Die Zuneigung Grizzlys wollte er mit niemand teilen.
Der Ideenkreis Pucks war beschränkt. Der Trapper hatte ihn in unsrer Religion unterrichtet und ihm den festen Glauben an Gott und den Heiland gegeben. In der Bibel las Puck mit Andacht die heilige Geschichte. Vorstellungen von den Erscheinungen der Welt hatte ihm sein Pflegevater hervorzurufen gesucht, doch beim Mangel der Anschauung nicht mit Erfolg. Er hatte von der Welt außerhalb der Steppe seine eigenen Ansichten. Puck lebte ein Geistesleben für sich und war glücklich darin. Sorge kannte er so wenig wie Furcht. Der erste gewaltige Schmerz erschütterte seine Seele, als ihm sein Oheim geraubt worden war und in Todesnot schwebte. Doch das war überwunden, unter ihm im Dickicht schlief der alte Mann, bewacht von ihm, und Puck war glücklich.
Seine Gedanken, während er auf dem hohen Wachtposten weilte, beschäftigten sich nur mit den Gefahren, die den Oheim bedrohen könnten, und unablässig durchmaß sein Auge, scharf gleich dem des Adlers, die weite Fläche vor ihm, die nur selten durch ein Gehölz unterbrochen wurde, ähnlich dem, in welchem sie Schutz gefunden hatten.
Stundenlang saß er so unbeweglich, unermüdet in seiner Wachsamkeit.
Da tauchte im Süden etwas auf, was seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Durch einen Eulenschrei lockte er rasch den Trapper herbei, dem Bill und Paul und gleich darauf Walker folgten.
"Was giebt's, Junge?" fragte Grizzly leise.
"Eine Rothaut kommt dort von Süden heran."
"Nur eine?"
"Sehe nur die eine."
Grizzly und die andern erkletterten Bäume, da von unten der Wilde zunächst nicht zu sehen war. Von höherem Standpunkte erblickten sie ihn, wie er in leichtem Galopp einhersprengte.
"Ist es ein Kiowa oder ein Cheyenne, Puck?" fragte der Trapper.
"Kann es nicht erkennen."
"Was thun wir, Puck? Er wird auf unsre Spur treffen."
"Ich will nach ihm sehen, Oheim, und ihn fangen, wenn er ein Kiowa ist."
Und mit großer Gewandtheit stieg Puck herab.
"Wie willst du das anfangen, Kind?"
"Ich schleiche mich an ihn; er ist ganz sorglos, und ist er ein Kiowa, hole ich ihn vom Pferde."
"Gefährliche Sache."
"Gefährlich? Für mich?" Puck lachte.
"Geh, Junge, geh; bist ihm gewachsen, weiß es; geh, es ist wichtig, zu erfahren, ob wir Freund oder Feind vor uns haben. Geh, ehe er davonjagt."
Puck nahm seinen Lasso, Bogen und Pfeil; die Büchse ließ er zurück.
Zu Paul sagte er: "Sattle den Blitz und führ ihn hierher. Wenn du siehst, daß der Indianer davonjagt, reite im vollen Laufe auf mich zu und bringe mir das Pferd; haben müssen wir ihn, oder wir sind verraten."
Paul gehorchte sofort, und Puck ging an den Rand des Gehölzes, warf sich dort nieder und kroch hinaus, lief dann mit großer Schnelligkeit, gedeckt durch eine leichte Erdwelle vor dem Auge des noch entfernten Indianers, nach der Stelle zu, wo der Fremde ihre Spur treffen mußte, und entschwand den Blicken der aufgeregt Nachschauenden. Paul war auf dem gesattelten Blitz erschienen.
Jetzt wurde den mit gespannter Aufmerksamkeit auf die Prairie Hinausschauenden der Indianer sichtbar. Sorglos, wie es schien, sprengte er in leichtem Galopp dahin. Von Puck war nichts zu gewahren.
Je mehr sich der Indianer der Stelle näherte, wo Puck liegen mußte, desto größer wurde die Aufregung der Zuschauer.
Der Wilde hielt sein Roß an und schaute zur Erde nieder, er war an der Stelle angelangt, wo sein Weg die Spur der Flüchtlinge kreuzte. Obgleich es zu weit für einen Schuß war, hob der Trapper unwillkürlich seine Büchse.
Aller Augen waren mit fieberhafter Spannung auf den roten Krieger gerichtet.
Jetzt - jählings verschwand der Mann vom Pferde im Grase; nur das Pferd allein war noch sichtbar.
"Er hat ihn", jubelte der Trapper - "der Goldjunge! Hinaus, Paul, hilf ihm, aber halte die Büchse bereit."
Und hinaus jagte der Jüngling auf dem Blitz.
"By Jove!" sagte Walker, "ist der Bursche ein Prairiekrieger."
"'s ist ein Mann, der kleine Gentleman", lachte Bill Stone, "kenne ihn, 's ist ein richtiger Medizinmann."
In wenigen Minuten hatte Paul, die gespannte Büchse in der Hand die Stelle erreicht, wo der Indianer verschwunden war.
"Puck!" rief er.
"Hier, Junge", hallte es zurück, und der Zwerg erhob sich aus dem Grase. "Komm."
Paul ritt hin und sah vor sich auf dem Boden den mit dem Lasso fest umschnürten Indianer.
"Ihn fangen", lachte der Zwerg, "er dumm; junger Krieger, denken nicht, daß der Medizinmann in der Steppe."
Mit einer bewundernswerten Geschicklichkeit hatte sich Puck im Grase verborgen, gerade da, wo sie nach dem Gehölz umgebogen waren. Als der Indianer, wie er vorausgesehen, der neuen Richtung nachschaute und ihm, haltend, den Rücken kehrte, flog sein unfehlbarer Lasso aus und brachte den Wilden zu Boden. Ehe der, so jählings überrascht und unsanft die Erde berührend, auch nur ein Glied rühren konnte, lag Puck auf ihm und schnürte ihm Arme und Beine mit dem Lasso zusammen.
Stumm und verstört lag der noch junge Wilde vor Paul da, und mit unverkennbarer Angst weilten seine dunklen Augen auf Puck.
"Steig ab, Paul, und setze dich zu ihm mit der Büchse, wir müssen das Pferd haben, das darf nicht in der Steppe bleiben."
Paul sprang vom Rücken seines Tieres, und Puck schwang sich hinauf.
Des Indianers Pferd hatte sich nicht weit entfernt, und als Puck, den Lasso schwingend, darauf zuritt, blieb es dieser ihm bekannten und gefürchteten Bewegung gegenüber stehen, so daß er es am Zügel ergreifen und rasch zu dem Gefangenen zurückbringen konnte.
"Richte den Gefangenen auf, Paul."
Dieser that so; Puck ergriff den Gebundenen und zog ihn mit unwiderstehlicher Kraft quer vor sich auf den Sattel.
"Besteige sein Pferd, und dann rasch zurück zum Oheim; es ist nicht gut, lange in der Steppe zu weilen."
Beide sprengten dann auf das Gehölz zu, wo Puck inmitten der staunenden Männer seinen Gefangenen vom Pferde gleiten ließ.
"Hallo, kleiner Herr", sagte Bill Stone, war ein gewaltig Ding, das ihr vollbracht habt, ist ein Fakt."
"Hätte ich es nicht mit Augen gesehen, nimmer würde ich es geglaubt haben", versetzte Walker mit ganz unverhohlener Bewunderung.
Der Alte nickte und reichte dem Zwerge die Hand. "Gut gemacht, Puck."
Da strahlten dessen Augen freudig auf.
"Nun wollen wir doch sehen, wen wir da haben", und die Augen richteten sich auf den Gefangenen, dessen Blicke von einem der Anwesenden zum andern wanderten. Der Indianer war ein Jüngling von vielleicht zwanzig Jahren, gekleidet nach der Weise seiner Stammesverwandten. Doch trug er die Skalplocke, zum Zeichen, daß er auf dem Kriegspfade sei.
"Was denkt ihr, Walker, welchem Stamm der Mann angehört?"
"Möchte meinen, 's wär ein Kaw, Grizzly", entgegnete dieser, der den Gefangenen aufmerksam betrachtet hatte.
"Sagt die Wahrheit, ist's nicht so, Puck?"
"Ist ein Kaw auf dem Kriegspfade."
"Nun, mein Junge, wo kommst du denn her?" redete ihn der Trapper in der Mundart der Cheyennes an.
Der Indianer gab keine Antwort, seine Blicke waren mit dem Ausdruck der Furcht auf Puck geheftet.
"O, der Kawkrieger will nicht antworten", fuhr der Alte fort. "Gut. Puck, häng ihn auf!" Eines der grimmigsten Gesichter schneidend, nahte sich ihm der Zwerg und griff nach seinem Nacken.
Trotz seines Stoicismus zuckte der Indianer zusammen, wandte dann sein Auge auf den Trapper und sagte: "Schneeflocke will reden, nimm den Medizinmann fort."
"Oho", lachte der Trapper, "Schneeflocke möchte nicht gern Skalp und Schädel auf einmal verlieren; nun gut, möge er mir meine Fragen beantworten. Also Schneeflocke, welchem Volke gehörst du an?"
"Schneeflocke ist ein Kaw."
"Gut, und was thust du mit der Kriegslocke in der Steppe, haben die Kaws den Tomahawk ausgegraben?"
Читать дальше