Captain Duellos’ Schiff Courageous nahm sich mit der Formidable , Intrepid und Renown ein weiteres beschädigtes Schlachtschiff vor und attackierte es mit solcher Gewalt, dass das Heck abbrach und beide Teile weiter ihrer letzten Flugbahn folgten.
Der letzte Syndik-Schlachtkreuzer, dessen Antriebssysteme nun auch ausgefallen waren, begann Rettungskapseln auszustoßen, obwohl viele seiner Waffen noch funktionstüchtig zu sein schienen. Geary vermutete, dass diese Systeme auf automatisches Feuer gestellt worden waren, was durchaus ausreichte, um Angreifern Respekt einzuflößen. Allerdings erfolgten die Auswahl von Zielen und der konzentrierte Beschuss nicht annähernd so gut wie unter der Handhabung durch einen Menschen. Mehr und mehr Schwere Kreuzer eröffneten das Feuer auf den Schlachtkreuzer, bis dessen Schilde versagten und schließlich auch das letzte Waffensystem verstummte, lange nachdem die Rettungskapseln das Schiff verlassen hatten.
Geary nahm sich einen Moment Zeit, um sich ein Bild davon zu machen, wo sich die Zweite Schlachtschiffdivision den drei beschädigten Syndik-Schlachtschiffen näherte. Zu seiner Verwunderung stieß auch dort schon eines der ersten Schiffe seine Rettungskapseln aus.
»So viel zum Thema, dass sie bis zum Tod kämpfen«, kommentierte Desjani.
»Welchen Sinn hätte das auch?«, wollte Rione wissen. »Die wissen doch, dass sie dem Untergang geweiht sind.«
»Man kämpft trotzdem weiter«, beharrte Desjani, die ihren Blick auf das nächste Syndik-Schlachtschiff gerichtet hielt, das von der Dauntless eingeholt wurde.
»Warum?«, hakte Rione nach.
Desjani warf Geary einen verzweifelten Blick zu, der verstand, was sie damit sagen wollte. Wie sollte man diese verquere Logik erklären, dass man manchmal einen aussichtslosen Kampf aus Gründen weiterkämpfen musste, die nichts mit der Hoffnung auf einen Sieg zu tun hatten? »Man macht es einfach«, wandte er sich an Rione. »Wenn Sie es nicht verstehen können, dann lässt es sich auch nicht erklären.«
»Ich verstehe, dass man weiterkämpft, wenn es noch eine Chance gibt, aber wenn es hoffnungslos ist …«
»Manchmal siegt man selbst dann, wenn es hoffnungslos zu sein scheint. Und manchmal verliert man dort, aber bewirkt dabei etwas, das anderswo hilft. Zum Beispiel indem man dem Feind noch richtig wehtut, während der einen tötet. Oder indem man ihn auf diese Weise für eine gewisse Zeit beschäftigt. Wie gesagt, ich kann es nicht erklären. Das ist etwas, das man einfach macht.«
»So wie Sie«, entgegnete Rione und sah ihn an. »Vor einem Jahrhundert.«
»Ja.« Er wich ihrem Blick aus, da er nicht an diesen hoffnungslosen Kampf zurückdenken wollte. An dem Tag war er derjenige gewesen, der mit einer erdrückenden Übermacht konfrontiert worden war. Er hatte gewusst, dass es für ihn eine Chance gab, den Überraschungsangriff auf den Konvoi hinauszuzögern, den er beschützen sollte. Er hatte gehofft, dass sich der Konvoi in Sicherheit bringen könnte und dass die anderen Kriegsschiffe entkommen würden. Aber es hatte keine Hoffnung gegeben, dass seinem eigenen Schiff ebenfalls die Flucht gelingen würde, auch wenn er die ganze Zeit über so getan hatte.
Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie es sich anfühlte — diese Taubheit in seinem Inneren, die ihn weitermachen ließ, während sein Schiff um ihn herum zerstört wurde und seine Kameraden entkamen. Aber da war jetzt zum größten Teil nur noch eine verschwommene Erinnerung, die ihm in Bruchstücken zeigte, wie sein Schiff ringsum in Stück gerissen wurde, wie die letzten Waffen aufhörten zu feuern, wie er die Selbstzerstörung aktivierte und durch die Korridore hastete, die durch die Zerstörungen fremd wirkten. Wie er zu einer Rettungskapsel lief, von der er hoffte, dass sie nicht vernichtet worden war. Sie war dort gewesen, wenn auch beschädigt. Aber da ihm keine Hoffnung und keine Zeit blieb, stieg er ein und ließ sie aus dem Schiff ausstoßen. Er versuchte, sich zu erinnern, wie er fast hundert Jahre im künstlichen Tiefschlaf verbrachte, weil das Notsignal der Kapsel nicht arbeitete und ihn niemand finden konnte. Bis diese Flotte das gleiche Sternensystem durchflog, um zur Heimatwelt der Syndiks zu gelangen, und ihn fand und auftaute.
In gewisser Weise war er an diesem Tag gestorben. Als er erwachte, war der John Geary verschwunden, den er kannte, und an seine Stelle war das unglaubliche edle und heldenhafte Bild von Black Jack Geary getreten, des legendären Helden der Allianz.
»Ja«, wiederholte er. »So ungefähr.«
Rione sah ihn an, in ihren Augen blitzte eine Gefühlsregung auf, die er nicht so recht zu deuten wusste.
»Kartätsche abfeuern«, befahl Captain Desjani, da sich die Dauntless einem weiteren beschädigten Syndik-Schlachtschiff näherte, das so langsam flog, dass ein gemächlicher Vorbeiflug unter gleichzeitigem Beschuss möglich war. Die Kartätsche bildete ein Muster aus tanzenden Lichtern, als sie auf den Schild des gegnerischen Schiffs traf. Die Daring und die Victorious feuerten von oben und unten auf den Feind und halfen, die Schilde weiter zu schwächen. Plötzlich feuerte das Syndik-Schiff ein Salve Höllenspeere ab, die konzentriert auf die Dauntless gerichtet waren. Geary sah, wie die Schilde durch den Beschuss geschwächt wurden, obwohl die Verteidigungssysteme längst damit beschäftigt waren, Energie aus den Teilen des Schiffs umzuleiten, wo sie nicht benötigt wurde. Der Schlachtkreuzer der Allianz erwiderte das Feuer, seine Höllenspeere bohrten sich durch die Panzerung des Gegners und sorgten für Chaos innerhalb des Schiffs. Null-Felder, die von der Dauntless und der Daring abgeschossen wurden, lösten ganze Teile des Schiffs in nichts auf. Da auch die Victorious sich weiter an dem Gefecht beteiligte, war das ohnehin sehr stark in Mitleidenschaft gezogene Schlachtschiff seinen Gegnern hoffnungslos unterlegen. Seine Waffen fielen nacheinander aus, aus den in den Rumpf geschossenen Löchern entwich die Atmosphäre, und die von den Null-Feldern erzeugten Krater wirkten so, als hätte ein unvorstellbar riesiges Monster Stücke aus dem Schiff gebissen.
Die Dauntless und ihre Schwesterschiffe überflogen das verstummte Syndik-Schiff, das seine Rettungskapseln auszustoßen begann, während es sich um seine eigene Achse drehte und ganze Stücke vom Rumpf abbrachen. »Und das ist für die Terrible«, murmelte Desjani.
Geary verschaffte sich abermals einen Überblick über die Gesamtsituation. Die Zweite Schlachtschiffdivision hatte die beiden anderen beschädigten Schlachtschiffe eingeholt, die nach wie vor auf der Flucht waren, und feuerte sie systematisch zu Schrott, während die leichteren Einheiten dafür sorgten, dass das aufgegebene Syndik-Schlachtschiff zerstört wurde. Nur ein anderes Syndik-Schlachtschiff erwiderte noch das Feuer, und während Geary zuschaute, erzitterte es unter dem vereinten Beschuss von einem halben Dutzend schwerer Allianz-Schiffe.
Die Jäger und die Leichten Kreuzer des Gegners waren bereits ausgelöscht worden, und nun unterlag auch noch der letzte Schwere Kreuzer einem Schwarm aus Zerstörern und Leichten Kreuzern der Allianz. Eine Wolke aus Rettungskapseln war unterdessen auf dem Weg zu der kaum bewohnbaren Welt in diesem System, um Zuflucht zu suchen. Geary ließ seinen Blick über seine weit verstreute Flotte und die umhertreibenden Wracks der Syndik-Streitmacht schweifen, die nach Ilion gekommen war, um die Schiffe unter Captain Falcos Kommando zu verfolgen. Wir haben gesiegt. Aber wie lange können wir noch damit rechnen, dass auch die nächste feindliche Streitmacht uns zahlenmäßig so sehr unterlegen ist, dass uns der Sieg so leicht fällt? Und wie viele Schiffe kann ich mir leisten zu verlieren?
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