Der Zwerg lächelte schief.»In letzter Zeit nennen sich eine Menge Leute König.«
Joff wußte nicht recht, was er mit dieser Bemerkung anfangen sollte, doch merkte man ihm sein Mißtrauen deutlich an.»Ja. Gut. Ich freue mich, daß Ihr noch lebt, Onkel. Habt Ihr mir ein Geschenk zum Namenstag mitgebracht?«
«Das habe ich. Meinen Verstand.«
«Robb Starks Kopf wäre mir lieber gewesen«, sagte Joff mit einem verschlagenen Seitenblick auf Sansa.»Tommen, Myrcella, kommt.«
Sandor Clegance verweilte noch einen Moment.»An Eurer Stelle würde ich meine Zunge hüten, kleiner Mann«, warnte er, ehe er seinem Lehnsherrn folgte.
Sansa blieb bei dem Zwerg und seinen Ungeheuern zurück. Sie überlegte fieberhaft, was sie sagen könnte.»Ihr habt Euch am Arm verletzt«, brachte sie schließlich heraus.
«Einer Eurer Nordmannen hat mich mit dem Morgenstern getroffen, in der Schlacht am Grünen Arm. Ich bin ihm entgangen, indem ich mich vom Pferd fallen ließ. «Sein Grinsen wurde sanfter, während er ihr Gesicht betrachtete.»Ist
es die Trauer um Euren Vater, die Euch so sehr bekümmert?«
«Mein Vater war ein Hochverräter«, erwiderte Sansa sofort.»Und mein Bruder und meine Hohe Mutter sind gleichfalls Hochverräter. «Diese Antwort hatte sie gelernt.»Ich dagegen bin meinem geliebten Joffrey treu.«
«Ohne Zweifel. So treu wie das Rotwild, das von Wölfen eingekreist ist.«
«Löwen«, flüsterte sie ohne nachzudenken. Sie blickte sich nervös um, aber niemand war in der Nähe.
Lannister ergriff ihre Hand und drückte sie.»Ich bin nur ein kleiner Löwe, Kind, und ich schwöre, daß ich nicht über Euch herfallen werde. «Er verneigte sich und fügte hinzu:»Doch nun müßt Ihr mich entschuldigen. Ich habe eine dringliche Angelegenheit mit der Königin und ihrem Rat zu besprechen.«
Sansa blickte ihm nach. Sein Körper schwankte bei jedem Schritt grotesk von einer Seite zur anderen. Er spricht freundlicher als Joffrey, dachte sie; aber die Königin hat auch freundlich mit mir geredet. Dennoch bleibt er ein Lannister, ist er doch ihr Bruder und Joffs Onkel. Und kein Freund. Einst hatte sie Prinz Joffrey von ganzem Herzen geliebt und bewundert, und seiner Mutter, der Königin, vertraut. Diese Liebe und dieses Vertrauen hatten sie ihr mit dem Kopf ihres Vaters vergolten. Diesen Fehler würde Sansa niemals wieder begehen.
Im weißen Gewand der Königsgarde erweckte Ser Mandon Moore den Eindruck eines Toten im Leichenhemd.»Ihre Gnaden hat angeordnet, die Ratssitzung nicht zu stören.«
«Ich würde nur ein kleines bißchen stören, Ser. «Tyrion ließ das Pergament aus dem Ärmel gleiten.»Ich trage einen Brief von meinem Vater, Lord Tywin Lannister, der Rechten Hand des Königs, bei mir. Hier seht Ihr das Siegel.«
«Ihre Gnaden wünscht nicht gestört zu werden«, wiederholte Ser Mandon langsamer, als sei Tyrion zu dumm, um ihn beim ersten Mal verstanden zu haben.
Jaime hatte ihm einmal erzählt, Moore sei der gefährlichste Mann der Königsgarde — sich selbst ausgeschlossen — , weil seine Miene nie auch nur einen kleinen Hinweis darauf gab, was er als nächstes tun würde. Tyrion hätte einen solchen Hinweis jetzt begrüßt. Bronn und Timett könnten den Ritter vermutlich töten, falls die Sache mit Schwertern ausgetragen werden mußte, aber es würde nichts Gutes bedeuten, wenn er anfinge, Joffreys Beschützer niederzumetzeln. Und doch, ließ er sich von diesem Mann abweisen, wo blieb dann seine Autorität? Er setzte ein Lächeln auf.»Ser Mandon, Ihr habt meine Begleiter noch nicht kennengelernt. Dies ist Timett, der Sohn des Timett, eine Rote Hand, der Burned Men. Und dies ist Bronn. Möglicherweise erinnert Ihr Euch an Ser Vardis Egen, der Hauptmann von Lord Arryns Leibgarde war?«
«Ich kenne den Mann. «Ser Mandons Augen waren leblos.
«Kannte«, verbesserte Bronn mit einem dünnen Lächeln.
Ser Mandon ließ sich nicht herab, zu zeigen, daß er dies gehört hatte.
«Mag es sein, wie es will«, sagte Tyrion freundlich,»ich muß zu meiner Schwester und ihr den Brief übergeben, Ser. Seid also so freundlich und öffnet die Tür für uns.«
Der weiße Ritter antwortete nicht. Tyrion stand kurz davor, sich seinen Weg mit Gewalt zu erkämpfen, da trat Ser Mandon plötzlich zur Seite.»Ihr dürft eintreten. Die nicht.«
Ein kleiner Sieg, dachte er, aber ein süßer. Er hatte seine erste Prüfung bestanden. Tyrion Lannister trat durch die Tür und fühlte sich fast groß. Die fünf Mitglieder des kleinen Königsrates unterbrachen augenblicklich ihr Gespräch.»Ihr?«sagte seine Schwester in einem Tonfall, in dem Unglauben und Unbehagen gleichermaßen mitschwangen.
«Jetzt weiß ich, wo Joffrey seine Höflichkeit gelernt hat. «Tyrion blieb stehen, bewunderte die zwei valyrischen Sphinxe, welche die Tür bewachten und gab sich beiläufig zuversichtlich. Cersei konnte Schwäche riechen, wie ein Hund, der Angst wittert.
«Was tut Ihr hier?«Die lieblichen grünen Augen seiner Schwester musterten ihn ohne jegliche Zuneigung.
«Ich überbringe einen Brief von unserem Hohen Vater. «Er schlenderte zum Tisch und legte das eng eingerollte Pergament darauf.
Der Eunuch Varys nahm den Brief und drehte ihn in seinen zarten, gepuderten Händen.»Wie freundlich von Lord Tywin. Und sein Siegelwachs hat einen so hübschen Goldton. «Varys unterzog das Siegel einer genaueren Untersuchung.»Es scheint tatsächlich echt zu sein.«
«Natürlich ist es echt. «Cersei riß ihm den Brief aus den Händen. Sie brach das Siegel und entrollte das Pergament.
Tyrion beobachtete sie, während sie las. Seine Schwester hatte den Platz des Königs eingenommen — demnach schien Joffrey dem Rat nur selten beizuwohnen, nicht öfter als Robert seinerzeit — , und daher kletterte Tyrion auf den Stuhl der Rechten Hand. Dieser Platz erschien ihm nur angemessen.
«Das ist absurd«, sagte die Königin schließlich.»Mein Hoher Vater hat meinen Bruder geschickt, damit er an seiner Stelle an diesem Rat teilnehmen soll. Er bittet uns, Tyrion als Rechte Hand des Königs anzuerkennen, bis er sich persönlich zu uns gesellen kann.«
Grand Maester Pycelle strich sich durch den wallenden weißen Bart und nickte nachdenklich.»Ich nehme an, ein Willkommen wäre durchaus angebracht.«
«In der Tat. «Janos Slynt mit seinem Doppelkinn und seiner Halbglatze sah fast aus wie ein Frosch, ein selbstgefälliger Frosch, der sich über sich selbst erhoben hatte.»Wir brauchen Euch dringend, Mylord. Überall Aufstände, dieses furchterregende Omen am Himmel, Aufruhr in den Straßen der Stadt… «
«Und wessen Schuld ist das, Lord Janos?«hielt ihm Cersei entgegen.»Eure Goldröcke sollen die Ordnung aufrechterhalten. Was Euch betrifft, Tyrion, so würdet Ihr uns auf dem Schlachtfeld bessere Dienste leisten.«
Er lachte.»Nein, mit den Feldern der Ehre bin ich fertig, besten Dank auch. Auf einem Stuhl sitze ich bequemer als auf einem Pferd, und ich würde lieber einen Weinkelch in der Hand halten als eine Streitaxt. Und all der Donner der Trommeln, die grelle Sonne, die auf Rüstungen blitzt, die schnaubenden, tänzelnden Schlachtrösser? Also, von den Trommeln habe ich Kopfschmerzen bekommen, die Sonne hat mich in meiner Rüstung gebacken wie eine Gans fürs Erntefest, und diese prachtvollen Pferde lassen überall ihre Äpfel fallen. Jedoch — ich will mich nicht beschweren. Verglichen mit der Gastfreundschaft, die ich im Tal von Arryn genießen durfte, sind Trommeln, Pferdeäpfel und Mückenstiche eine Wohltat.«
Littlefinger lachte.»Gut gesprochen, Lannister. Ihr seid ein Mann nach meinem Geschmack.«
Tyrion lächelte ihn an und erinnerte sich an einen gewissen
Dolch mit einem Heft aus Drachenknochen und einer Klinge aus valyrischem Stahl. Darüber müssen wir uns unterhalten, und zwar bald. Er fragte sich, ob Lord Petyr dieses Thema ebenso amüsant fände.»Bitte«, sagte er,»laßt mich meine Dienste tun, wie klein sie auch immer sein mögen.«
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