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Simon Green: Wächter der Menschheit

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Simon Green Wächter der Menschheit
  • Название:
    Wächter der Menschheit
  • Автор:
  • Издательство:
    Bastei&Lübbe
  • Жанр:
  • Год:
    2010
  • Город:
    Köln
  • Язык:
    Немецкий
  • ISBN:
    978-3-8387-0700-6
  • Рейтинг книги:
    4 / 5
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Wissen Sie was? Es ist alles wahr. Alles, was Ihnen jemals Angst eingejagt hat, von Verschwörungstheorien über Monster unter dem Bett bis hin zu Gespenstern und Ghulen und langgliedrigen Bestien. Nur aus einem einzigen Grund haben sie die Welt noch nicht übernommen: Weil meine Familie immer da gewesen ist und sich ihnen in den Weg gestellt hat. Wir hüten die Tür, wir schützen euch vor dem großen bösen Wolf, und ihr kennt noch nicht einmal unsere Namen. Natürlich muss dafür ein Preis gezahlt werden. Von uns - und von euch. Mein Name ist Bond. Shaman Bond. Naja, nein; eigentlich ist das nur mein Rufname. Wenn die Stellenbeschreibung von einem verlangt, regelmäßig persönlich mit Kreaturen der Nacht zu verkehren, muss man sich seinen Spaß suchen, wo man kann. Mein richtiger Name ist Eddie Drood. Mit der Lizenz zum Treten in übernatürliche Ärsche. Meine Familie ist eine der ältesten in England, vielleicht die älteste, und wir haben die Menschheit für mehr Jahrhunderte vor den Mächten der Finsternis beschützt, als selbst wir Lust haben zurückzudenken. Es gibt welche, die sagen, Drood sei nur eine Ableitung von Druide. Die Aufgabe eines Schamanen ist es, seinen Stamm vor Bedrohungen von außen zu beschützen, und genau das habe ich immer getan. Ich habe meinen Job geliebt. Bis mir alles um die Ohren flog.

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»Sie scheinen ganz gut zu tun zu haben, Willy«, meinte ich. »Irgendwas Pikantes zutage gefördert kürzlich?«

Er nickte schnell und senkte die Stimme, während er mich über den neuesten Verschwörungstratsch ins Bild setzte. Von dem ich das meiste bereits kannte, aber ich brachte es nicht übers Herz, ihm das zu sagen. Seine tränenden Augen leuchteten hinter den Bifokalgläsern, als er mir feierlich versicherte, dass die britische Königsfamilie in Wirklichkeit von uralten Eidechsengöttern abstammt, die ihren schrecklichen Ursprung im deutschen Schwarzwald hatten; dass das Pentagon der Vereinigten Staaten in Wirklichkeit eine geheime sechste Seite hat, unsichtbar für alle bis auf die Auserwählten, wo alle wirklich wichtigen Entscheidungen getroffen werden; und dass eine gewisse Hollywood-Schauspielerin in Wirklichkeit ein gestaltwandlerisches Alien ist, weshalb sie auch so leicht ab- und zunehmen kann und gleichzeitig niemals zu altern scheint. Diese letzte Geschichte war mir neu, und ich nahm mir vor, sie später zu überprüfen. Die Familie weiß von vier gestaltwandlerischen Alienspezies, die gegenwärtig auf unserer Welt zu tun haben, und ein Teil der Übereinkunft lautet, dass sie sich aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit fernhalten sollen.

Schließlich war Willy leergelaufen und führte mich an seinen Gästen, die blind für die Welt um sich herum an ihren Rechnern saßen, vorbei zu dem Hinterzimmer, das für meinen Gebrauch reserviert war. Er schloss die Tür auf, geleitete mich mit einem letzen düsteren Schniefen hinein und ließ mich dann allein. Ich blieb stehen, bis ich ihn die Tür wieder abschließen hörte, und setzte mich dann vor den wartenden Computer. Ich brauchte nicht nachzusehen, ob Willy oder sonst wer sich daran zu schaffen gemacht hatte; falls irgendjemand außer mir sich ihm auch nur näherte, würde sich das ganze Ding auf ziemlich beeindruckend unangenehme Art und Weise selbst zerstören. Das wusste Willy natürlich nicht. Er brauchte es nicht zu wissen. Er brauchte auch nicht zu wissen, dass sich im Inneren des Standardcomputergehäuses nichts als eine zweckmäßig präparierte Kristallkugel befand. Viel leistungsstärker als jeder Rechner und verdammt viel schwerer zu hacken.

Ich sagte laut meinen richtigen Namen, und der Monitor schaltete sich ein und zeigte mir das Bild meiner üblichen Kontaktperson, Penny Drood. Eine kühle Blonde in einem engen Pullover, hinlänglich süß und gescheit und sexy, auf eine distanzierte Art. Ich mag Penny. Sie lässt sich nichts von mir gefallen.

»Du bist spät dran«, sagte sie. »Von Agenten im Außendienst wird verlangt, dass sie ihren Bericht exakt zur vollen Stunde abgeben.«

»Ja, es ist mir gelungen, nicht getötet oder schwer verletzt zu werden, danke der Nachfrage, Penny. Dürfte ich mich erkundigen, wieso die Missionsinstruktionen mich nicht über den verflucht großen Dämonenhund in Kenntnis setzten, der draußen vor Dr. Dee Wache stand?«

Penny rümpfte die Nase. »Dämonenhunde entwickeln sich dieser Tage zum Standard, Eddie. Was du wüsstest, wenn du dir die Mühe gemacht hättest, die ganzen Aktualisierungen zu lesen, die ich dir geschickt habe.«

»Wenn ich alles lesen wollte, was die Familie mir schickt, würde ich nie irgendwas erledigt kriegen. Und das hier war ein echt großer Scheißkerl.«

Penny lächelte kurz. »An dem Tag, an dem du nicht mehr mit einem Dämonenhund fertig wirst, werden wir dich in Rente schicken. Und jetzt erstatte bitte deinen Bericht. Du bist nämlich nicht der einzige Agent, um den ich mich kümmern muss.«

»Ah, aber die andern vergöttern nicht wie ich den Boden unter deinen Füßen!«

»Götzenanbetung führt zu nichts. Erstatte deinen Bericht!«

Ich machte mich sofort an die Arbeit, flüssig und präzise, mit der Mühelosigkeit langer Gewohnheit. Nur die relevanten Details; die Familie braucht nicht alles zu wissen, solange der Auftrag erfolgreich durchgeführt wird. Mein kurzes, unglückliches Zusammentreffen mit dem Karma-Katecheten ließ ich unerwähnt. Als ich jedoch zum Ende meines Berichts kam und mich in meinem Stuhl zurücklehnte, war das Allererste, was Penny sagte: »Erzähl mir vom Karma-Katecheten!« Ich seufzte tief, aber wirklich überrascht war ich nicht. Die Familie weiß alles, wissen Sie noch? So ist es eben. Also erzählte ich Penny, was passiert war, wobei ich sorgfältig darauf achtete zu betonen, dass nichts davon in irgendeiner Weise meine Schuld war, und zum Schluss nickte sie einfach und unterbrach die Verbindung. Der Bildschirm ging aus, und ich stand auf, streckte mich träge und fühlte mich ziemlich erleichtert. Hätte ich in Schwierigkeiten gesteckt, hätte sie mich aufgefordert zu warten, während sie es nach oben weitergab.

Daher, Bericht zu Ende, Mission abgeschlossen. Zeit, ein kultiviertes Wirtshaus aufzusuchen und sich die Kante zu geben.

* * *

Ich verließ das Internet-Café und nickte Willy, der gerade damit beschäftigt war, Bill Gates anonyme Hass-E-Mails zu schicken, zum Abschied zu. Ich machte die Tür fest hinter mir zu und schaute dann beiläufig die Seitenstraße hoch und runter, um mich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war. Der Nachmittag ging inzwischen in den Abend über, die Schatten wurden länger und dunkler. Die Seitenstraße endete an einer schmutzigen Backsteinmauer voll verblasster Graffiti. Ich stellte mich vor die Mauer, sprach gewisse Worte, und im Mauerwerk vor mir erschien eine Tür. Eine Tür aus massivem Silber, mit tief eingeätzten Warnungen und Drohungen in Engels- und Dämonenschrift und ohne jede Spur einer Klinke. Ich legte meine linke Hand auf das Silber, und die Tür schwang vor mir auf. Versuchen Sie das mal, wenn Ihr Name nicht auf der Liste der zugelassenen Gäste steht, und die Tür wird Ihnen geradewegs die Hand abbeißen. Aber gerade das ist eine der Sachen, die mir am Wolfskopf am meisten gefällt: wie eifersüchtig er über seine Ungestörtheit und die seiner Kunden wacht.

Der Club ist nicht wirklich in London; man kann ihn von jeder Stadt der Welt aus betreten, solange man ein angesehenes Mitglied ist und die augenblicklichen Passwörter kennt. Ich bin nicht sicher, ob irgendjemand weiß, wo genau (oder in der Tat wann genau) sich der Wolfskopf tatsächlich befindet. Wodurch er zum besten aller möglichen Orte wird, wenn man mal eine Pause von der Welt und ihren Anforderungen braucht.

Ich trat durch die Tür in blendendes Licht, stampfende Musik und das Gebrüll von Leuten, die entschlossen waren, sich zu amüsieren, koste es, was es wolle. Der Wolfskopf ist sehr auf dem neuesten Stand, sehr Hightech. Ganz mit Neonstreifen ausgeleuchtet und die Einrichtung so modern, dass man die Hälfte der Zeit über nicht mal sagen kann, wofür sie eigentlich sein soll. Die Wände sind gigantische Plasmabildschirme, die ständig wechselnde dramatische Aufnahmen aus der ganzen Welt zeigen. Hin und wieder flimmern Schlafzimmergeheimnisse berühmter und wichtiger Leute darüber, heimlich aufgenommen von Spannern mit Zugang zu weit mehr Technologie, als gut für sie ist. Die Musik hämmerte und dröhnte, während Mädchen in so gut wie keinen Kleidern auf angestrahlten Miniaturbühnen herumstolzierten und aufstampften und sich die Seele aus dem Leib tanzten, bis der Schweiß von ihren sich windenden Körpern floss, und die Bässe wummerten durch den Boden hoch.

Der Club war wie immer überfüllt, randvoll mit den interessantesten Leuten, die man überhaupt nur finden kann. Der Wolfskopf ist der Ort, wo all die schrägen Leute hingehen, um sich zu entspannen und sich einen Drink und einen Plausch mit ihresgleichen zu gönnen. Die Mitgliedschaft des Clubs beinhaltet die Übernatürlichen, die Überbelichteten, die Überwissenschaftlichen und den ganzen Rest der übermenschlichen Bande. Es ist eine kosmopolitische Mischung, die Gute und Böse umfasst und all die seltsamen Leute dazwischen. Geschäfte werden getätigt, Leute und andere werden flachgelegt, ab und zu geschieht ein Mord oder eine Verwandlung, und alle amüsieren sich. Es ist eine Wahnsinnsatmosphäre.

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