Als Athoree sein Herankommen erwartete und die Büchse im Arm neben ihm herschlenderte, äußerte der Irländer: »Weißt du, Athoree, ich bin es eigentlich herzlich überdrüssig, durch diese dunklen Wälder zu marschieren. Nichts als Busch und Baum, nichts als Baum und Busch, es wird langweilig.«
»Wald schön, ihn Manitou gemacht für roten Mann, er sollen darin jagen Hirsch und Elen.«
»Nun, es ist gewiß Geschmacksache, den einen erfreut ein Gericht Austern, den andern eine Schüssel mit Haferbrei, es kommt nur darauf an, daß es mundet. Mein Geschmack sind diese Wälder nicht, sie haben etwas verd- Tückisches an sich.«
»Starkhand sich fürchten in Wald?«
»Das will ich nicht sagen, aber unheimlich sind diese endlosen, düsteren Strecken.«
»Darum du nicht gern mitgehen, he?«
»Ich will dir nur zu verstehen geben, Indianer, daß ein Mann seine Gründe haben kann für dies oder jenes, und wenn ich nicht mitgehen wollte, so hatte ich auch meine Gründe.«
»Das gut, sagen Grund.«
»Gründe haben, mein guter Athoree, ist eines, und sie andern mitteilen, ein andres. Ich gebe aber prinzipiell keinen Grund an, verstehst du?«
»O, nicht gut, hören Grund gern.«
»Das glaube ich wohl, denn Gründe sind immer die Hauptsache, ob es gleich auch Leute gibt, welche gar keine haben.«
»Aber du haben Grund, he?«
»Das darfst du mir glauben, Michael O'Donnel tut nichts ohne Grund.«
»Gut. Nun mir Grund sagen.«
»Jetzt laß mich mit allen Gründen zufrieden, ich will keine angeben; verstehst du, ich will nicht.«
»Das sehr guter Grund.«
Aergerlich ging Michael weiter.
Nach einer Weile fragte er: »Wie denkst du denn, daß uns die Leute, die wir aufsuchen gehen, empfangen werden?«
»Denken sehr gut, Ottawa guter Freund.«
»Na, mit der Freundschaft kann man mir vom Leibe bleiben, ich habe gerade genug davon. Aber du hast doch auch einige von ihnen um die Ecke gebracht,« fuhr er dann fort.
»Nicht verstehen, Ecke bringen, was meinen?« [342]
»Nun, du hast einigen den Schädel eingeschlagen oder sie niedergeschossen.«
»Das so tun. Er kommen, schießen auf Athoree, der schießen wieder, so recht.«
»Natürlich ist es recht: was du nicht willst, das dir geschieht, das füg auch keinem andern zu. Weiter habe ich doch auch nichts getan, und der Herr Graf nicht und Johnson nicht, und der deutsche Jäger nicht, warum sollten sie mich denn gerade, wie Weller sagt, martern wollen und euch nicht auch?«
Der Indianer pfiff leise vor sich hin und warf einen Blick, der von innerer Heiterkeit zeugte, auf den Mann aus Leitrim.
Da er vollständig begriff, welches Spiel man mit dem guten tapferen Iren gespielt hatte, und nicht abgeneigt war, den harmlosen Michael zu necken, sagte er: »Jetzt wissen Grund.«
»Nun, und welchen?« fragte Michael hastig.
»Du großen Häuptling erschlagen, wir nur Krieger töten.«
»Also meinst du doch?« platzte Michael heraus, und fuhr dann in kläglichem Tone fort: »Warum nur mir der liebe Gott gerade diesen großen Häuptling in den Weg führen mußte! Ich bin hierher gegangen aus Liebe zu meinem Lord, obgleich mir der Konstabel alles vorher gesagt hatte. Als nun am ersten Tage nichts passierte und am zweiten nichts, so dachte ich wirklich, er hätte nur seinen Scherz mit mir getrieben - aber - du willst doch nicht auch, deinen Spaß mit mir treiben?« unterbrach er sich plötzlich.
»Nicht scherzen,« sagte Athoree mit seinem ernstesten Gesicht. »Du großer Krieger, Ottawa das wissen, nicht vergessen,« sagte nachdrucksvoll Athoree, und ging wieder an die Spitze des Zuges.
»Großer Krieger, danke dafür,« murmelte Michael. »Ich hätte jetzt die größte Lust auszureißen, wenn ich nur könnte. Verwünschte Geschichte. Na,« setzte er grimmig hinzu, »einigen breche ich vorher noch die Knochen entzwei, ehe sie an mich kommen,« und er schwang drohend seinen Stock.
Nach einiger Zeit verließen sie den dichteren Urwald und traten in eine von der Natur geschaffene Lichtung ein.
Athorees scharfe Augen, der Graf mit seinem Fernrohr durchforschten das Terrain, doch nichts bot sich dar, das ihre Aufmerksamkeit hätte erwecken oder gar ihre Besorgnis hätte wachrufen können.
Friedlich wie bisher setzten sie ihren Weg fort.
Der westliche Horizont hüllte sich bereits in feuriges Rot, weithin die leichten Wolken, welche am Himmel standen, mit Gold umsäumend.
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Die Natur schickte sich zum Schlafen an und auch unsre Reisenden dachten daran, sich eine geeignete Ruhestätte für die Nacht zu suchen.
Auf eine hierauf Bezug nehmende Frage des Grafen entgegnete Johnson, welcher allein den Weg kannte, den er wiederholentlich zurückgelegt hatte: »Wir wollen bis zum dichteren Wald gehen,« und er wies auf den unweit befindlichen dunklen Saum desselben, »dort finden wir einen geeigneten Platz, um für die Nacht zu lagern.«
Sie zogen weiter und trafen wenige hundert Schritt im Walde auf einen augenscheinlich künstlich angelegten Ringwall.
Durch den nach Osten zu gelegenen Eingang betraten sie den inneren Raum.
Der trotz des Dämmerlichtes deutlich erkennbare Wall war mit dichtem Buschwerk bestanden, sein Inneres aber, da er häufig streifenden Indianern zum Aufenthalt diente, von solchem gesäubert, wozu auch die Feuer, welche hier von Zeit zu Zeit angezündet wurden, das ihrige beigetragen haben mochten.
Inmitten des umwallten Raumes sprudelte ein frischer Quell, dessen Wasser seinen Weg durch den Ausgang suchte.
Trockenes Holz wurde herbeigeschafft und bald loderte ein helles Feuer empor.
Nachdem das Pferd seiner Last entledigt war, wurde es getränkt und dann von Michael draußen, wo es in dem süßen Waldgras reichliche Nahrung fand, an langer Leine angepflockt.
Die alte Sumach hatte den mit dem Wasser des Quells gefüllten Blechtopf ans Feuer gesetzt und beschäftigte sich dann mit dem Braten des Bockziemers.
Blechbecher und Maiskuchen wurden dem Gepäck entnommen, und während Michael, Johnson und Heinrich dürres Laub zu Lagerstätten herbeiholten, ward von der Indianerin die Abendmahlzeit bereitet.
Mit großer Aufmerksamkeit hatte währenddes, beim hellen Scheine des Feuers, Graf Edgar den Wall untersucht und zu seinem nicht geringen Erstaunen Reste von Mauerwerk, wie zahlreiche Scherben von gebrannten Tongefäßen gefunden.
Nach dem einfachen aber reichlichen Mahle, dessen Würze in einem Becher guten Kaffees bestand, zündeten die Männer ihre Pfeifen an und streckten sich am Feuer aus, während Sumach die Geschirre im Wasser des Quells reinigte.
Edgar wandte sich jetzt an Johnson mit der Frage: »Ist Ihnen etwas von dem Ursprung dieser eigenartigen Befestigung, denn eine solche ist es sicher bekannt?«
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»Nein, Herr Graf. Ich habe in Ohio ähnliche kreisförmige Umwallungen gesehen, auch finden sich solche hier oben an den Seen vereinzelt vor, doch von ihrem Ursprung habe ich keine Ahnung.«
»Diese Stätte muß uralt sein. Athoree, weißt du etwas davon, wer diesen Wall gebaut hat?«
»Können nicht sagen. Am See und in Kanada viel finden, solcher Runden. Nicht Wyandots machen, ander Volk.«
»Gut, Athoree, aber berichten nicht die Ueberlieferungen der Wyandots, wer vor ihnen das Land bewohnt hat und diese Befestigungen angelegt haben könnte?«
»Alte Häuptlinge viel erzählen abends an den Feuern, wenn in Wigwam sitzen und draußen der Schneesturm heult, viel erzählen von alten Zeiten, als das Volk der Wyandots noch zahlreich war, wie die Blätter des Waldes, aber nicht sprechen von ander Volk. Wyandots hierher kommen, nehmen Land.«
»Und wo kamen deine Vorfahren her?«
»Kamen von Norden, weit her.«
»So laß uns von dem Ursprung deines Volkes hören und wie es in dieses Land eingewandert ist, wenn eure Sagen davon melden.«
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