»Es wird gut bezahlt«, antwortete Peter. Er sah seinen Großvater nachdenklich an und nahm jedes Detail in sich auf.
»Das muss wohl so sein«, sagte Alexander. »Nun, immerhin hast du ja jetzt die Chance, dich zu beweisen, mein Enkel. Aber von mir hast du keine Hilfe zu erwarten, keinen Rat oder besondere Behandlung, nur weil du zur Familie gehörst.«
»Ich würde es nicht anders wollen«, sagte Peter.
Hörte man ihren kalten und emotionslosen Stimmen zu, hätten sie genauso gut das Wetter diskutieren können. Sie klangen zum Verwechseln ähnlich.
»Warum wir?«, fragte ich, und Alexanders stechender Blick richtete sich sofort auf mich. Ich erwiderte den Blick. »Wenn ich das richtig verstehe, dann wollten Sie die sechs derzeit größten aktiven Agenten der Welt haben, um den einen zu finden, der Sie ersetzen kann, wenn Sie nicht mehr da sind. Also, warum wir? Ich nehme an, wir haben uns mit solider Arbeit alle einen guten Namen gemacht, aber ich könnte ihnen auf der Stelle ein Dutzend anderer Agenten aus dem Effeff nennen, die berühmter und passender wären als wir.«
Alexander King warf mir wieder dieses gemeine Grinsen hin. »Ich weiß, von wem du sprichst, und wenn einer von denen auch nur annähernd gut genug gewesen wäre, dann hätte er jetzt schon meinen Platz eingenommen. Nein, ich habe euch sechs ausgewählt, weil ihr jung seid und Potenzial habt. Mein Spiel wird das Beste aus euch herausholen oder euch umbringen. Wie dem auch sei, der Gewinner wird sich als der geeignete Nachfolger erweisen.
Passt auf. So sieht der Wettkampf aus, und dem Sieger wird die Beute gehören: Ihr werdet an fünf Orte gehen, die ich ausgesucht habe, und dort fünf der größten Geheimnisse der Welt ergründen. Entdeckt die Wahrheit hinter den Legenden. Dann geht zum nächsten, bis das Spiel beendet ist.«
»Was, wenn wir keines dieser Rätsel lösen können?«, unterbrach Honey Lake. »Was, wenn sich herausstellt, dass es gar keine Lösung gibt?«
»Ich habe die Wahrheit gefunden«, sagte Alexander King. »Und das werdet ihr auch, wenn ihr es wert seid. Wenn ihr dabei versagt, eine dieser Wahrheiten herauszufinden, dann habt ihr alle versagt. Das Spiel endet dann. Kein geheimes Wissen für irgendjemanden. Also versagt nicht.«
»Na klasse«, murmelte der Blaue Elf. »Wir brauchen also Teamgeist.«
»Zu Beginn werdet ihr sechs erst einmal lernen, als Team zusammenzuarbeiten«, sagte Alexander, und sein finsterer Blick schweifte leidenschaftslos über uns alle hinweg. »Aber nur einer von euch kann zurückkommen, um meinen Preis in Anspruch zu nehmen. Also, in der guten alten Tradition der Spionagekunst werdet ihr im Geheimen gegeneinander arbeiten und euch betrügen müssen. Es kann nur einen geben«, lachte er kurz. »Den Film habe ich immer gemocht. Wenigstens verlange ich nicht von euch, euch gegenseitig den Kopf abzuschlagen.«
Wir sahen uns an. Keiner von uns sah überrascht oder geschockt aus.
»Ich bin immer noch nicht sonderlich scharf auf das alles«, sagte ich. »Ich mache für niemanden Männchen, ich bin ein Drood.«
»Du wirst nach meiner Pfeife tanzen, Drood, wenn du die Identität des Verräters in eurer Mitte wissen willst«, meinte Alexander King. »Mein Spiel, meine Regeln.« Er lächelte uns kalt an. »Konzentriert euch auf den Preis. All die angesammelten Geheimnisse meines verlängerten Lebens. Die größten Rätsel der geheimen Welt. Wollt ihr nicht wissen, wer Kennedy erschossen hat? Was das Auge in der Pyramide wirklich bedeutet? Und was den Großen Traum der Sechzigerjahre wirklich ermordet hat? Natürlich wollt ihr das. Hier geht es nicht nur um ein paar besondere Informationen, für die ihr eigentlich gekommen seid. Hier geht es um die Frage, warum die Welt so ist, wie sie ist. Ich habe Antworten auf jede Frage, die euch je in den Sinn gekommen ist. Und ich werde sie dem Gewinner geben, schön verpackt mit einer Schleife drum herum.«
»Komm zum Punkt, Großvater«, warf Peter ein.
»Überlegt nicht zu lange«, sagte Alexander und ignorierte seinen Enkel. »Ich habe nicht mehr allzu viel Zeit übrig. Ein paar Monate vielleicht, möglicherweise weniger. Wenn ich sterben sollte, bevor ihr alle Rätsel gelöst habt, wird Place Gloria vernichtet, und all meine Geheimnisse werden auf ewig verloren sein. Keiner von euch würde irgendetwas bekommen. Und jetzt: fünf Mysterien, fünf Antworten. So lauten die Regeln. Wir fangen in Loch Ness in Schottland an, wegen seines Monsters.«
»Und Yetis?«, fragte ich hoffnungsvoll. »Ich wollte schon immer mal nach Tibet oder Nepal und den abscheulichen Schneemenschen jagen.«
Alexander starrte mich böse an. »Ich habe einmal einem Yeti ins Auge gesehen, damals in den Fünfzigerjahren. Eine sehr alte und sehr weise Kreatur. Hat mir eine Heidenangst eingejagt. Du wirst die Yetis in Ruhe lassen, Drood, und inständig beten, dass sie auch uns in Zukunft in Ruhe lassen.«
»Wie sollen wir fünf unterschiedliche Orte untersuchen, wenn wir nur ein paar Monate Zeit haben?«, fragte Katt.
Alexander King wedelte abwehrend mit der Hand, doch ich konnte die Mühe erkennen, die diese Bewegung ihn kostete. Es war die erste Bewegung, die er überhaupt machte, seit er erschienen war. Wir alle zuckten zusammen, als fünf massive metallene Armbänder aus dem Nichts erschienen und sich wie von selbst um unsere linken Handgelenke schlossen. Der Blaue Elf grapschte nach seinem und versuchte, es abzureißen, aber es rührte sich nicht. Ich sah meines nachdenklich an; mein Torques hätte mich vor so etwas bewahren sollen. Das Metall war von einem trüben Violett, seltsame Lichter pulsierten tief innerhalb des Metalls. Es fühlte sich kalt an und sah sehr nach außerirdischer Technologie aus.
Ich musste mich fragen, mit wem sich der Autonome Agent wohl im Lauf der Jahre zusammengetan hatte, um seine kostbare Autonomie zu behalten.
»Die Teleport-Armbänder bleiben an ihrem Platz, bis das Spiel beendet ist«, sagte Alexander King. »Koordinaten für jeden Ort sind einprogrammiert. Also wird niemand von euch sich davonstehlen oder aussteigen können, jetzt, wo der Wettkampf begonnen hat. Wenn ihr das versucht, wird das Armband euch töten.«
Katt starrte ihn böse an. »Davon war nie die Rede!«
»Jetzt schon«, sagte Alexander mit einem boshaften Grinsen.
»Wo haben Sie diese Armbänder her?«, fragte Honey. »Ich erkenne außerirdische Technologie, wenn ich sie sehe.«
»Das ist nur eines der Geheimnisse, um die ihr spielt«, meinte Alexander selbstgefällig. »Ach, ja, all die Dinge, die ich weiß - und die ihr wissen wollt …!« Er sah uns der Reihe nach an und kostete den Moment aus. »Ihr wart die Besten, die ich finden konnte, aber ich kann nicht sagen, dass ich beeindruckt bin. Wie wird die Welt nur überleben, wenn ich dahingeschieden bin? - Nun, lasst das Spiel beginnen! Stellt Euren Wert unter Beweis, für mich und die Welt. Und, aber das nur vielleicht, für euch selbst.«
Sein Bild verschwand, und wir waren in der enormen und leeren Halle wieder allein. Wir hatten keine Zeit, irgendetwas zu sagen, weil wir auf einmal nicht mehr in der Halle waren.
Und ich kann Ihnen schwören, dass es am Loch Ness garantiert noch viel kälter ist als in den Schweizer Alpen.
Kapitel Vier
Nicht Nessie
Da waren wir also: die sechs großartigsten Geheimagenten der Welt, Meister der Spionage - und standen im Matsch, dem hohen Gras und im eiskalten Wind herum und fragten uns, was zum Teufel wir als Nächstes tun sollten. Wir waren daran gewöhnt, in dunklen Nebenstraßen der Stadt zu operieren, in Schatten und Gässchen, wo anständige Männer und Frauen sich niemals hingewagt hätten. Wir übten unser Gewerbe in verräucherten Kaschemmen und versteckten Kellerräumen aus, in verlassenen Büros und in Computerräumen um Mitternacht. Wir waren nicht dazu ausgerüstet, uns mit schottischen Lochs abzugeben. Ohne irgendwelche Hinweise, Verdächtige, die man verhören, oder Sachen, die man stehlen konnte, waren wir, um ehrlich zu sein, ganz schön aufgeschmissen. Wenigstens hatte ich etwas Erfahrung mit der großen Natur. Die anderen zeigten alle Anzeichen, dass sie zum ersten Mal auf dem Land waren und das ganz und gar nicht genossen. Zur Hölle, für einige von ihnen war vielleicht sogar Sonnenschein eine ganz neue Erfahrung.
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