Frances ritt mit Weller, welcher in bester Stimmung war, davon, gefolgt von den Soldaten.
Lange sah ihr Edgar noch nach und flüsterte leise vor sich hin: »Treu bis zum Tode.«
Sein Abschied von den Offizieren und besonders von Blackwater war der herzlichste.
»Lassen Sie von sich hören, Herr Graf, Sie machen uns große Freude damit,« war Blackwaters letztes Wort.
Als der Zug eben zum Tore hinaus wollte, stürzte Michael hinter der Kaserne, von wo er den Abschied mitangesehen hatte, hervor, auf den Grafen zu und sagte mit vor Aufregung bebender Stimme: »Nein, ich kann Euer Gnaden nicht verlassen. Mögen mich die Schufte martern, so viel sie wollen, aber ich kann Euer Gnaden nicht allein lassen, ich müßte mich vor mir und ganz Leitrim schämen, wenn ich das täte. Wollen mich Euer Gnaden wieder annehmen und mir verzeihen?«
»Komm, mein guter Michael, wir wollen auch ferner Leid und Freud miteinander teilen.«
Der Ire schloß sich an und übernahm die Führung des Pferdes.
Athoree sagte zu ihm: »Starkhand doch guter Freund? He?«
»Ja, Indianer, ich hätte mich totgeschämt, weißt du, wenn ich Seine Gnaden allein hätte in die Gefahr rennen lassen, nein, da will ich denn doch noch lieber mit den schäbigen Hunden, diesen Ottawas, mich herumschlagen. Mag es kommen, wie es will.«
Bald verlor sich der Zug des Grafen im Walde. Ein letzter Blick Edgars noch auf das Fort, an welches ihn so viel blutige Erinnerungen knüpften, friedlich lag es jetzt im glänzenden Sonnenschein am Ufer des lieblichen Sees da, und dann folgte er den andern, entschlossen, nicht zu rasten, bis über das Schicksal der ihm so teuren Schwester Licht verbreitet sei.
Siebzehntes Kapitel.
Bei den Ottawas.
In schweigender Majestät umfing der düstere Urwald die kleine Karawane Edgars, welche mühevoll ihren Weg zu den Dörfern der Ottawas suchte.
Zwei anstrengende Tagemärsche lagen bereits hinter den Reisenden, und nach einer ruhig am Rande eines seichten Baches verbrachten Nacht strebten sie von neuem kräftig ihrem Ziele entgegen.
Der Weg war bisher ohne die geringste Störung zurückgelegt worden. Zwar hatte man keine der üblichen Vorsichten versäumt und Athoree oft den kleinen Zug spähend umkreist, doch ohne auch nur die geringste Spur zu finden, welche auf gegenwärtige oder frühere Anwesenheit von Menschen schließen ließe.
In tiefster Einsamkeit lagen die endlosen, eintönigen Wälder da, so jungfräulich, als ob sie eben aus der Hand ihres Schöpfers hervorgegangen wären.
Hie und da wurde ein scheues Wild flüchtig und brach durch die Büsche oder ein Eichhorn ließ einen pfeifenden Laut hören, sonst herrschte feierliche Stille.
Einmal hatte der Indianer das Schweigen durch den Knall seiner Büchse gestört und einen Bock erlegt, von dem die besseren Teile auf dem Saumroß mitgeführt wurden.
Michael, welcher am ersten Tag sehr still einhergeschritten war und mit peinlicher Aufmerksamkeit jeden Busch und Baum gemustert hatte, an dem sie vorüberzogen, dessen Ernst selbst am zweiten Marschtage noch nicht ganz schwinden wollte, hatte seine gute Laune bereits wieder gewonnen, und der leichtherzige Sohn Erins schritt so munter einher, als ob Skalpiermesser und Marterpfähle weit ab von seinem Wege lägen. [339]
Man hatte unterwegs dem Shanty Johnsons einen Besuch abgestattet, dessen Eigentümer zu seiner Zufriedenheit noch alles in gutem Zustande und unverletzt vorgefunden hatte.
In gemessenem Tempo zogen sie durch den Wald und hofften am andern Abend das Hauptdorf der Ottawas zu erreichen.
Der Graf hatte Johnson und Athoree von dem Inhalt der Unterredung mit Kitate Kenntnis gegeben und ihnen auch das auffällige Benehmen der Indianer bei Erwähnung der geraubten weißen Frau geschildert.
»Nach allem, was Sie mir von den Aeußerungen und dem Verhalten der Indianer mitteilten,« hatte ihm Johnson entgegnet, »scheint nur eines klar, daß die Ottawas die harten Verfolgungen, welche sie nach ihrem so törichten Kriegszuge trafen, hauptsächlich dem Raube Ihrer Frau Schwester zuschrieben, daraus ergibt sich dann auch das hartnäckige Leugnen der ganzen Tatsache und das Schweigen über das endliche Schicksal der Vermißten. Ich möchte Sie bitten, Herr Graf, sich von unsern Nachforschungen nicht viel zu versprechen, obgleich man nicht wissen kann, wie schwer der Umstand hier in die Wage fällt, daß Sie nicht zu dem Volke gehören, welches seit Menschenaltern mit den Roten im Kampfe liegt und sie allmählich, aber unwiderstehlich aus seinen Wohnsitzen vertrieben hat.«
Athoree hatte sich ähnlich wie Johnson geäußert und nur hinzugefügt: »Denken großes Geheimnis hier. Wenn Schwester tot, Ottawa nichts fürchten, Tote nicht reden, wenn Papuse tot, ihm alles verschwinden, nicht Spur mehr finden, ganz verweht. Ottawa fürchten, Spur finden.«
Diese Andeutungen des klugen und kaltblütigen Indianers hatten neue und stürmische Hoffnungen in Edgar erregt, denn die Beweisführung Athorees ermangelte nicht der logischen Kraft. Es war einleuchtend, wenn Mutter und Kind längst zu den Toten gegangen waren, unter Umständen, welche eine Feststellung des Tatbestandes unendlich schwierig, ja unmöglich machten, was hatten die Ottawas von einer erneuten Untersuchung, von weiteren Nachforschungen zu fürchten?
Der Indianer hatte noch hinzugefügt: »Alte Miskutake aufsuchen, Totem zeigen, Totem gut. Schenken schöne Sachen - auch gut, Squaw gerne schmücken, lieben buntes Tuch, lieben Ohrgehänge und schönes Kleid.«
So zwischen erneuten Hoffnungen endlich Gewißheit über das Schicksal der Seinigen zu erlangen und der Befürchtung, trotz allen [340]
Mühen seine Nachforschungen vereitelt zu sehen, hin und her geworfen, hatte Graf Edgar den Weg zurückgelegt.
Außer der hie und da geübten Wachsamkeit Athorees beobachteten sie keine besonderen Vorsichtsmaßregeln, auch wurde eine gelegentliche Unterhaltung nicht in dem leisen Ton geführt, der auf unheildrohendem Boden geboten war.
Im Laufe des Gesprächs äußerte Heinrich: »Mich will es manchmal bedünken, der liebe Gott habe diese Landstrecken eigens für Leute mit rotbrauner Hautfarbe geschaffen, und Athoree erinnert mich an Seumes Kanadier, der Europas übertünchte Höflichkeit nicht kannte.«
»Und doch wirst du bemerkt haben, mit welchem Anstand und welcher schicklichen Ruhe dieser Kanadier, denn das wird er ja wohl sein, sich benimmt.«
»O gewiß, er hat sogar mitunter etwas Würdevolles an sich.«
»Und ein Krieger ist er, Heinrich.«
»Ein unbezweifelt tapferer Bursche, das muß wahr sein. Was mir aber am meisten an ihm gefallen hat, ist die Zärtlichkeit, welche er für seine Mutter hegt. Ich beobachte das so im stillen. Für gewöhnlich scheint er sich um die Alte gar nicht zu bekümmern, aber oft genug kommt er zurück und sieht nach, ob sie munter einhergeht, manchmal bringt er ihr Beeren, und abends sorgt er schon für einen guten Platz am Feuer und bereitet ihr sorgfältig das Lager.«
»Warum sollte der Wilde nicht ebenso für seine Mutter fühlen als wir?«
»Gewiß, ob ich es gleich nicht hinter ihnen gesucht hätte. Die Augen der Alten glänzen, wenn sie Athoree anblickt, und auf dem Marsche verlassen sie ihn kaum.«
»Es muß auch, was das Schicksal dieser beiden Menschen angeht, etwas Geheimnisvolles zu Grunde liegen, wie auch schon daraus hervorging, daß Athoree über seine Stammesangehörigkeit so verschwiegen war.«
Von Zeit zu Zeit gesellte sich der den Zug führende Athoree zu Michael, an dessen ursprünglichem Wesen und unverkennbarer Ehrlichkeit er Gefallen gefunden hatte.
Oftmals schritten sie nur schweigend nebeneinander her, vor allem in den ersten Tagen des Marsches, wo die Redseligkeit des Iren durch seine üble Laune und die gespannte Aufmerksamkeit, welche er der Umgebung widmete, im Zaume gehalten wurde. Heute aber war ihm mit der verbesserten Stimmung auch die Lust, sich mitzuteilen, wieder gekommen. [341]
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