»Guter Plan«, entgegnete sie. »Allerdings … Gut, ich weiß, es ist ungewöhnlich, dass ich mir über diesen diplomatischen Kram Gedanken mache – aber vielleicht wäre es dieses eine Mal ganz gut, wenn wir sicherstellen könnten, dass sie zuerst feuern.«
»Damit wir unbestreitbar in Notwehr handeln? Hätten Sie auch einen Vorschlag, wie das bewerkstelligt werden soll, Captain Desjani?«
»Ja, den habe ich, Admiral Geary.« Mit Gesten unterstrich sie ihre Ausführungen, wie sie sich ihren Plan vorstellte. »Wir bremsen die Dauntless auf 0,05 Licht ab und lassen die Tänzer mit 0,1 Licht in Richtung Alte Erde weiterfliegen, während die Bündler uns viel schneller einholen. Die Bündler fordern uns auf, die Schilde abzuschalten, und wir erzählen ihnen, dass wir das nicht machen, und das mit einer Wortwahl, die diesen Ordensständer in Bezug auf unsere Einstellung noch unglücklicher machen wird. Wenn wir in Reichweite gelangen, wird er das Feuer eröffnen, aber in dem Moment geht die Dauntless auf maximale Beschleunigung, sodass wir der ersten Salve entgehen, und dann kriegen sie von uns einen Tritt in den Hintern.«
»Ein interessanter Plan«, fand Geary. »Allerdings ist der letzte Teil etwas vage gehalten.«
»Wir werden eben improvisieren müssen.«
Die Medikamente hatten zu wirken begonnen. Die lauernde Bestie war aus seinem Kopf verschwunden, und Geary konnte sein Display mit klarem Verstand betrachten. Die Vergangenheit war jetzt wieder nur ein Faktor, der sich einbeziehen ließ, um zu sehen, welche Taktiken im Hier und Jetzt von Nutzen sein konnten. »Es ist riskant. Wir wissen nicht, was ihre Raketen zu leisten imstande sind.«
Desjani rief ein Bild der Bundes-Formation auf, das zwischen ihr und Geary schwebte. »Haben Sie sich das angesehen? Passen Sie auf.« Sie gab einen weiteren Befehl ein, dann wurden die Kriegsschiffe durch geschwungene Linien miteinander verbunden. Das Ergebnis war …
»Ein Vogel?«, murmelte Geary, der seinen Augen nicht trauen wollte. »Sie haben ihre Schiffe so angeordnet, weil das ein schönes Bild ergibt?«
»Ja. Sehen Sie sich noch mal die vier Korvetten und Megakreuzer an den Seiten an. Wir konnten doch nicht dahinterkommen, warum die sich dort befinden. Das lag daran, dass wir versucht haben, die Funktionsweise dieser Formation in taktischer Hinsicht zu ergründen. Aber wenn Sie nur nach dem Erscheinungsbild gehen, dann bilden je zwei Korvetten und ein Megakreuzer auf jeder Seite einen Flügel.«
»Die Vorfahren mögen uns beistehen. Die bereiten sich auf ein Gefecht mit uns vor, indem sie eine Paradeformation einnehmen.«
»Diese Frau von der Alten Erde«, legte Desjani nach, »sprach davon, dass es hier seit Jahrzehnten keine Kämpfe und seit Jahrhunderten keinen richtigen Krieg mehr gegeben hat. Stellen Sie sich unser Flottenhauptquartier vor, wenn es keine Erfahrung mit Raumschlachten gehabt hätte, die Einfluss auf ihre Entscheidungen haben könnten. Jahrzehnt für Jahrzehnt gibt es keinen Konflikt, in dem man die Brauchbarkeit einer Formation testen kann. Irgendwann legt man nur noch auf das Erscheinungsbild Wert, nicht auf die Funktionalität, während Waffen und Design nach bürokratischen Maßstäben beurteilt werden, aber nicht danach, ob sie eigentlich ihren Zweck erfüllen oder nicht. Und die Offiziere erhalten ihre Auszeichnungen in Abhängigkeit davon, wie exzentrisch sie ihre Frisur gestalten.«
»Der Ordensständer.« Er schaute auf sein Display und sah den Mann auf einmal mit anderen Augen. »Aber sie haben mehrere Schiffe, wir dagegen nur eins. Was ist, wenn ein paar von ihnen die Tänzer verfolgen?«
»Diese Witzbolde könnten die Tänzer-Schiffe allenfalls dann einholen und erwischen, wenn die Tänzer das zulassen würden«, entgegnete Desjani.
»Stimmt. Wir müssen also davon ausgehen, dass die Tänzer sich aus allem Ärger heraushalten werden. Damit bleiben noch die Alte Erde und die übrigen historischen Stätten hier im Sternensystem. Wir können das Risiko nicht eingehen, dass die einen Treffer abbekommen.«
Sie sah ihn eindringlich an. »Sie glauben doch nicht etwa, dass sie das Feuer auf die Heimat eröffnen werden, oder?«
»Ich weiß es nicht.« Sein Blick wanderte zu der blau-weißen Kugel vor ihm auf dem Display. »Sie und ich, wir sehen diese Welt und können uns nicht vorstellen, ihr etwas anzutun. Doch die Krater auf der Oberfläche zeugen davon, dass andere Menschen in der Vergangenheit Steine auf unsere Heimat geschleudert haben. Was Menschen früher einmal gemacht haben, können sie immer wieder tun. Deshalb dürfen wir es nicht wagen, dass sich diese Verfolgungsjagd bis in den Orbit der Alten Erde hinzieht. Je tiefer wir in das System vordringen, umso näher kommen wir Orten wie der Heimat oder Mars und Venus. Außerdem sind uns da die hin und her pendelnden Schiffe im Weg. Wir müssen das hier draußen hinter uns bringen, wo das All leerer ist, und wir müssen dafür sorgen, dass die Bündler auf uns konzentriert bleiben.«
Das hatte bei Grendel auch funktioniert. Jedenfalls in ausreichendem Maß.
Wenn die Dauntless hier stirbt, wenn Tanya bis zum Ende bleibt, dann werde ich bei ihr bleiben. Was soll’s denn? Ich hatte eine gute Zeit. Einmal habe ich zwar alles verloren, aber jetzt werde ich nicht alles verlieren, was mir etwas bedeutet.
Bei den Vorfahren! Was soll sein, wenn sie im Gefecht stirbt, aber ich nicht?
Dazu darf es nicht kommen. Ich werde dafür sorgen, dass das nicht passiert.
»Also gut, Captain Desjani. Wir werden Ihren Plan umsetzen. Warten Sie noch ein paar Minuten, dann reduzieren Sie die Geschwindigkeit der Dauntless auf 0,05 Licht.« Geary betätigte die interne Komm-Taste. »Delegat Charban, hatten Sie Erfolg?«
Charban zuckte mit den Schultern. »Kann ich noch nicht sagen.«
»Die Dauntless wird deutlich abbremsen, aber wir möchten, dass die Tänzer ohne uns in Richtung Alte Erde weiterfliegen. Können Sie ihnen klarmachen, dass die anderen Kriegsschiffe unsere Feinde sind, die uns und auch sie wahrscheinlich attackieren werden, wenn sie in Reichweite gelangen?«
»Bruderfeinde«, entgegnete Charban. »Das Konzept verstehen die Tänzer. Ich werde ihnen sagen, dass sie mit dem weitermachen sollen, was sie tun, und dann wollen wir hoffen, dass sie sich auch daran halten werden.«
Die Steuerdüsen der Dauntless wurden gezündet, worauf sich das Schiff zu drehen begann, bis der Bug in die Richtung zeigte, aus der sie gekommen waren und aus der sich ihnen die Formation des Bundes näherte. Die Hauptantriebseinheiten erwachten zum Leben, um das Schiff abzubremsen. Dabei fiel Geary auf, dass Desjani nur die Hälfte der Antriebsmodule eingesetzt hatte. Wenn die Bundes-Schiffe die Manövrierfähigkeit der Dauntless auf der Basis dieser Werte kalkulieren sollten, würden sie sich gründlich verrechnen.
Durch dieses Manöver schrumpfte die Zeit bis zum Zusammentreffen mit den Verfolgern rasch zusammen, und Lieutenant Yuon meldete gleich darauf: »Noch vierzig Minuten, dann werden die Bundes-Kriegsschiffe in der Lage sein, auf uns zu feuern, sofern ihre Waffenreichweite der unseren entspricht.«
Geary nickte beiläufig, da er die Tänzer nicht aus den Augen lassen wollte. Sie hatten zwar die Drehung der Dauntless zunächst mit vollzogen, aber jetzt drehten sie sich in die andere Richtung und flogen mit unveränderter Geschwindigkeit weiter. So weit, so gut. »Tanya, wenn wir die geschätzte Reichweite ihrer Raketen erreicht haben, überlasse ich es Ihnen, wann Sie mit der Dauntless welche Manöver vornehmen wollen.«
»Danke, Admiral.« Desjani sah zu ihren Wachhabenden. »Versetzen Sie die Dauntless in volle Gefechtsbereitschaft, allerdings ohne dass die Senatoren davon auch nur einen einzigen Ton mitbekommen. Sorgen Sie dafür, dass sie in ihrem Abteil nichts zu hören kriegen.«
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