»So – nach diesem offenen und widerwärtigen Betrug -«
»Jordan!«, knurrte Professor McGonagall.
»Ich meine, nach diesem offenen und empörenden Foul -«
»Jordan, ich warne Sie -«
»Schon gut, schon gut. Flint bringt den Sucher der Gryffindors fast um, das könnte natürlich jedem passieren, da bin ich mir sicher, also ein Freiwurf für Gryffindor, Spinnet Übernimmt ihn, und sie macht ihn rein, keine Frage, und das Spiel geht weiter, Gryffindor immer noch im Quaffelbesitz.«
Es geschah, als Harry erneut einem Klatscher auswich, der gefährlich nahe an seinem Kopf vorbeischlingerte. Sein Besen gab plötzlich einen fürchterlichen Ruck. Den Bruchteil einer Sekunde lang glaubte er hinunterzustürzen. Er umklammerte den Besen fest mit beiden Händen und Knien. Ein solches Gefühl hatte er noch nie gehabt.
Es passierte wieder. Als ob der Besen versuchte ihn abzuschütteln. Doch ein Nimbus Zweitausend beschloß nicht plötzlich, seinen Reiter abzuschütteln. Harry versuchte sich zu den Toren der Gryffindors umzuwenden; halb dachte er daran, Wood um eine Spielpause zu bitten – und nun war ihm klar, daß der Besen ihm überhaupt nicht mehr gehorchte. Er konnte ihn nicht wenden. Er konnte ihn überhaupt nicht mehr steuern. Im Zickzack fegte er durch die Luft und machte in kurzen Abständen wütende Schlenker, die ihn fast herunterrissen.
Lee kommentierte immer noch das Spiel.
»Slytherin im Ballbesitz – Flint mit dem Quaffel – vorbei an Spinnet – vorbei an Bell – der Quaffel trifft ihn hart im Gesicht, hat ihm hoffentlich die Nase gebrochen – nur'n Scherz, Professor – Tor für Slytherin – o nein… «
Die Slytherins jubelten. Keiner schien bemerkt zu haben, daß Harrys Besen sich merkwürdig benahm. Er trug ihn langsam höher, ruckend und zuckend, fort vom Spiel.
»Weiß nicht, was Harry da eigentlich treibt«, murmelte Hagrid. Er sah gebannt durch sein Fernglas. »Wenn ich es nicht besser wüßte, würd ich sagen, er hat seinen Besen nicht mehr im Griff… aber das kann nicht sein… «
Auf einmal deuteten überall auf den Rängen Menschen auf Harry. Sein Besen rollte sich nun im Kreis, unablässig, und Harry konnte sich nur noch mit letzter Kraft halten. Dann stöhnte die Menge auf, Harrys Besen hatte einen gewaltigen Ruck gemacht und Harry hatte den Halt verloren. Er hing jetzt in der Luft, mit einer Hand am Besenstiel.
»Hat er irgendwas abgekriegt, als Flint ihn geblockt hat?«, flüsterte Seamus.
»Kann nicht sein«, meinte Hagrid mit zitternder Stimme. »Nichts kann keinen Besen durch'nander bringen außer schwarze Magie – kein Kind könnt so was mit 'nein Nimbus Zweitausend anstellen.«
Bei diesen Worten griff sich Hermine Hagrids Fernglas, doch anstatt zu Harry hinaufzusehen ließ sie den Blick hastig über die Menge schweifen.
»Was machst du da?«, stöhnte Ron graugesichtig.
»Ich wußte es«, keuchte Hermine,»Snape – sieh mal.«
Ron hob das Fernglas an die Augen. Snape stand in der Mitte der Ränge gegenüber. Seine Augen waren fest auf Harry gerichtet und er murmelte unablässig vor sich hin.
»Da ist was faul – er verhext den Besen«, sagte Hermine.
»Was sollen wir machen?«
»Überlaß ihn mir.«
Bevor Ron noch ein Wort sagen konnte, war Hermine verschwunden. Ron richtete das Fernglas wieder auf Harry., dessen Besen ruckte nun so heftig, daß er sich kaum noch daran festklammern konnte. Sämtliche Zuschauer waren aufgestanden und sahen entsetzt zu, wie die Weasleys hochflogen und versuchten, ihn auf einen ihrer Besen zu ziehen, doch es nützte nichts: jedes Mal, wenn sie ihm nahe kamen, stieg der Besen sofort noch höher. Sie ließen sich ein wenig sinken und zogen unterhalb von Harry Kreise, offenbar in der Hoffnung, ihn auffangen zu können, falls er herunterfiel. Marcus Flint packte den Quaffel und schoß fünf Tore, ohne daß jemand Notiz davon nahm.
»Los, Hermine, mach schon«, murmelte Ron verzweifelt.
Hermine hatte sich zu der Tribüne durchgekämpft, auf der Snape stand, und raste nun die Sitzreihe entlang auf ihn zu; sie hielt nicht einmal an, um sich zu entschuldigen, als sie Professor Quirrell kopfüber in die Reihe davor stieß. Als sie Snape erreicht hatte, zog sie ihren Zauberstab hervor, kauerte sich auf den Boden und flüsterte ein paar wohl gewählte Worte. Aus ihrem Zauberstab züngelten hellblaue Flämmchen zum Saum von Snapes Umhang empor.
Snape brauchte vielleicht eine halbe Minute um zu bemerken, daß er brannte. Ein plötzliches Aufheulen sagte ihr, daß sie es geschafft hatte. Sie sog das Feuer von ihm ab in ein kleines Glasgefäß, das sie in der Tasche hatte, und stolperte dann durch die Reihe zurück – Snape erfuhr nie, was geschehen war.
Doch es war gelungen. Hoch oben in den Lüften konnte Harry plötzlich wieder auf seinen Besen klettern.
»Neville, du kannst wieder hinsehen!«, rief Ron. Neville hatte die letzten fünf Minuten in Hagrids Jacke geschluchzt.
Harry raste gerade bodenwärts, als die Menge ihn plötzlich die Hand vor den Mund schlagen sah, als ob ihm schlecht wäre – auf allen Vieren knallte er auf das Spielfeld – hustete – und etwas Goldenes fiel ihm in die Hand.
»Ich hab den Schnatz!«, rief er mit den Armen rudernd, und das Spiel endete in heilloser Verwirrung.
»Er hat ihn nicht gefangen, er hat ihn fast verschluckt«, brüllte Flint zwanzig Minuten später immer noch, doch es half nichts mehr – Harry hatte keine Regel gebrochen und der glückselige Lee Jordan rief immer noch das Ergebnis aus – Gryffindor hatte mit hundertsiebzig zu sechzig Punkten gewonnen. Davon hörte Harry freilich nichts mehr. Hinten am Wald, in der Hütte, braute Hagrid ihm und Ron und Hermine einen kräftigen Tee.
»Es war Snape«, erklärte Ron,»Hermine und ich haben ihn gesehen. Er hat leise vor sich hin gemurmelt und deinen Besen mit Flüchen belegt, er hat nicht ein einziges Mal die Augen von dir abgewandt.«
»Unsinn«, brummte Hagrid, der kein Wort von dem gehört hatte, was neben ihm auf den Rängen gesprochen worden war. »Warum sollte Snape so etwas tun?«
Harry, Ron und Hermine sahen sich an, unsicher, was sie ihm erzählen sollten. Harry entschied sich für die Wahrheit.
»Ich hab etwas über ihn herausgefunden«, erklärte er Hagrid. »Er hat an Halloween versucht an diesem dreiköpfigen Hund vorbeizukommen. Der hat ihn gebissen. Wir glauben, er wollte das stehlen, was der Hund bewacht, was auch immer es ist.«
Hagrid ließ den Teekessel auf den Herd fallen.
»Woher wißt ihr von Fluffy?«, fragte er.
»Fluffy?«,
»Ja – ist nämlich meiner – hab ihn einem Kerl aus Griechenland abgekauft, den ich letztes Jahr im Pub getroffen hab ich hab ihn Dumbledore geliehen, als Wachhund für
»Ja?« sagte Harry begierig.
»Das reicht, fragt mich nicht weiter aus«, sagte Hagrid grummelig. »Das ist streng geheim, ist das nämlich.«
»Aber Snape hat versucht, es zu stehlen.«
»Unsinn«, sagte Hagrid erneut. »Snape ist ein Lehrer in Hogwarts, so was würde der nie tun.«
»Und warum hat er dann gerade versucht, Harry umzubringen?«, rief Hermine.
Was am Nachmittag geschehen war, hatte ihre Ansichten über Snape offenbar verändert.
»Ich erkenne sehr wohl, wenn jemand einen bösen Fluch
ausspricht, Hagrid, ich hab alles darüber gelesen. Du mußt die Augen immer draufhalten, und Snape hat nicht einmal geblinzelt, ich hab's gesehen!«
»Ich sag euch, ihr liegt grottenfalsch«, sagte Hagrid erregt. »Ich weiß nicht, warum Harrys Besen so komisch geflogen ist, aber Snape würde nie versuchen einen Schüler i zubringen! Nun hört mir mal alle genau zu, ihr mischt in Dinge ein, die euch nichts angehen. Vergeßt den Hund und vergeßt, was er bewacht, das ist allein die Sache von Professor Dumbledore und Nicolas Flamel -«
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