»Steht nicht so tatenlos herum, verdammt noch mal! Auf jeden Gardesoldaten treffen drei von uns! Tötet den König, und das Reich gehört uns! Tötet den König – oder wir enden alle auf dem Block des Henkers!«
Die Blicke der Verschwörer wanderten zwischen Darius und dem König hin und her.
»Legt eure Schwerter nieder«, sagte König Johann ruhig.
»Alle, die sich ergeben, können unbehelligt ins Exil ziehen.
Darauf gebe ich euch mein Wort.«
Die Verschwörer sahen einander an.
»Greift an, ihr Feiglinge!«, schrie Darius. Rote Flecken brannten auf seinen Wangen. »Wir können sie besiegen!«
Aber die Händler und Höflinge und die Herren und Damen des Adels legten ihre Schwerter und Dolche wortlos auf das blank polierte Parkett des Saales. Darius starrte sie ungläubig an. In seinen Augen spiegelte sich Zorn und Verzweiflung.
Gregory trat schützend neben Cecelia, das Schwert griffbereit.
»Es ist aus, Darius«, sagte Lord Vivian. Seine kalten Worte zerschnitten die Stille. »Besser ein ehrenhaftes Exil als das Henkersbeil.«
Darius drehte sich blitzschnell um und lief quer durch den Saal, der Verbindungstür zu seinen Gemächern entgegen.
Cecelia und Gregory folgten ihm.
»Ihnen nach!«, rief der König, und zwanzig Gardesoldaten machten sich an die Verfolgung. Julia rannte mit ihnen, das Schwert in der Hand. Bodeen war auf das Ränkespiel des Ministers hereingefallen und gestorben, und sie hatte sich geschworen, seinen Tod zu rächen. Flüchtende und Verfolger verschwanden durch die Tür am anderen Ende des Raumes, und wieder legte sich ein dumpfes Schweigen über den Saal.
Seite an Seite traten König Johann und Prinz Harald auf die drei Landgrafen zu, die einzigen Männer unter den Anwesenden, die ihre Schwerter noch in den Händen hielten. Etwa die Hälfte der Königlichen Garde bildete einen schützenden Halbkreis um den König.
»Hallo, Johann«, sagte Blays. »Alles in allem ein aufregender Tag, nicht wahr?«
König Johann lächelte traurig. »Glaubten Sie wirklich, mein Sohn hinterginge mich, Blays?«
Der Landgraf zuckte mit den Schultern. »Die Möglichkeit war nicht ganz von der Hand zu weisen.«
»Wir kennen einander nun schon eine halbe Ewigkeit, Blays. Es gab eine Zeit, da waren Sie einer meiner treuesten Verbündeten. Sie standen mir so nahe wie meine eigenen Familienangehörigen. Und nun dies. Warum, Blays? Warum haben Sie sich gegen mich gewandt?«
»Das Curtana«, entgegnete Blays knapp. »Als Sie beschlossen, dieses verfluchte Schwert einzusetzen, empfand ich das als Bedrohung meines Herrn. Sie müssen gewusst haben, dass ich dies nicht tatenlos hinnähme.«
»Deshalb stahlen Sie das Curtana – aus Angst, ich könnte es gegen die Barone verwenden.« König Johann schüttelte müde den Kopf. »Das war nie meine Absicht, Blays. Ich brauche das Schwert heute mehr denn je, um die Finsternis zurückzudrängen. Geben Sie es mir zurück, und ich verspreche Ihnen, dass ich Sie lediglich in die Verbannung schicken werde.«
Die Augen des Landgrafen verengten sich, und sein Lächeln drückte offene Verachtung aus. »Was ist das nun wieder für ein Spiel, Johann? Sie wissen, dass wir das Schwert nicht haben. Oder suchen Sie nur nach einem Vorwand für unsere Hinrichtung?«
»Ich befehle Ihnen, mir das Schwert des Zwangs auszuhändigen, Blays!«
»Ich habe es nicht.«
»Sie entwendeten es aus meinem Arsenal. Verräter!«
»Lügner!«
Blays warf sich dem König entgegen, die Schwertspitze auf die Kehle des Gegners gerichtet. Harald parierte den Hieb, und zwei Wachleute durchbohrten Blays mit ihren Waffen. Der Landgraf stürzte zu Boden und rührte sich nicht mehr. Blut quoll aus seinen Wunden und bildete im Nu eine breite Pfütze. Mit einem lauten Aufschrei ging Sir Bedivere zum Angriff über. Der erste Hieb seines mächtigen Schwerts zerteilte das Kettenhemd eines Gardesoldaten und senkte sich tief in dessen Brust. Mit einem unterdrückten Fluch sprang Harald vor und stellte sich schützend zwischen seinen Vater und den Berserker. Bedivere riss sein Schwert aus der Brust des tödlich Getroffenen und wandte sich dem Prinzen zu.
Harald duckte sich unter der herabsausenden Klinge weg und stieß dem Landgrafen sein Schwert durch den Kettenpanzer in die Rippen. Bedivere knurrte wie ein wildes Tier, ehe er den Prinzen mit einem Schlag seiner Riesenpranke von den Beinen fegte. Harald fiel nach hinten, ohne sein Schwert loszulassen. Bedivere stieß einen Schrei aus, als sich der Stahl aus seinem Brustkorb löste. Blut strömte aus der klaffenden Wunde, aber Bedivere torkelte vorwärts und mähte alle Gardesoldaten nieder, die sich ihm in den Weg stellten.
Verbissen kämpfte er sich zu König Johann durch, der mit erhobenem Schwert auf ihn wartete.
Der König starrte dem blutbespritzten Hünen mit einem Gemisch aus Entsetzen und Faszination entgegen. Das Schwert in seiner Hand hatte ein beruhigendes Gewicht, aber er wusste, dass es nicht ausreichen würde, um Bedivere aufzuhalten. Sein Gardekommandant drängte ihn zum Rückzug, doch König Johann schüttelte nur den Kopf. Es reichte nicht, dass ein Herrscher tapfer war; er musste beweisen, dass er tapfer war. Außerdem – wenn er Bedivere nicht jetzt gegenübertrat, würde er sich für den Rest seines Lebens die Frage stellen, ob er es geschafft hätte, den Mann zu besiegen. Plötzlich sanken die Leibwächter wenige Meter vor ihm zusammen. Blut floss in Strömen, als der Berserker ihre Reihen durchbrach. Einen Moment lang trafen sich die Blicke die beiden Männer. Bediveres Kettenhemd hing ihm in blutgetränkten Fetzen vom Leib, aber das erhobene Schwert wankte nicht, und in seinen Augen brannte wieder das rote Feuer.
König Johann sah, dass die nächste Reihe Leibwächter auf den Landgrafen eindrang, aber er wusste, dass sie Bedivere nicht mehr rechtzeitig erreichen würden. Den Mann konnte nichts und niemand davon abhalten, ihn zu töten. Bedivere riss sein Schwert nach oben, und König Johann machte sich auf den Hieb gefasst, der ihn nie traf. Denn Harald trat dazwischen und zerschnitt dem Angreifer von hinten die Kniesehnen. Der hünenhafte Landgraf brüllte vor Zorn, als die durchtrennten Beinmuskeln ihm plötzlich den Dienst versagten. Er schlug schwer zu Boden, das Schwert entglitt ihm, und König Johann sah grimmig zu, wie sich ein Dutzend Leibwächter auf den Wehrlosen stürzte und ihn immer wieder mit den Klingen durchbohrte. Sir Bedivere hatte Schaum vor dem Mund und versuchte noch im Sterben in die Schwerthände seiner Gegner zu beißen.
»Tut mir Leid, Vater«, sagte Harald. »Aber er hätte dich getötet.«
König Johann nickte kurz und richtete seine Aufmerksamkeit auf Sir Guillam. Der einzige Überlebende der drei Landgrafen starrte verzweifelt umher, das Schwert in der zitternden Hand. Johann fragte sich, warum der Mann nicht längst die Flucht ergriffen hatte, und erkannte im nächsten Moment, dass seit dem Angriff und Tod von Blays und Bedivere kaum eine Minute vergangen war. Er warf Guillam einen zornigen Blick zu und wandte sich dann müde ab. Es hatte genug Tote für einen Tag gegeben. Der König nickte den Wachen zu, die ihm am nächsten standen, und sie nahmen Haltung an.
»Bringt Sir Guillam weg«, sagte er schroff, und die beiden Männer traten entschlossen vor.
Guillam stieß einem Leibwächter die Klinge ins Herz und hatte dem zweiten die Kehle durchgeschnitten, noch ehe das erste Opfer zusammengesunken war. Einen Moment lang standen alle wie erstarrt. Der Angriff des Landgrafen war so blitzschnell erfolgt, dass man seine Bewegungen nur verschwommen erkennen konnte. Und dann schrie jemand auf, und alles geschah gleichzeitig. Als die Königliche Garde Sir Guillam einzukesseln versuchte, empfing er sie mit erhobenem Schwert und richtete ein mörderisches Blutbad an. Die meisten der Männer wurden niedergemäht, ohne je zu merken, was sie getötet hatte.
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