Osborne stieß, so jäh überrascht, als er die Stimme Browns erkannte, einen grauenvollen Fluch aus, und machte eine Bewegung auf den alten Mann zu.
"Wer sich rührt, dem fährt eine Kugel durch den Kopf", rief Wild und ließ den Hahn seiner Büchse, die er nach alter Gewohnheit mitgenommen hatte, knacken, "hat der Sheriff ein Wort mit euch zu sprechen."
"Kommt mit, Sir", flüsterte eine Stimme, und zwei Reiter verschwanden eilig im Dunkel. Des Cowboys Büchse krachte, aber die Kugel erreichte kein Ziel.
Der Knall einer Pistole ließ sich hören, sie sahen das aufflackernde Feuer, und die Kugel sauste an ihnen vorbei. Beide sprangen zur Seite, da jagte auch der dritte Reiter schon davon, den andern nach.
"Reitet nur, James Osborne", rief Brown mit starker Stimme ihm nach, "der Rächer holt euch ein."
"Zurück, zu Taylor", sagte Wild, "zu Pferde und ihnen nach."
Sie gingen zurück. Von verschiedenen Seiten eilten Männer herbei, welche die Schüsse aufgescheucht hatten. Auch der Richter kam.
Als er erfuhr, daß die Gefangenen entwischt seien, sagte er: "Hoffe, Gentlemen, sind einige unter euch, die dem Gesetze Achtung verschaffen und die Entflohenen verfolgen werden."
"Habt euch nicht getäuscht, Richter", sagte ein baumlanger Arkansasmann, "soll geschehen. Holla, Boys, zu Pferde, giebt eine lustige Jagd, wollen dem Gesetz Achtung verschaffen."
Er eilte mit andern davon, um die Pferde zu holen.
"Kommt vorher zu Taylor", rief ihnen der Richter nach und ging mit Wild und Brown zum Gefängnis, wo es sich herausstellte, daß auch der Konstabel, welcher das Gefängnis bewachte entflohen war, und suchte dann das Unionhotel auf.
Der Wirt vernahm mit Erstaunen die Anwesenheit Osbornes und die mit dessen Hilfe, sicher durch Bestechung des Gefängnisbeamten, ermöglichte Flucht der Gauner.
Der Cowboy sattelte eilig sein und Mr. Browns Pferd. Da trabten schon von verschiedenen Seiten die jungen Männer heran, die sich bereit erklärt hatten, die Flüchtigen zu verfolgen.
"Sind zunächst nach Norden geritten, die Burschen", nahm der Richter das Wort, "wie Mr. Wild sagte, ist die Steppe aber groß, können leicht einen Haken schlagen, ist notwendig, euch zu teilen, Gentlemen."
"Habt recht, Richter", sagte Wild. "Ich will nach Norden gehen und bin dankbar, wenn sich zwei der Gentlemen mir anschließen."
"Komm, Jack", sagte der lange Arkansasmann zu einem der Umstehenden, "gehen wir mit ihm nach Norden."
"Ist recht, meine Jungen", nahm der Richter das Wort, "geht ihr nach Norden und ihr andern teilt euch nach Ost und West. Glaube nicht, daß die Flüchtigen in der Nacht den Fluß zu kreuzen wagen. Wenn ihr den Konstabel seht, bringt ihn auch mit. Hat die Schufte entwischen lassen. Wollen auch mit ihm ein Wörtchen reden."
Die Verfolger teilten sich und galoppierten in die Nacht hinaus. Brown schloß sich trotz Taylors Abmahnen dem Cowboy an.
"Glaube, Taylor", sagte der Richter ernst zu dem Wirt, als sie davon waren, "hatten einen guten Fang gemacht, zweifle nicht, daß wir den berüchtigten Prairieräuber, den langen Ben, und den scheußlichen Mordgesellen, den Bloom, bei uns hatten. Und Mr. Osborne? Nun, hoffe, unsre Jungens treffen auf ihre Fährte. Wollen hier schon Ordnung schaffen, Taylor, so daß anständige Menschen frei atmen können. Gute Nacht, Sir!"
Schon war die Sonne über dem Horizont erschienen, als Puck und der Trapper erwachten. Beide verließen alsbald die Höhle und schritten vorsichtig, die Büchsen in den Händen, hinaus nach dem Rande des Gehölzes, um von dort aus einen Blick in die Prairie zu werfen. Die Sonne strahlte vom heiteren Himmel hernieder, und nur das niedergebeugte Gras zeugte von den Regengüssen der vergangenen Nacht. Die scharfen und geübten Augen der beiden Männer überflogen die Steppe nach dem Ohsonta und den Felsen hin, doch einsam lag die Fläche vor ihnen da, als ob sie nie ein Menschenfuß betreten hätte. Sie gingen dann nach der andern Seite, doch auch hier gewahrte der Blick nichts, was auf die Anwesenheit der Kiowas schließen ließ.
Zurück zur Höhle schreitend, trafen sie dort Stone und Paul bereits munter und ersteren beschäftigt, das Feuer anzufachen. Dies verbot aber sofort der Trapper.
"Geht nicht, Sir, Feuer anzuzünden. Feuer giebt Rauch, den wir in der Höhle nicht zurückhalten können, und die Kiowas haben gute Augen. Werden sich wohl an diesem gesegneten Morgen scharf umsehen, wo der Grizzly und sein Medizinmann geblieben sind."
"Nun, wenn ihr meint, alter Steppenbär, wollen wir das Frühstück kalt verzehren; wäre nicht das erste Mal, daß meines Vaters Sohn ohne heißen Thee das Tagewerk begann. Wie steht's denn draußen?"
"Nichts zu sehen, weit und breit. Unsere Spuren werden sie vergeblich suchen, sind vom Regen total verwischt."
Man sah nach den Pferden und fütterte sie, dann frühstückten die vier Höhlengenossen in gehobener Stimmung, da sie der so drohenden Gefahr des vergangenen Tages glücklich entronnen waren, unbesorgt um die nächste Zukunft.
Auf des Trappers Rat ward dann beschlossen, sich nach vier Seiten hin am Rande des Gehölzes zu verteilen und für alle Fälle einen wachsamen Ausguck auf die Steppe zu halten. Er selbst wies den drei andern ihre Plätze an, verabredete Warnungszeichen mit ihnen und nahm selbst einen Wachposten ein.
Der Tag, sonnenhell und heiter, nach dem nächtlichen Gewittersturme, verlief ruhig. Mehrmals wurden zwar Kiowas in der Steppe erblickt, einige, die sich auf das Lager zu bewegten, andre, die von diesem herkamen, doch niemand nahte sich dem Gehölze, welches die Flüchtigen barg, und kein Zeichen deutete darauf hin, daß man es beargwohne.
Über die Art, wie die Flucht des Trappers ausgeführt worden war, mußten die Indianer gänzlich im unklaren sein. Der Trapper ging mehrmals zu den andern und ließ sich von ihren Wahrnehmungen Bericht erstatten. Doch niemand hatte Auffälliges bemerkt.
Die Nacht brach herein, und alle vier sammelten sich in der Höhle.
"Wäre es nicht doch besser, Puck", sagte sorgenvoll der Trapper, "wir nähmen unsre Pferde, Paul setze sich zu mir, Stone ritte mit dir, suchten den Arkansas zu gewinnen, kreuzten ihn entweder oder bauten uns ein Floß, um auf dem Strome hinabzugehen?"
"Die Kiowas, Oheim, sind in starker Zahl in der Steppe und weit umher zerstreut, es ist undenkbar, daß sie uns nicht morgen erschauen sollten, oder unsre Spuren kreuzen und ihnen folgen. Sobald wir erreicht werden, sind wir verloren, denn zwei Reiter auf einem Pferderücken kommen nicht weit. Es bleibt nichts übrig, als uns alle beritten zu machen, darum will ich gehen, Pferde zu holen. Dann, hoffe ich, legen wir in der Nacht eine Strecke zurück, die uns aus dem Bereiche der Feinde bringt. Mit einzelnen, die uns noch aufstoßen, sprechen wir durch die Büchsen."
"Ganz gut, Puck, aber ich fürchte Gefahr für dich, wenn du dich jetzt unter die Roten schleichst."
"Gefahr, Oheim? Kennst du Puck so wenig? Ich beschleiche den Panther im Grase und sollte Gefahr von den Kiowas fürchten?"
"Und ich gehe mit ihm, Oheim", sagte entschlossen Paul, "und teile seine Gefahr."
Puck lächelte ihm zu.
"Du hast zu wenig Erfahrung, Kind."
"Paul sehr klug", sagte der Zwerg, "und gewandt gleich der Schlange. Müssen zwei gehen, zwei die Pferde reiten."
"Dann will ich mit dir gehen, Puck."
"Du bist zu groß, Oheim, und nicht mehr jung genug, um im Grase zu kriechen, und auch zu schwer für ein Indianerpferd. Laß Puck und Paul gehen, Puck ist vorsichtig."
"Sehe, es muß gewagt werden", sagte ernst der Trapper, "nun, dann geht, Kinder, und Gott schütze euch."
"Würde gern mit dem kleinen Herrn gehen", äußerte Stone, "verstehe mich aber nur wenig auf die Schliche der Rothäute, und mit meiner Reitkunst ist es auch nicht weit her. Wurde mit einem Maultier schon fertig, aber einen bockbeinigen Prairiemustang zu bändigen, das ist doch eine andre Sache."
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