriffen auf einen Pfeil, der sich langsam über eine Skala hinaufbewegte, wenn er die Morsetaste niederdrückte. Jetzt kam es!
Wir drehten wie die Verrückten, während Torstein Rarotonga rief. Keiner hörte uns. Noch einmal. Jetzt war der Empfänger wieder zum Leben erwacht, aber Rarotonga hörte uns nicht. Wir riefen Hai und Frank in Los Angeles und die Seekriegsschule in Lima, aber keiner hörte uns.
Das setzte Torstein eine CQ-Meldung ab, das heißt, er rief an alle Stationen in der Welt, die uns hören konnten, auf unserer besonderen Amateurfrequenz.
Das half. Jetzt begann eine schwache Stimme draußen im Äther langsam nach uns zu rufen. Wir riefen wieder und sagten, daß wir sie hörten. Da sagte die langsame Stimme da draußen im Äther:
»Mein Name ist Paul. Ich wohne in Colorado, wie heißt du, wo wohnst du?«
Es war ein Radioamateur. Torstein warf sich über die Taste, während wir drehten, und antwortete:
»Hier Kon-Tiki. Wir sind auf einer öden Insel im Stillen Ozean gestrandet. «
An diese Aufklärung glaubte Paul nicht im mindesten. Er meinte, es sei ein Radioamateur eine Straße weiter, der bloß seinen Spaß mit ihm trieb, und kam nicht einmal im Äther wieder. Wir rauften uns verzweifelt den Bart. Hier saßen wir unter den Palmenkronen in der Sternennacht auf einer öden Insel, und es fand sich keiner, der uns geglaubt hätte.
Torstein ergab sich nicht. Er war wieder über seiner Taste und sendete: »Alles in Ordnung, alles in Ordnung« ins Unendliche. Wir mußten, zum Teufel, die ganze Rettungsmaschinerie aufhalten, bevor sie über den Stillen Ozean dahergerollt kam.
Da hörten wir ganz schwach im Empfänger:
»Sicher ist alles in Ordnung, aber warum schlägst du da solchen Krach?«
Dann war es wieder still im Äther. Das war alles.
Wir wären am liebsten in die Luft gegangen und hätten alle Kokosnüsse aus Wut heruntergeschüttelt, und der Himmel mag wissen, was wir getan hätten, wenn nicht sowohl Rarotonga wie der gute alte Hai uns plötzlich gehört hätten. Hai weinte, sagte er, so froh war er, LI2B wieder zu hören. Alle weiteren Bemühungen wurden augenblicklich eingestellt. Wir waren wieder allein und ungestört auf unserer Südseeinsel und eilten ermattet in die Koje aufs Palmenlager.
Am nächsten Tag nahmen wir es mit der Ruhe und genossen das Leben in vollen Zügen. Die einen badeten, die anderen fischten und waren auf Entdeckungsreisen auf dem Riff nach wunderlichen Tieren, während die ganz Energischen im Lager aufräumten und es rund um uns schön machten. Draußen auf der Landzunge, die auf das Wrack zulief, gruben wir eine Grube am Saum des Waldes und legten sie mit Blättern aus, bevor wir eine sprossende Kokosnuß aus Peru einpflanzten. Ein Mal aus Korallen wurde an ihrer Seite errichtet in gerader Linie zur Landungsstelle der »Kon-Tiki«.
Die »Kon-Tiki« war im Laufe der Nacht noch weiter hereingeschwemmt worden und lag fast trocken in einigen Wasserpfützen, festgeklemmt zwischen einer Reihe von großen Korallenblöcken, weit drinnen am Riff.
Nachdem sie sich gründlich im warmen Sand hatten durchbraten lassen, waren Erich und Hermann wieder in guter Form und bekamen Lust, nach Süden das Riff entlangzuziehen, in der Hoffnung, zu der großen Insel da unten hinüberzukommen. Ich warnte sie mehr vor dem Aal als vor dem Hai, und jeder steckte sein langes Machetenmesser in den Gürtel. Im Korallenriff hält sich nämlich ein fürchterlicher Aal mit langen giftigen Zähnen auf, der leicht einem Menschen das Bein abreißen kann. Er wendet sich blitzschnell zum Angriff und ist der Schrecken der Eingeborenen, selbst solcher, die es wagen, um einen Hai herumzuschwimmen.
Die zwei waren imstande, weite Strecken das Riff hinunterzuwaten, aber es waren einzelne tiefere Rinnen kreuz und quer, wo sie schwimmen mußten. Sie erreichten glücklich die große Insel und wateten an Land. Lang und schmal und bedeckt von Palmenwald, zog sie sich zwischen sonnenhellen Strandplätzen im Schütze des Riffs nach Süden. Die zwei schritten die ganze Insel ab, bis sie an die Südspitze kamen. Hier zog das Riff sich weißschäumend weiter gegen Süden, anderen fernen Inseln zu. Sie entdeckten das Wrack eines gewaltigen Schiffes. Es hatte vier Masten und lag, in zwei Teile zerrissen, am Strand. Es war ein alter, spanischer Segler, der mit Eisenbahnschienen beladen gewesen war, und rostige Schienen lagen draußen längs des ganzen Riffs verstreut. Sie folgen der anderen Seite der Insel wieder zurück, aber fanden nicht einmal die Spur eines Menschen im Sand.
Auf dem Weg zurück über das Riff schreckten sie immer wieder wunderliche Fische auf, die sie zu fangen versuchten, als sie plötzlich von nicht weniger als acht großen Aalen angegriffen wurden. Sie sahen sie im klaren Wasser kommen und sprangen auf einen großen Korallenblock, den die Aale von allen Seiten umschlängelten. Die glitschigen Bestien waren armdick und grün und schwarz gesprenkelt wie Giftschlangen, mit kleinen Köpfen und bösen, bösen Schlangenaugen und zollangen, nadelscharfen Zähnen. Mit den Machetenmessern schlugen sie los auf die kleinen wiegenden Köpfe, die sich heraufbogen. Einem schlugen sie den Kopf ab, während ein anderer verwundet wurde. Das Blut im Seewasser zog einen ganzen Schwärm von jungen Blauhaien an, die auf den toten und den verwundeten Aal losgingen, in der Zwischenzeit glückte es den beiden, vom Stein fortzuhüpfen und sich davonzuretten.
Am gleichen Tag kam ich auf die Insel heraufgewatet, als etwas mit einer blitzschnellen Bewegung meinen Knöchel von beiden Seiten umgriff und ihn festhielt. Es war ein Tintenfisch, er war nicht groß, aber es war ein abscheuliches Gefühl, die kalten Fangarme um sich zu haben und in die bösen, kleinen Augen in dem blauroten, geschnäbelten Sack, der den Körper ausmachte, zu schauen. Ich suchte mit aller Kraft meinen Fuß freizubekommen, aber der Tintenfisch, der kaum einen Meter lang war, folgte nach, ohne den Griff loszulassen. Es mußte der Verband um den Fuß sein, der ihn anlockte. Ruckweise zog ich mich hinauf auf den Strand, den abscheulichen Angreifer am Fuß. Erst als ich selbst den Beginn des trockenen Sandes erreichte, löste er seinen Griff und zog sich langsam zurück ins seichte Wasser, die Arme ausgestreckt, den Blick aufs Land gerichtet, wie bereit zu neuem Angriff, wenn ich nur wagte, ihm nahezukommen. Als ich einige Korallenblöcke nach ihm warf, schoß er davon.
Unsere verschiedenen Erlebnisse draußen am Riff waren nur die Würze des paradiesischen Daseins drinnen auf der Insel.
Aber wir konnten nicht unsere restliche Zeit hier verbringen. Wir mußten wieder daran denken, wie man zurück zur übrigen Welt kommen konnte. Nach einer Woche hatte die »Kon-Tiki« sich in der Mitte des Riffs verhängt, wo sie steif und fest auf dem Trockenen lag. Die schweren Stämme hatten große Korallenstöcke abgebrochen und fortgewälzt, um sich hinüber in die Lagune zu schieben, aber jetzt lag das Floß unbeweglich, und wie wir auch zogen und schoben, das eine nützte so wenig wie das andere. Wenn wir nur das Wrack hinein in die Lagune bekamen, dann war es eine Kleinigkeit, auch den Mast wieder so weit aufzurichten und aufzutakeln, daß wir mit dem Wind über die feindliche Lagune segeln und nachsehen konnten, was wir auf der anderen Seite fanden. War eine der Inseln bewohnt, so mußte es am Horizont da drunten im Osten sein, wo das Ringriff seine Front nach Lee wendete.
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