Die dünne Frau schüttelte den Kopf. »Mit dem, was von Ihnen gesendet wurde, haben Sie schon genug Panik verursacht. Die Bilder von Lakota haben alle in Angst und Schrecken versetzt.«
»Wir hielten es für erforderlich«, erwiderte Rione, »dass jeder dazu angespornt wird, so schnell wie möglich Schutzvorrichtungen an den Hypernet-Portalen zu installieren.«
»Das ist Ihnen zweifellos gelungen«, meinte Navarro und atmete tief und langsam aus. »Kurz vor dieser Zusammenkunft bin ich davon unterrichtet worden, dass das Hypernet-Portal im Petit-System kollabiert ist. Es hat etwas gedauert, diese Information zu überbringen, weil ein Schiff erst einmal in ein System springen musste, in dem sich das nächste Portal befindet. Dank der Schutzvorrichtung, die erst zwölf Stunden zuvor installiert worden war, beschränkte sich die freigesetzte Energie auf das Niveau einer mittleren Sonneneruption.«
Admiral Timbale schaute Geary an. »In den letzten fünfzig Jahren haben wir bei Petit etliche Werften gebaut. Das System ist nicht nur dicht besiedelt, es ist auch von Bedeutung für den Krieg gegen die Syndiks. Wäre bei Petit das Gleiche geschehen wie bei Kalixa, dann hätte das zu einer ungeheuren menschlichen Tragödie geführt – und es hätte unserer Kampfkraft einen schweren Schlag versetzt.«
»Sind inzwischen alle Hypernet-Portale im Allianz-Gebiet mit diesen Schutzvorrichtungen versehen worden?«, erkundigte sich Rione.
»Davon gehen wir aus«, antwortete Navarro. »Wir hatten noch keine Zeit, bei allen Planeten eine Bestätigung abzufragen, aber selbst das Portal im Sol-System sollte inzwischen damit ausgerüstet sein, und das befindet sich von allen Portalen am tiefsten im Allianz-Gebiet.«
Ein recht klein geratener Senator begann gehässig zu grinsen. »Dann sind wir endlich im Besitz einer Waffe, mit der wir den Krieg gewinnen können! Unsere Portale sind jetzt mit diesen Vorrichtungen ausgerüstet, die die Syndiks nicht haben! Wir können ihre Portale zusammenbrechen lassen und die Systeme auslöschen und…«
»Sind Sie verrückt?«, fiel ihm die schmächtige Senatorin namens Suva ins Wort. »Sie haben doch gesehen, was ein einzelnes Portal bei Lakota angerichtet hat.«
»Aber wir könnten auf diese Weise den Krieg gewinnen«, stimmte die gewichtigere Senatorin dem Mann widerstrebend zu.
Geary erkannte die Unschlüssigkeit, die er, seine vertrauenswürdigsten Offiziere und auch Rione vorhergesehen hatten. Im Angesicht einer unmenschlichen Waffe, die einhundert Jahren Krieg ein Ende setzen konnte, zogen die Führer der Allianz ernsthaft in Erwägung, von Menschen bewohnte Sternensysteme einfach auszulöschen. Bevor er jedoch etwas einwenden konnte, meldete sich Rione zu Wort. »Nein, das können wir nicht. Die Syndiks wissen auch, dass ihre Portale kollabieren können, und sie haben ähnliche Schutzvorrichtungen installiert.«
»Ist das sicher?«, fragte ein anderer Senator.
»Ja«, erwiderte Rione geradeheraus. »Wir wissen, dass die Syndiks diese Vorrichtung besitzen.«
»Ich möchte anfügen«, sagte Geary, »dass ich eher mein Offizierspatent zurückgeben würde, als den Befehl auszuführen, Hypernet-Portale zu zerstören, damit sie die bewohnten Sternensysteme ausradieren.«
Navarro schüttelte den Kopf. »Sie würden Ihr Offizierspatent zurückgeben? Sie würden nicht einfach den Befehl verweigern?«
»Die Vorschriften der Allianz-Flotte gestatten es nicht, einen rechtmäßigen Befehl zu verweigern, Sir. Ich möchte außerdem darauf hinweisen, Sir, dass ein Hypernet-Portal nur zerstört werden kann, wenn die Trossen aus nächster Nähe von einem Kriegsschiff beschossen werden.«
»Also ein Selbstmordkommando«, folgerte Navarro.
»Aber bedenken Sie, was dadurch bewirkt wird!«, beharrte wieder ein anderer Senator. »Die Menschen und die Streitkräfte der Allianz erwarten von uns, dass wir harte Entscheidungen treffen, die aber notwendig sind, um diesen Krieg zu gewinnen! Wenn das bedeutet, dass wir Allianz-Kriegsschiffe für solche Missionen opfern müssen, um die Hypernet-Portale der Syndiks als Waffe gegen sie einzusetzen, dann…«
»Die Streitkräfte erwarten von uns ein wenig Weisheit, wenn wir Entscheidungen treffen, die sie das Leben kosten können«, hielt Navarro dagegen. »Für Sie mag es hart sein zu entscheiden, wen Sie in den Tod schicken, aber ich bin mir sehr sicher, dass es für die, die sterben sollen, noch viel härter ist.«
»Wir müssen siegen! Vielleicht wollen manche von uns gar nicht siegen, aber…«
»Es gibt keinen Grund, irgendeinem Mitglied des Rats derartige Absichten zu unterstellen!«, protestierte ein anderer Senator.
»Vielleicht gibt es eher keinen Beweis dafür…«, kam von anderer Seite ein Einwand.
»Allmählich frage ich mich«, fiel Navarro den anderen energisch ins Wort, »ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Captain Geary seine Marines mitgebracht hätte.« Als sich entsetzte Stille breitmachte, bedachte Navarro jeden der Senatoren mit einem aufgebrachten Blick. »Wir können gewinnen, indem wir von Menschen bewohnte Systeme auslöschen? Und welchen Preis bezahlen wir dafür? Was ist unsere Menschlichkeit dann noch wert?« Die Senatoren saßen da und schwiegen, da offenbar keiner von ihnen eine Antwort wusste. Schließlich zuckte Senator Navarro ungläubig mit den Schultern. »So wie es aussieht, ist ohnehin keine von beiden Seiten länger in der Lage, die Hypernet-Portale als Waffe einzusetzen, also gibt es auch keinen Grund, darüber zu diskutieren, wie wir entscheiden sollen. Ich persönlich bin meinen Vorfahren dafür dankbar, dass ich eine solche Entscheidung nicht treffen muss. Und ich danke den lebenden Sternen dafür, dass diese Bedrohung gebannt worden ist.«
Navarro hielt kurz inne, dann sah er zum wiederholten Mal Geary an. »Mir fällt dabei ein, dass das Wissen über die von den Portalen ausgehende Bedrohung und über ihren Einsatz als Waffe für jeden einen einzigartigen Vorteil bedeutet, der die Kontrolle über die Regierung der Allianz erlangen oder die Hysterie ausnutzen wollte, die durch kollabierende Portale im Allianz-Gebiet ausgelöst würde. Und doch haben Sie dieses Wissen mit uns geteilt.«
»Das war von Anfang an seine Absicht«, merkte Rione an. »Dieser Mann benötigt Politiker, damit ihm eine solche Möglichkeit überhaupt erst bewusst wird, aber zum Glück hat er kein Interesse, sie für sich zu nutzen.«
»Das ist wirklich ein Glück«, stimmte Navarro ihr zu. »Ich werde heute Abend meinen Vorfahren danken müssen. Sie hätten ebenso gut den Hypernet-Schlüssel der Syndiks behalten können, da der für jede Allianz-Streitmacht einen immensen taktischen Vorteil bedeutet. Sie hätten sich zu einem unverzichtbaren Mann machen können, Captain.«
Geary fragte sich, wie deutlich ihm seine Reaktion anzusehen war. »Wenn ich eines nicht sein möchte, dann unverzichtbar, Sir.«
»Manche Leute betrachten so etwas als eine Arbeitsplatzgarantie, Captain Geary. Aber fahren Sie doch bitte mit Ihrem Bericht fort.«
Viel gab es nicht mehr zu berichten. Geary behandelte die letzten Gefechte und gelangte schließlich an den Punkt, als die Flotte Varandal erreicht hatte und zusammen mit dieser heimgekehrt war. »Und Sie sind davon überzeugt, dass die Syndiks unser Hypernet-Portal zerstören wollten als Vergeltung für das Portal, das bei Kalixa kollabiert ist?«, wollte die stämmige Frau wissen.
»Das halten wir für die wahrscheinlichste Erklärung, Madam Senatorin, und sie entspricht auch dem übrigen Verhalten der Syndiks in dieser Phase. Ich möchte gern anmerken, dass die mutige Verteidigung von Varandal durch das anwesende Allianz-Personal und die Kriegsschiffe vor und nach unserer Ankunft vermutlich den Ausschlag für das Scheitern des Plans der Syndiks gegeben hat.«
Navarro wandte sich an Admiral Timbale. »Was haben die Gefangenen von den Syndik-Schiffen dazu sagen können, die wir von den zerstörten Schiffen gerettet haben? Sie gehörten doch zu dieser Reserveflotte, nicht wahr?«
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