»Ich muß wissen, Indianer, ob wir draußen in den Wäldern Krieg oder Frieden mit euch haben.«
»Kitate kam hierher, um dir zu sagen, daß nicht er, nicht die Ottawas verantwortlich sind für die Taten derer, die sich von ihnen losgesagt haben.«
»Nun, die Frage, wie weit du und die Deinen mit schuldig an den hier verübten grausigen Taten sind, wollen wir jetzt nicht erörtern, dies wird ja wohl die Untersuchung an den Tag bringen, und ich fürchte, der Galgen wird noch mehr zu tun bekommen. Jetzt will ich wissen, deutlich von dir wissen, ob deine Leute draußen unsre Freunde sind, oder ob wir Feindseligkeiten zu gewärtigen haben?«
»Peschewa hielt Frieden mit den Weißen, solange er Häuptling der Ottawas war, Kitate wird Frieden halten.«
»Schön. Und gehorchen dir deine Krieger, wenn du ihnen befiehlst, die Streitaxt zu begraben?«
»Alle Ottawas gehorchen Kitate. Er ihnen schon sagen durch seine jungen Männer, Frieden halten. Alle so tun. Nicht Stammlosen sagen, er nicht gehorchen, er nicht Ottawa.«
»Wenn du die Wahrheit redest, so hätten wir es also nur mit dem Auswurf zu tun, welcher sich da draußen herumtreibt.«
»Er entfliehen, denk' ich, weit, er nicht kommen nach Fort.«
»Das will ich wohl glauben. So versicherst du also, Kitate, daß niemand von uns von deinen Leuten etwas zu fürchten hat? Bedenke wohl, was du sagst.«
»Nichts fürchten. Ottawa fürchten den weißen Mann. Kitate kommt friedlich hierher als Freund, und der Häuptling hält ihn gefangen und legt Eisen um seine Hände, das nicht freundlich.«
»Dich hier festzuhalten, Häuptling, ist eine Notwendigkeit, die ich nicht umgehen kann. Du mußt hier bleiben, bis ich Nachrichten aus der Bundeshauptstadt habe. Wenn du dir aber eine Einwirkung in friedlichem Sinn von deinen Gefährten hier auf dein Volk [331] versprichst, sie haben ja unsrer Unterredung gelauscht und deren Inhalt auch wohl verstanden -«
»Gut verstehen.«
»So will ich sie entlassen, daß sie den Ottawas deinen Willen mitteilen.«
»Gut, Häuptlinge besser sprechen als junge Männer.«
»Und willst du mir dein Wort geben, das Fort nicht zu verlassen, so kannst du dich innerhalb der Wälle frei bewegen.«
»Kitate gibt dem Häuptling der Langmesser sein Wort, er wird das Fort nicht verlassen.«
»Es ist gut, ein Häuptling hält sein Wort, Kitate kann frei umhergehen. - Eines aber sage ich euch, wird gegen uns ein falsches Spiel getrieben, wird einem meiner Leute auch nur ein Haar gekrümmt, so wird Kitate unweigerlich hängen, das teilt den Ottawas mit, Blackwater ist der Mann, sein Wort zu halten. Diese Angelegenheit wäre also beendet. Sie sehen, Herr Graf,« wandte er sich an Edgar, »man hat einige Mühe, mit diesen indianischen Staatsmännern zu verkehren. Nun wollen wir Ihre Angelegenheit vornehmen. Höre einmal, Kitate, was wir als Häuptlinge miteinander zu beraten hatten, ist abgemacht, aber ich habe da noch etwas zu fragen, worauf eine Antwort zu erhalten mir und diesem Herrn hier sehr wichtig ist.«
»Mein Ohr ist offen, frage, Kitate wird antworten.«
»Dieser Herr hier ist kein Inglis, kein Langmesser, er ist der Häuptling eines fremden Volkes, er ist ein Dutchman [3] So werden die Deutschen gemeinhin von den Amerikanern genannt.
.«
Kitate neigte grüßend das Haupt und sah mit seinen klugen Augen Edgar aufmerksam an.
»Dieser Herr war auf dem Wege zu den Ottawas, um sie zu besuchen und ihren Häuptlingen Geschenke zu bringen, als die Stammlosen ihn zwangen, seinen Skalp hier im Fort in Sicherheit zu bringen und die für die Ottawas bestimmten Geschenke ihm raubten. Kitate, es wird gut für dich sein, wenn du uns das, was wir zu wissen wünschen, ehrlich mitteilst, und an Decken, Tüchern, Pulver, Messern wird kein Mangel sein, dieser deutsche Häuptling hat eine offene Hand. Auch liebt ihn der große Vater in Washington und wird es gerne hören, wenn die Ottawas freundlich gegen den jungen Häuptling sind.«
Aufmerksam hörte der Indianer zu.
»Was wünschest du zu wissen?« [332]
»Als Leute deines Stammes vor drei Jahren über die Ansiedlungen am Manistee herfielen und unsre jungen Männer erschlugen, raubten sie eine junge Frau und einen Knaben -«
Die Indianer wechselten einen raschen verstohlenen Blick, welcher indes weder dem Kapitän noch Edgar entging.
»Und führten sie mit sich in die Wälder. Der Häuptling hier ist der Bruder der jungen Frau und er ist über das Meer gekommen, um sie zu suchen, da ein Vogel in sein Ohr gesungen hat, die Ottawas hielten sie gefangen. Was sagt Kitate?«
Die Gesichter der Indianer bewahrten einen düstern Ernst. Erst nach einiger Zeit nahm der Häuptling das Wort: »Die Ottawas haben viel hören müssen von der jungen Squaw und ihrem Kinde; sind viel nach beiden gefragt worden von den weißen Leuten. Es sind dieser Frau wegen Häuptlinge und Krieger getötet, die Langmesser haben sie aufgehängt am Halse, und die Ottawas meinen, wenn sie von ihr hören.«
Mit nicht geringer Aufregung lauschte Edgar den Worten des Indianers.
»Nimmer dachte Kitate, noch einmal nach der jungen Squaw befragt zu werden, nach welcher vor drei Sommern alle Weißen suchten. Kitate weiß nichts von der jungen Frau, kein Ottawa weiß etwas von ihr, niemand weiß etwas von ihr.«
»Höre, Häuptling, die Frau ist damals von euch entführt worden, daran ist ja gar kein Zweifel. Wir wollen nur wissen, ob sie noch lebt, wo sie lebt, oder wenn sie gestorben ist, wo ihre Gebeine ruhen?«
»Kitate hat zuerst aus dem Munde der Langmesser von dieser Frau gehört. Niemand weiß etwas von dieser Frau, die so viel Unheil über die Ottawas gebracht hat.«
Edgar wurde traurig zu Sinn, als dieser Versuch, Kunde von der Verschwundenen zu erlangen, so gänzlich fehlschlug.
Noch einmal nahm der Kapitän das Wort.
»Wenn Kitate zurückblicken will durch einige Sommer, so wird er eine schöne junge weiße Frau sehen mit ihrem blonden Knaben. Ihr Gesicht gleicht dem dieses Herrn, denn sie ist seine Schwester. Kitate sieht, wie die Ottawakrieger sie von dannen führen, in die Wälder - was sieht Kitate noch mehr?«
»Er sieht nichts,« entgegnete dieser ruhig.
»Wenn Kitate befürchtet, meine Frage sei die Vorläuferin neuer amtlicher Untersuchungen, wie sie vor drei Jahren stattfanden, so ist er im Irrtum, das ist abgetan, ich frage nicht als Häuptling dieses Forts, sondern nur als Freund dieses jungen Mannes. Er kam zu
[333] mir und sprach: Hilf mir die Schwester finden, ich will den Ottawas viel geben, wenn ich sie wiedersehe!«
Wiederum tauschten die Indianer einen schnellen Blick, aber mit eisiger Höflichkeit erklärte Kitate noch einmal, daß er keine Mitteilungen zu machen habe.
Edgars Hand berührte unabsichtlich seine Brusttasche und traf auf das kleine Bildwerk auf Holz, welches ihm der Konstabel noch am Muskegon eingehändigt hatte. Die Ereignisse und Aufregungen der letzten Tage hatten ihn nicht an diesen angeblichen Talisman denken lassen. Jetzt zog er es hervor, hielt es den Indianern entgegen und fragte: »Kennen die Häuptlinge dieses?«
In den starren Zügen der Indianer gab sich jähes Erstaunen kund. Kitate nahm die Figur in die Hand, betrachtete sie genau, zeigte sie den beiden andern, welche sie ebenfalls einer Untersuchung unterwarfen, und tauschte einige Worte in indianischer Sprache mit ihnen.
»Wer gab meinem Bruder dies?«
»Ein Freund, Häuptling,« er hielt es nicht für geraten, den Konstabel zu nennen, »ein Freund gab es mir, weil er glaubte, es würde mich bei dem Ottawa-Volke empfehlen.«
»Es ist gut.«
»Sieh, Häuptling, ich bin weit her über das endlose Meer gekommen, um die Schwester zu suchen. Mein Volk und dein Volk haben nie Streit miteinander gehabt, sie wohnen zu weit auseinander. Kann ich die Schwester nicht mehr lebend finden, so will ich doch ihr Grab sehen, das ihre und das des kleinen Knaben. Kitate hat Kinder, wenn ihm eines verloren gegangen ist, wird er nicht dem dankbar sein, der ihm sagt, wo er es findet? Kitate soll es in mein Ohr flüstern, bei diesem Zeichen bitte ich ihn, mir zu sagen, ob die Schwester lebt, ob sie starb?«
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