Kitates Gesicht, welches einen Augenblick einen freundlichen Ausdruck angenommen hatte, war finster, als er wiederholte: »Kitate weiß nichts von der weißen Frau. Kitate hat nur eine Zunge, er hat gesprochen.«
»Es ist gut,« sagte Blackwater, »der Häuptling weiß nichts von dieses Herrn Schwester, sonst würde er es sagen. Aber vielleicht gibt es Leute im Ottawa-Volke, welche mehr wissen als der Häuptling, Leute, die am Manistee waren, während Kitate friedlich in seinen Dörfern weilte. Würde der Häuptling nicht gestatten, daß mein Freund zu den Niederlassungen der Ottawas ginge und dort nach seiner Schwester fragte?«
[334]
Kitate schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Der Dutchman ist willkommen an den Feuern der Ottawas.«
»So danke ich dir. Kitate mag sich das Fort der Langmesser betrachten, seine Freunde können, sobald es ihnen beliebt, ihre Büchsen nehmen und zu ihren Dörfern eilen.«
Er Verabschiedete die Männer mit einer Handbewegung, diese verneigten sich mit vielem Anstande und gingen hinaus.
»Das ist eine seltsame Geschichte, Graf,« sagte er dann. »Diese Leute wissen unzweifelhaft genügend von Ihrer Schwester und deren herbem Schicksal: bemerkten Sie den Blick, welchen sie austauschten?«
»Ich bemerkte ihn wohl.«
»Unerklärlich ist mir, warum sie so schweigsam darüber sind. - Ob da eine Greueltat verübt ist und sie noch fürchten, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden? Von wem haben Sie denn das wunderliche Ding, welches so großen Eindruck auf die Kerls machte?«
Graf Edgar teilte ihm mit, wie er in den Besitz desselben gekommen sei.
»O, von unserm Konstabel? Ich bedaure jetzt, daß ich ihn nicht ebenfalls zu dieser Unterredung zugezogen habe, er kennt die indianische Natur doch noch besser als ich. Das Ding scheint ein kleines Götzenbild zu sein.«
Er schickte nach Weller, der auch alsobald erschien. Man gab ihm Kenntnis von dem Inhalt der Unterredung.
»Schade, daß ich nicht dabei war, Kapitän. Vermutet übrigens ganz recht, wissen die Roten ganz genau, was aus Lady Walther geworden ist, aber sie zum Reden zu bringen, scheint heute wie damals unmöglich zu sein.«
»Aber wenn wir die Frau ermitteln, Konstabel, welche Euch den Talisman gegeben hat?«
»Die alte Miskutake? Hm. Wie wollt Ihr die ermitteln?«
»Wenn ich es mit einiger Sicherheit tun könnte, würde ich nach den Dörfern der Ottawas eilen und keine Geschenke sparen, um endlich Klarheit in das so dunkle Schicksal meiner Schwester zu bringen.«
»Sicherheit? Wenn der Kitate Euch einen Geleitsbrief gibt, könnt Ihr ruhig hingehen, außerdem bürgt er ja mit seiner Person dafür, daß Euch kein Leid geschieht.«
»So gehe ich, Kapitän.«
»Wolltet Ihr es wagen?«
»Ja. Vielleicht lebt sie noch, in Gefangenschaft gehalten. Wenn sie nicht, vielleicht mein kleiner Neffe.« [335]
»Fremder,« sagte der Konstabel, »macht Euch keine solche Hoffnungen. Lebte sie noch oder auch nur der Knabe, wir würden es längst wissen.«
»Dennoch will ich das Letzte noch versuchen.«
Es vergingen nach dieser Unterredung zwei weitere Tage, während ringsum die größte Ruhe herrschte.
Athoree hatte wiederholt in weiten Märschen die ganze Gegend abgestreift, ohne irgend etwas Verdächtiges bemerkt zu haben.
Für Kitate war ein indianischer Läufer angelangt und hatte ihm Botschaft gebracht, worauf er Blackwater noch einmal versicherte, daß kein Ottawa an Feindseligkeiten denke.
Edgar hatte persönlich den Häuptling um einen Geleitsbrief nach seinen heimatlichen Dörfern ersucht.
Lange hatte ihn dieser betrachtet, nachdem der Graf sein Anliegen vorgebracht, und endlich gesagt: »Du kein Yengeese, kein Inglis, du Dutchman - das gut. Du nach Schwester suchen - wirst du nicht finden. Will dir Kitates Zeichen geben, magst ruhig zu den Ottawas gehen, dir nichts tun. Du Schwester sehr lieben?«
»Ja, Häuptling, und daheim sitzt mein greiser Vater und beweint die Tochter.«
»Weiße Frau großes Unheil über Ottawa gebracht, viel Blut ihretwegen fließen,« setzte er finster hinzu.
Kitate, aus dem trotz flehentlicher Bitten und dem Angebot reicher Geschenke nichts andres herauszubringen war, als daß er von nichts wisse, fertigte mit Farbe und Pinsel den Geleitsbrief für Edgar aus. Es waren einige wunderliche Zeichen, welche er auf ein Stück Haut malte und schließlich mit dem wohl ausgeführten Bilde eines Otter, seinem Namen, unterzeichnete.
Edgar kaufte aus den Vorräten des Forts Geschenke ein, ähnlich denen, welche er eingebüßt hatte, und erwarb das Pferd, auf welchem der Pottawatomie gekommen war.
Als er seinen Begleitern die Absicht eröffnete, die Ottawas aufzusuchen, erklärte sich zu seiner großen Freude Johnson sofort bereit, mit ihm zu ziehen, einen unerwarteten Widerstand aber fand er an dem Manne aus Leitrim.
»Euer Gnaden werden gütigst verzeihen,« stotterte der Ire hervor, als Antwort auf die Frage, ob er bereit sei, mitzugehen, »ich habe Euer Gnaden gewiß lieb und würde mich für Euer Gnaden totschlagen lassen, wenn es sein müßte, aber mit zu den Ottawas kann ich nicht gehen.« [336]
»Und warum nicht, mein guter Michael?«
»Sehen Euer Gnaden, die Bursche lauern auf mich da draußen und wollen mich an den Marterpfahl, wie man es nennt, stellen und mich peinigen, wie nie ein Mensch gepeinigt worden ist.«
»Aber warum denn dich gerade, mein braver Bursche? Wir sind doch alle in gleicher Lage.«
»Nein,« flüsterte der Ire geheimnisvoll, »auf mich allein lauern sie, weil - weil ich - den Peschewa gefangen genommen habe.«
Der Graf lächelte.
»Wenn du das fürchtest, Michael,« sagte er gütig, »so muß ich natürlich auf deine Begleitung verzichten.«
»Ja, es ist so, Euer Gnaden!«
»Und woher weißt du denn, daß sie dir so abgeneigt sind?«
»Der Herr Konstabel hat es mir gesagt, ich darf mich nicht zum Fort hinaus trauen.«
Der Graf merkte nun freilich, daß Weller seinen Scherz mit dem biederen Sohn der grünen Insel getrieben hatte.
Da der Ire nicht umzustimmen schien und hartnäsig auf seiner Weigerung beharrte, belohnte ihn der Graf sehr reichlich für seine bisherigen Dienste und empfahl ihn dem Wohlwollen Blackwaters,
»Ei, der Bursche ist verrückt. Das ist ein schlechter Scherz des Konstabel,« meinte dieser.
Aber ob nun gleich er und selbst Weller auf ihn einredeten und letzterer sogar gestand, daß er nur Scherz mit ihm getrieben habe, der Mann aus Leitrim blieb dabei, daß die Ottawas es besonders auf ihn abgesehen hätten.
Da Weller auf die Abreise drang, auch Frances sich hinreichend erholt hatte, um den Weg an die Küste antreten zu können, und allem Anschein nach die Wälder sicher waren, vielleicht Gefahren ausgenommen, welche ihnen die Wegelagerer bereiten konnten, obgleich auch dies kaum wahrscheinlich war, so ordnete Blackwater die Abreise für den dritten Tag an.
Zwanzig Mann wurden abkommandiert, um unter der Führung eines Sergeanten die Tochter des Obersten nach den Ansiedlungen zu geleiten. Wellers väterlichem Schutze wurde Frances besonders anvertraut, der es übernahm, sie bis nach Traverse City zu bringen.
Für denselben Tag hatte Edgar seine Abreise bestimmt.
Am frühen Morgen standen die Soldaten bereit, ebenso des Grafen Begleiter mit dem bepackten Pferde, welches Heinrich führen sollte. Michael war nicht zu sehen. [337]
Frances kam vom Grabe ihres Vaters zurück, wohin sie schon im Morgengrauen gegangen war und lange gebetet hatte.
Mit inniger Teilnahme verabschiedete sich Blackwater von ihr.
Als sie schon im Sattel saß, reichte sie Edgar nochmals die Hand.
»Wird Miß Schuyler eines fernen Freundes gedenken?«
»Sie wird ihn nicht vergessen.«
»>Treu bis zum Tode< ist der Wahlspruch meines Hauses.«
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