"Möchte den sehen", schrie trotzig Ben, "der einen freien Bürger der Staaten auf solch alberne Anschuldigungen hin vor den Richter bringen wollte."
"Gentlemen", rief Brown, der gewaltig erregt war, "die da sind's, die unsern Paul davongeführt und ermordet haben, setze meinen Hals zum Pfande, sie sind's."
"Komm, Jim", sagte der lange Ben, "sind hier in ein Narrenhaus geraten, wollen andre Luft aufsuchen."
Damit wollten sie davongehen.
Aber der Wirt trat ihnen entgegen und neben ihm Nathan Wild.
"Halte euch für genügend verdächtig, Bursche", sagte Taylor, "einmal ein eingehendes Verhör mit euch anzustellen. Müßte mich auch sehr täuschen, wenn euer Signalement, und besonders deine, mein Junge, mit der Narbe, nicht in den Akten des Sheriff zu finden wäre."
"Segne deine Seele, Mann", schrie Ben, "wirst ein Loch in deiner Haut haben, ehe du Amen sagen kannst, wenn du ehrenwerte Gentlemen verdächtigst! Gieb Raum!" und drohend hob er die Pistole.
Ein schnell geführter Schlag, mit welchem Nathan Wild mit seinem kurzen Peitschenstiel seine Hand traf, warf die Pistole zur Erde.
Gleichzeitig traf ein Faustschlag des Wirts Jim, der mit seinem langen Messer herumhantierte, und machte ihn kampfunfähig.
"Kalkuliere, Gentlemen", sagte er dann ruhig zu den Umstehenden, "sind die beiden genügend verdächtig, um dem Richter vorgeführt zu werden. Bin Magistratsperson, Gentlemen, und fordere euch auf, dem Gesetze Achtung zu verschaffen. Hier, Nathan Wild, ist mir als ehrenwerter Mann bekannt und ebenso Mr. Brown aus Arkansas, der Verwalter der Osborneschen
Besitzungen; waren mir von guter Hand empfohlen worden. Sind gewichtige Zeugen. Achtung dem Gesetze. Seid verhaftet, ihr beiden."
Dicht standen die Anwesenden um die beiden Banditen geschart, die, unfähig sich ihrer Waffen zu bedienen, auch gar keinen Widerstand versuchten. Da mit Ausnahme von Ben und Jim alle mit dem Rücken der Thüre zugekehrt standen, hatte niemand gesehen, wie dort ein Mann erschien, der einen Blick des Schreckens auf die Gruppe heftete.
Als man die verdächtigen Gesellen binden wollte, fiel Bens Auge auf den Fremden, dieser machte ihm ein Zeichen und verschwand, ohne daß ihn jemand außer Ben gesehen hätte.
Der Bandit, dem augenscheinlich nicht wohl zu Mut war, atmete jetzt, wie es schien, erleichtert auf und sagte zu seinem tückisch dareinschauenden Gefährten: "Komm, Jim, fügen wir uns ins Unvermeidliche. Weißt du, Gesetz ist Gesetz, muß respektiert werden. Wird den Gentlemen hier noch leid thun, zwei ehrenwerte Leute gekränkt zu haben."
"Hier meine Hände, Sir", sagte er zum Wirt, der Stricke herbeigeholt hatte, "bindet mich; wenn ihr wollt, will euch gern vor den Richter folgen, haben reine Sache."
"Will euch binden, Bursche", sagte trocken Taylor, "und vor den Richter werdet ihr bald kommen, 's ist aber diesmal nicht euer Spießgeselle, der Johnson."
Beide wurden gebunden und von einem Teil der Anwesenden, denen sich Nathan Wild anschloß, nach einem Blockhause geführt, welches das Gerichtslokal und Gefängnis enthielt. Dort übergab man sie dem Konstabel.
Als sie fort waren, sagte Taylor zu Brown: "Ist der Sheriff Heathcot in Monmouth mein Freund, Sir, hat euch an mich empfohlen, seid also auch ihr mein Freund. Freue mich, daß ihr hier seid. Habe wegen dieser Sache mit dem unglücklichen Jungen schon allerlei Bedenken gehabt. Ist eine merkwürdige Geschichte. Also in Monmouth hat der Osborne den Totenschein seines Neffen vorgezeigt?"
"Ist so, Sir, in aller Form ausgestellt."
"Hm, nun von den verhafteten beiden Burschen ist wohl allerlei herauszubekommen, sind in eine Pantherfalle hier geraten. Können solch Gesindel gerade noch brauchen."
Der Cowboy, welcher sich davon überzeugt hatte, daß die beiden verdächtigen Burschen in sicheren Gewahrsam genommen waren, trat wieder ein und gesellte sich schweigend zu den Redenden.
Brown, dem der Wirt als ein zuverlässiger, ehrenwerter Mann bezeichnet war, und der Nathan Wild als solchen kannte, zögerte nicht, ihnen sein ganzes Herz auszuschütten und den Verdacht, den der gegen James Osborne hegte, deutlich zu äußern.
"Geht noch zu wild hier zu, Sir", erwiderte ihm hierauf Taylor, "wird das alles schwer zu beweisen sein, um so schwieriger, als der Schuft, der Richter Johnson, davongekommen ist. Woher Zeugen nehmen?"
"Sagt mir nur eines, Sir, glaubt ihr, nach dem, was der junge Cowboy, der Untergebene Nathan Wilds, in der Steppe gesehen hat, und zu zweifeln ist nicht daran, daß der junge Osborne noch lebt?"
Taylor schüttelte bedächtig den Kopf und entgegnete ernst: "Glaube nicht, Sir, nach allem, was ihr mir sagt, galt es, den Jungen zu beseitigen. Wir werden wenig aus den beiden Schuften herausbringen, aber ich habe sie verhaften lassen, um den Versuch zu machen, Licht in diese dunkle Affaire zu bringen. Gehöre zum Vigilanzkomitee", setzte er leise hinzu und fuhr wieder laut fort: "Zweifle nicht, daß diese Gesellen bei dem Morde beteiligt sind, und wundere mich, daß sie sich hierher zurückgewagt haben."
"Nach dem, was ich von ihnen erlauschte", fügte Wild ein, "hofften sie hier auch einen gewissen Johnson zu treffen, auch scheinen sie nicht gut auf Mr. Osborne zu sprechen zu sein."
"Werden entweder ihr Sündengeld noch nicht haben", meinte Taylor, "oder wollen den Versuch machen, weiteres von Osborne zu erpressen. Wird ja wegen Mangel an Zeugen nichts übrig bleiben, als die Burschen laufen zu lassen, wenn nicht noch etwa eine ältere Sache vorliegt - aber - kommt's euch auf eine Hand voll Dollar an, Sir?" wandte er sich an Brown.
"Nein, auf mehrere Hände voll nicht, wenn ich Gewißheit über das Schicksal des Jungen erlangen kann."
"Gut, wollen's versuchen. Will mit dem Richter sprechen und mit den Schuften. Werden sehen."
Damit schloß die Unterredung. Der Versuch, den Taylor noch am Abend machte, Ben und Jim zum Sprechen zu bringen, mißlang; beide behaupteten keck, nichts von alledem, was ihnen zur Last gelegt werde, zu wissen, obgleich der Richter der Ansicht war, daß er in ihnen zwei höchst gefährliche Prairieräuber vor sich habe. Auch das Anbieten von Geld hatte auf die Schurken keinen Eindruck gemacht.
Niedergeschlagen suchte Mr. Brown sein Lager. Er sowohl als der Cowboy konnten nicht schlafen; Wild, der gewohnt war, die Nacht unter freiem Himmel zuzubringen, erhob sich, um an die Luft zu gehen, und Brown schloß sich ihm an.
Ein natürliches Gefühl trieb sie an, nach dem Blockhause zu schlendern, welches die Gefangenen barg.
Die Nacht war dunkel, und ein feiner Regen fiel hernieder.
Aus einigen Wirtshäusern drang noch Lärm; auch bei Taylor saßen noch einige Gäste, sonst schien alles in Garfield zu schlafen.
Als sie sich, langsam in der Dunkelheit hinschreitend, dem Gefängnisse näherten, berührte Pferdewiehern ihr Ohr. Beide standen und lauschten. Dann schlich Wild, mit der Geräuschlosigkeit des Fuchses, sich im Schatten der nächsten Hütten haltend, vor und sein an die Dunkelheit gewöhntes Auge gewahrte bald drei gesattelte Rosse, welche von einem Manne gehalten wurden. Brown war langsam nachgeschlichen und stand neben dem Cowboy. Nach wenigen Sekunden huschten zwei dunkle Gestalten vom Gefängnisse herbei, die von einer gedämpften Stimme mit den Worten begrüßt wurden: "Kommt ihr endlich? 's ist Zeit."
"Bei Gott", flüsterte Brown dem Cowboy ins Ohr, "das ist Mr. Osborne."
"Ließ uns nicht früher los, Sir, aber hier sind wir", entgegnete der eine der Kommenden.
"Waffen, Rationen sind auf den Pferden, hier sind für jeden hundert Dollar, und nun bringt rasch dreißig Meilen zwischen euch und den Galgen."
"Danken euch, Mr. Osborne, war Zeit."
Als sie im Begriff waren, sich auf die Pferde zu schwingen, trat Brown, der sich nicht länger zurückzuhalten vermochte, vor und sagte: "Wünsche euch guten Abend, Mr. Osborne, seid ja in guter Gesellschaft hier, wie ich sehe."
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