Einige Herzschläge lang, die den meisten Männern wie eine Ewigkeit vorkamen, geschah nichts. Dann lief ein Ruck durch Zara, und plötzlich geschah etwas Seltsames. Es war, als würde sie unter ihrer Kleidung wachsen – nicht viel, gerade so, als würden sich an ihrem Leib überall Muskeln bilden, die zuvor nicht da gewesen waren, sodass ihr die ohnehin schon enge schwarze Lederkleidung mit einem Mal hauteng am Körper lag. Auch ihre Körperhaltung veränderte sich auf subtile Weise und zeigte eine Art selbstbewusster Arroganz – anders konnte man es nicht in Worte fassen. Hinzu kam eine Kälte, die so deutlich von ihr abstrahlte, dass man sie körperlich zu spüren glaubte.
Unwillkürlich fröstelten die Männer.
Dann hob Zara den Kopf, sodass das lange schwarze Haar wie ein Vorhang von ihrem Gesicht zurückglitt und ihr porzellanweißes Antlitz offenbarte, und genau wie ihr Körper schien auch ihr Gesicht eine subtile Metamorphose durchlaufen zu haben, als habe sich ein Maler ein Porträt vorgenommen und mit einigen wenigen meisterhaften Pinselstrichen aus der Person auf dem Bild eine andere Person geschaffen, die zwar noch immer aussah wie das Original, aber nicht mehr diese Person war, weil einige bestimmte Merkmale jetzt mehr betont waren. Es schien auch, als wäre ihre blasse Haut noch blasser geworden und so durchscheinend, dass man unter dem feinen Pergament ihrer Haut ein Netzwerk feiner blauer Adern ausmachen konnte. Ihre Wangenknochen schienen stärker hervorzutreten, ebenso die Wülste ihrer Brauen und ihre Kieferknochen. Auch bestanden ihre Augen nur noch aus dem Schwarz ihrer Pupillen; da war nichts Weißes mehr, keine Iris, bloß Schwärze, wie ein bodenloses Loch, in dessen Untiefen irgendwo ein verzehrendes Feuer brannte.
Zara bleckte wie ein tollwütiger Hund die kräftigen, schimmernd weißen Zähne, die auf sonderbare Weise länger zu sein schienen wie bei normalen Menschen.
„Jetzt“, sagte sie, und irgendwie klang ihre Stimme wesentlich tiefer und gutturaler als zuvor. „Jetzt bin ich wirklich wütend ...“
Und bevor sich einer der Männer von seinem Schreck erholen und reagieren konnte, sprang Zara bereits auf, so agil wie eh und je, und innerhalb eines Herzschlags stand sie vor dem Kerl, der ihr am nächsten war. Die Schwerter hatte sie im Boden stecken lassen. Sie hatte andere Waffen.
Sie war die Waffe ...
Zaras Hand schoss nach vorn, und bevor ihr Gegner auch nur daran denken konnte, zurückzuweichen, gruben sich ihre langen Nägel, die ebenso gewachsen waren wie ihre Zähne, in seinen Hals – und rissen dem Mann den Kehlkopf heraus!
Ein Schwall Blut schoss aus der Wunde, traf Zaras Gesicht, und sie stöhnte leise, erfüllt von unbändiger Erregung. Sie leckte sich gierig die Lippen, die ebenfalls vom Blut des Opfers getroffen waren, und genoss einen Moment lang den süßen Geschmack, während der Mann vor ihr in die Knie brach.
„Verdammt!“, brüllte einer der Banditen, außer sich vor Entsetzen und Frucht. „Verdammt, macht das elende Miststück endlich kalt! Schießt sie nieder, zum Teufel! Knallt sie ab!“
Die drei oder vier mit Musketen bewaffneten Männer zogen die Abzüge ihrer Schusswaffen durch. Gespannte Hähne klackten auf Schlagbolzen. Dann spuckten drei Läufe Feuer, und das Dröhnen der Schüsse übertönte für einen Moment sogar das Rauschen des aufgepeitschten Blutes in Zaras Adern; das Flackern des Mündungsfeuers zuckte durch den Kessel wie Blitze.
Zara zischte wütend, mit gebleckten Zähnen, und versuchte, den Kugeln auszuweichen, doch die Bleigeschosse kamen von drei Seiten gleichzeitig, und zwei davon erwischten sie, eins in der linken Schulter, unterhalb des Schulterbeins, das andere schlug ihr in die rechte Seite, über der Hüfte.
Zara zuckte herum, erst nach links, dann nach rechts, als würde sie von Hammerschlägen getroffen oder einen seltsamen Tanz aufführen. Die Bleikugeln rissen nussgroße Löchern in ihre Lederkluft, und Blut sickerte aus den Wunden, aber bloß ein paar Tropfen. Zara schwankte einen Moment lang hin und her, dann hatte sie sich wieder gefangen, warf mit einer schwungvollen Kopfbewegung das schwarze Haar aus dem Gesicht und schaute in die Runde. „Mist“, sagte sie, aber es klang eher spöttisch, „das hat weh getan!“
Die Männer starrten sie fassungslos an. Gerade war sie von zwei weiteren Kugeln getroffen worden, doch sie war noch immer auf den Beinen. Einen Moment lang standen die Männer nur da; dann brach kopflose Panik aus. Die meisten wichen so hastig vor Zara zurück, als wäre sie der Leibhaftige persönlich, doch ein, zwei ganz Mutige rissen ihre Schwerter hoch und stürzten sich auf sie.
Doch Zara bereitete es keinerlei Mühe, unter dem Schwerthieb des ersten Mannes wegzutauchen, und bevor der zweite zum Schlag ausholen konnte, fuhr Zara ihm mit allen fünf Fingern einmal quer durchs Gesicht. Ihre langen, scharfen Nägel hinterließen fünf parallele Spuren, die sich quer vom linken Ohr bis hinunter zum rechten Kiefer zogen. Zara wurde vage bewusst, dass die Wunden, die die Bestie riss, beinahe genauso aussahen, doch der rationale Teil ihres Verstandes lag unter den Trümmern ihrer Hilflosigkeit begraben.
Der zweite Schwertkämpfer ließ seine Klinge in einem flachen Bogen auf Zara hernieder sausen. Sie sah das Aufblitzen im Augenwinkel und wirbelte herum, um sich ihrem Gegner zu stellen. Das Schwert teilte pfeifend die kalte Luft und schlitzte Zaras rechten Oberarm, als sie versuchte, unter dem Hieb wegzutauchen. Zara stieß ein wütendes Zischen aus, ignorierte den Schmerz und packte den Mann mit einer Hand am Hals, bevor er ein zweites Mal zuschlagen konnte. Ohne die geringste Anstrengung hob Zara den hilflos mit seinem Schwert in die Luft schlagenden Burschen mit einem Arm in die Höhe und weidete sich grinsend an dem schmerzverzerrten Gesicht des Mannes, der japsend nach Luft schnappte. Sie drückte seine Luftröhre noch weiter zu, und er lief rot an. Seine Lider flatterten, als seine Gegenwehr immer mehr erschlaffte; das Schwert entglitt seinen kraftlosen Fingern und blieb wippend im Schnee stecken.
Dann krachten wieder Schüsse, und Zara wurde von Treffern in die Brust und den Rücken durchgeschüttelt. Überrascht lockerte sie ihren Griff, und der Mann stürzte schwer zu Boden, wo er reglos im Schnee liegen blieb. Zara wandte sich den Schützen zu, die bereits hektisch dabei waren, ihre Musketen nachzuladen. Bevor sie aber auch nur dazu kamen, nach ihren Pulverfläschchen zu greifen, geschweige denn, mit dem Stopfer eine Bleikugel in den Lauf ihrer Waffe zu schieben, tauchte Zara mit zwei langen Sätzen geradewegs in ihrer Mitte auf, und im nächsten Moment färbte sich der Schnee rot von Blut.
Dann stand Zara vor dem letzten der vier Schützen, und schlagartig hörte der Mann auf, wie ein Verrückter an seiner Muskete herumzufingern; stattdessen schluckte er schwer, warf die Muskete vor Zara in den Schnee und wich ängstlich einen Schritt zurück. Seine Lippen zitterten, und mit vor Furcht bebender Stimme flehte er: „Bitte, verschont mich! Ich bitte Euch. Ich habe eine Gemahlin. Ich habe Kinder und ...“
„Und ich habe Durst “, erwiderte Zara, dann sprang sie vor. Sie riss den Mann mit einem brutalen Ruck an sich und bog seinen Kopf beiseite, sodass sein Hals frei lag. Ihr Kopf sank in die Halsbeuge des Mannes, der sich verzweifelt in ihrem Griff wand, doch Zara hielt ihn so mühelos fest wie ein kleines Kind. Sie riss den Mund auf, weiter, als es einem normalen Mensehen jemals möglich gewesen wäre, und ihre Eckzähne wurden länger und länger. Einen Moment später gruben sie sich in den Hals des zappelnden Mannes und zerfetzten die Halsschlagader.
Zara stöhnte wohlig, als das Blut über ihre Zunge spülte und ihre Kehle herabströmte, ein steter Strom des Lebens, der ihr neue Kraft gab und ihre Gier nach Blut nur noch mehr anfachte. Während sie den Mann mit beiden Händen festhielt, trank sie in vollen Zügen, saugte das Leben aus ihm heraus und nahm es in sich selbst auf, und mit jedem Schluck, den sie nahm, wurden ihre Wangen und ihre Lippen röter.
Читать дальше