»Sie sind kein Freund von genauer Planung, nicht wahr?«, fragte Walker. »Dann mal los.«
»Ja«, sagte ich. »Lassen Sie uns in die Unterwelt gehen und diesen Alien-Arschlöchern zeigen, wie die Hölle auf Erden wirklich aussieht.«
In dem Moment, in dem ich durch den halbkreisförmigen Eingang in den Hügel selbst hineinging, hörten die Dinge auf, Sinn zu ergeben. Der Eingang wurde zum Tunnel, plötzlich groß genug, um eine U-Bahn zu fassen. Ein schimmerndes Licht erleuchtete ihn. Der Tunnel fiel steil ab, von mir fort. Die Wände waren klebrig und feucht, ihre Oberfläche ging langsam in den Boden über und verschwand darin. Seltsame Auswüchse erblühten in der Wand und fielen wieder in sich zusammen; undefinierbare Formen, die Maschinen oder Organe oder etwas ganz anderes waren, für das die Menschheit keine Namen hatte. Die Luft war dick und roch faulig, aber sie war immer noch atembar.
Ich ging weiter durch den Tunnel, Walker unmittelbar neben mir. Ich war froh, ihn dabeizuhaben, jemanden, auf den man sich verlassen konnte. Als Drood-Agent hatte ich mehr als nur meinen Teil von so einem seltsamen Mist gesehen, aber dieser Ort hier jagte mir echt Angst ein. Alle paar Meter öffneten sich neue Durchgänge oder Öffnungen in der Wand und es wurde schnell klar, dass wir uns in einer Art Labyrinth oder Bienenstock befanden. Ich ging dennoch weiter und folgte dabei meiner Sicht , direkt ins dunkle, schlagende Herz dieses Hügels. Ich konnte seine Präsenz weit unten spüren, wie das Monster, das in jedem Labyrinth auf die Helden wartet.
Das Monster, das viel öfter gewinnt, als das Märchen gemeinhin verrät.
Soweit zumindest war alles bekannt, aber als Walker und ich weiter hinabstiegen, wurden die Umstände immer fremdartiger, seltsamer und leicht verstörend. Es wurde schwer, Entfernungen abzuschätzen, die Dinge schienen sich plötzlich nach vorn zu bewegen und dann zurückzukehren, sich endlos nach vorn zu strecken und dann zu verschwinden oder hinter einem wieder aufzutauchen. Da waren Dinge in der gewölbten Decke, die auf mich herunterstarrten und mir langsam mit Blicken folgten, wenn ich vorbeiging. Die Aliens wussten, dass wir hier waren, aber ich sah immer noch keinen, nirgendwo. Gelegentlich erweiterten sich die Tunnels zu großen Kammern, deren Form gar keinen Sinn ergab; die selbst unter dem Schutz meiner goldenen Sonnenbrille in meinen Augen schmerzten, wenn ich zu lange darauf sah. Ich wusste nicht, wie Walker damit fertig wurde. Kaum hatten wir den Eingang passiert, sprachen wir nicht einmal mehr miteinander, so als gehöre menschliche Sprache einfach nicht hierher.
Es gab in den Kammern Objekte, die ich nicht direkt ansehen konnte: Formen ohne Bedeutung, Formen ohne Funktion. Schatten huschten über den Boden und änderten ihre Gestalt wie Öl auf Wasser und reagierten auch dann nicht, als ich durch sie hindurchging. Die Schwerkraft fluktuierte so stark, dass ich manchmal auf und ab schaukelte wie ein Ballon an einem Faden. Manchmal war alles, was ich tun konnte, einfach weiterzutrotten, als trüge ich wie weiland Sindbad der Seefahrer den Alten Mann der Meere auf dem Rücken, den dieser erst losgeworden war, als er den Alten mit Wein abgefüllt hatte. Mein Richtungssinn schwankte hin und her, ohne meinen Torques und meine Sicht wäre ich in Minuten verloren gewesen. Ich wusste nicht immer genau, wohin ich ging, aber ich wusste immer, wo ich abbiegen und welche Öffnung ich nehmen musste. Der Boden fiel immer noch ab und brachte mich in das unterirdische Herz des Hügels. Zu dem Ort, an dem all die üblen Dinge entschieden wurden. So viel wusste ich immerhin, selbst wenn ich nicht immer den Mann neben mir erkannte.
Das Atmen wurde schwerer, das Denken auch. Aber jedes Mal, wenn meine Gedanken abzudriften drohten, musste ich nur wieder an die Vision denken, die mir der Alien in der Leichenhalle gezeigt hatte, und eine kalte Wut blies mir die Spinnweben von meinen Gedanken. Dann war ich wieder in der Lage, klar zu denken. Ich war hier, um den Aliens Blut und Schrecken zu bringen und niemand war in der Lage, das zu stoppen.
Nicht einmal ich selbst.
Ein Alien schoss aus einem Seitentunnel heraus und blieb dann abrupt stehen, um uns den Weg zu versperren: ein großer Haufen von sich windenden Schlangen, sich drehenden Tentakeln und dicken Fäden, die schmolzen und sich miteinander verknoteten. Ich hielt an, erstarrte zur Salzsäule und sah das Alien ohne zu blinzeln an. Walker stand neben mir. Das Alien machte keine Anstalten, sich zu bewegen oder nach seinen Sicherheitsleuten zu rufen. Ich spannte mich an und erwartete halb die unsichtbaren Skalpelle, doch dann konzentrierte ich mich darauf, wie man das Ding wohl töten konnte. Ich wollte meine Rüstung noch nicht vollständig aufrufen, da die Präsenz von so viel seltsamer Materie eine ganze Menge Alarmsysteme hätte auslösen können. Ich hatte zwar meinen Revolvercolt, aber selbst die Menge verschiedener Kugeln, die er abfeuern konnte, hätte wohl auf diesen Haufen siedender Schläuche kaum einen Effekt gehabt.
»Erlauben Sie«, sagte Walker. Seine Worte waren nur ein Hauch in meinem Ohr.
Er packte seinen Regenschirm fester, zerrte und drehte und zog dann aus der versteckten Scheide eine lange, dünne Stahlklinge. Er schritt zielbewusst nach vorn und zerschnitt und zerhackte das Alien mit kalter, strenger Wildheit in hundert Stücke. Die Stahlklinge schnitt durch die sich windenden Schläuche, als wären sie Butter, schlitzte und öffnete sie beinahe ohne Widerstand. Das Alien schien eher überrascht als irgendetwas sonst zu sein. Es machte keinen Versuch, sich zu verteidigen, sondern glitt langsam wieder in den Tunnel. Walker folgte ihm und schnitt es weiter mit bösartiger Präzision auf, unermüdlich hob und senkte sich sein Arm. Kein Blut flog durch die Luft, nur ein klarer, dicker Schleim tropfte aus den abgetrennten Enden der zuckenden Tentakel, die sich schwach auf dem Tunnelboden wanden. Schon bald bewegte sich das Alien nicht mehr, weil nicht mehr genug da war, es zusammenzuhalten. Walker schlug noch darauf ein, bis es kein Stück mehr gab, das größer als ein paar Zentimeter gewesen wäre, damit beendete er die Sache. Selbst in diesem Stadium waren keine Anzeichen eines Organs in dem Alien zu sehen. Nur die endlos langen Schläuche.
Walker hielt inne und senkte sein Schwert. Er stand über den Überresten des Außerirdischen und ließ seinen Blick langsam über die auf dem Boden verteilten Stücke gleiten. Er atmete schwer, aber eher aus Emotionalität als vor Erschöpfung. Er richtete sich auf, schüttelte ein paar Tropfen der klaren Flüssigkeit von seiner Schwertspitze und steckte es dann ordentlich wieder in den Stock seines Schirms.
»Ein Schwert?«, sagte ich schließlich. »Versteckt in einem Regenschirm?«
»Zeigen Sie nur keine Ignoranz!«, sagte Walker. Sein Atem ging schon wieder normal. »Das ist eine alte Tradition in der britischen Spionage. Erwähnen Sie es Ihrem Waffenmeister gegenüber. Er wird sich daran erinnern.«
»Warum hat der Tod dieses Aliens keinen Alarm ausgelöst?«, fragte ich und sah mich böse in dem schmerzhaft grellen Licht um.
»Vielleicht haben sie keine so grundsätzliche Antwort erwartet«, sagte Walker. »Es gibt den Ausdruck ›überentwickelt‹.«
»Und was, wenn noch mehr Aliens auftauchen?«
»Lassen Sie sie kommen«, erwiderte Walker. »Mir ist sehr danach, noch mehr Aliens zu töten. Ich möchte ihre Körper unter meinen Füßen zertreten und in ihrem Blut tanzen.«
»Gut«, sagte ich. »Das will ich auch.«
Die Operationszentrale stellte sich als eine Wabe aus miteinander verbundenen Tunneln, Höhlen und etwas heraus, das möglicherweise andersdimensionale Räume waren. Es gab Öffnungen und Eingänge, die die Form änderten, sobald man darauf zuging, Tunnel, die im Kreis verliefen, wenn man sich nicht stark genug auf seine Richtung konzentrierte, sowie schwebende Bildschirme, die an- und ausgingen und blitzartig Ausblicke auf beunruhigend unirdische Welten zeigten. Es wurde immer schwerer, sich über irgendetwas sicher zu sein. Allein in diesem außerirdischen Hügel zu stecken zersetzte mein Denken und füllte meinen Kopf mit plötzlichen Ideen und Impulsen, die keinen Sinn ergaben. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Meine innere Uhr funktionierte nicht. Aber ich musste daran glauben, dass immer noch Zeit war, die Aliens aufzuhalten, oder alles war umsonst gewesen.
Читать дальше