Ein Dämon flog auf ihre Kehle zu, und sie durchtrennte ihn mit einem einzigen Hieb. Das riesige Schwert in ihren Händen schien fast nichts zu wiegen, und die Schneide fuhr ohne jeden Ruck durch die Knochen des Dämons. Der Angreifer fiel, und Julia lachte hart, doch gleich daraufblieb ihr das Lachen im Hals stecken, als der zerstückelte Leichnam binnen Sekunden verrottete und zerfiel. Die nächsten Dämonen stürmten heran und lösten sich in Staub und Verwesungsgestank auf, sobald die Klinge sie berührte. Ein gelbes Leuchten, das an Siechtum und Scheiterhaufen erinnerte, umgab das Höllenschwert. Die Dämonen wichen verunsichert zurück, aber etwas zwang Julia, sie zu verfolgen und alles niederzumähen, was sich bewegte. Die Dämonen starben mit lautlos verzerrten Fratzen, als die Totenfäule sie zerfraß.
Hundsgif t, dachte Julia. So nennen die Hexen und Zauberer den blauen Eisenhut. Das magische Kraut, das Tod und Verdammnis bringt.
Erfüllt von blanker Mordlust, schwang sie das Schwert im Halbkreis hin und her und tötete alles, was in Reichweite der Klinge geriet. Die Dämonen starben grauenvoll, aber Julia empfand keine Spur von Mitleid. Sie kämpfte unerbittlich weiter, das Gesicht zu einem starren Grinsen verzerrt, und die Geschöpfe der Nacht fielen ihrem Angriff scharenweise zum Opfer. Ein kalter Funke glomm in ihren Augen. Es war ein gutes Gefühl, Dämonen zu verwunden, so wie sie andere verwundet hatten; Dämonen zu vernichten, so wie sie das Waldkönigreich vernichtet hatten. Das Schwert hob und senkte sich, und die Dämonen litten grässliche Qualen. Sie lachte laut, mit einer Stimme, die so schrecklich klang, dass sie ihr selbst fremd war.
Über das Kampfgetümmel hinweg hörte Harald deutlich das Splittern von Knochen, und dann sank sein Pferd unter ihm zusammen. Er hechtete gelenkig aus dem Sattel auf den blutgetränkten Boden, war mit zwei schnellen Sätzen bei dem grinsenden Dämon, der seinem Streitross das Bein gebrochen hatte, und durchbohrte ihn mit seiner Klinge. Das gestürzte Pferd wieherte und rollte angsterfüllt die Augen, als die Dämonen einen Kreis bildeten und näher kamen. Harald schob sein Schwert ein und zog Blitzstrahl. Die Angreifer zögerten.
Harald stieß die Klinge tief in das Herz seines Reittiers und wartete einen Augenblick, ehe er sie wieder herauszog. Eine scharlachrote Flamme züngelte über den scharf geschliffenen Stahl. Die Dämonen wichen ein Stück zurück. Harald verneigte sich kurz vor seinem toten Pferd. Er hatte das Tier von Anfang an sehr gemocht und sich gerade deshalb verpflichtet gefühlt, ihm die Qual des Sterbens zu verkürzen. Außerdem hatte er sein Blut benötigt, um das Zauberschwert zu aktivieren. Die Dämonen rotteten sich zusammen und stürmten plötzlich auf ihn zu. Harald trat ihnen entgegen, das Schwert in der Hand. Und wo immer Blitzstrahl einen Dämon berührte, sprühten Funken, und die Kreatur verbrannte in lodernden Flammen, bis nur noch ein Häufchen Asche übrig blieb. Das Schwert trank das Blut der Angreifer, und das Blut nährte die Flammen, die es aussandte. Harald schien es, als habe er das immer schon gewusst, und er begriff nicht, weshalb er plötzlich zögerte, die Waffe zu benutzen.
Er drang mutig auf die Dämonen ein und schlug Schneisen des Todes und der Vernichtung in ihre Reihen, aber die Überlegenheit bereitete ihm keine Freude. Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben spürte er, dass er die Ereignisse nicht mehr beherrschte. Er schüttelte unentwegt den Kopf, als könne er seine Gedanken so besser ordnen. Die Flammen des Höllenschwerts loderten immer heftiger, je mehr Dämonenblut es aufsog, bis Harald die Hitze, die von der Klinge abstrahlte, kaum noch ertragen konnte. Er hielt Blitzstrahl mit ausgestrecktem Arm von sich, und die roten Flammen schlugen immer höher. Das Schwert verdrängte die Finsternis, aber sein rötlicher Schein wirkte irgendwie bedrohlich. Dabei wusste Harald tief in seiner Seele, dass die Zauberklinge eben erst erwacht war und nur einen Bruchteil ihrer Macht entfaltete. Ringsum brannten die Dämonen wie groteske Fackeln, und der Schweiß, der dem Prinzen über das Gesicht rann, hatte seine Ursache nur zum Teil in der Hitze von Blitzstrahl.
König Johanns Schwert zersplitterte an den harten Schuppen eines Angreifers, und er warf den unbrauchbaren Stumpf mitten in die grinsende Dämonenfratze. Das Geschöpf wich einen Schritt zurück, und ehe es erneut auf ihn eindringen konnte, hatte der König Felsenbrecher gezogen und den Widersacher in zwei Teile gespalten. Das Langschwert lag unnatürlich leicht in seinen Händen, und ein goldener Schimmer umspielte die mächtige Klinge. König Johann hieb zornig auf die Dämonen ein, die sein Pferd umlagerten und ihn aus dem Sattel zu zerren versuchten. Die Schneide fuhr durch ihre Leiber, ohne dass er den geringsten Druck ausüben musste.
Der König runzelte nachdenklich die Stirn. Er war beeindruckt, aber er hegte den Verdacht, dass dieses Höllenschwert mehr zu bieten hatte als eine scharfe Klinge. Er spürte die alte Macht, die sich ungeduldig in dem Stahl regte und nur darauf wartete, dass er sie einsetzte. Ohne recht zu wissen, was er tat, schwang er sich aus dem Sattel und blieb unschlüssig neben seinem Streitross stehen. Das Tier bäumte sich so unvermittelt auf, dass ihm die Zügel entglitten, warf sich herum und stürmte auf die Sicherheit der Burg zu. Nach weniger als zehn Metern hatten es die Dämonen eingeholt und zu Boden gerissen. König Johann wandte sich ab, verfolgt von den Todesschreien des Pferdes, schwang Felsenbrecher hoch über den Kopf und stieß das Schwert tief in den Waldboden.
Die Erde teilte sich mit einem lauten Knirschen. Gezackte Risse breiteten sich nach allen Richtungen aus, hundert Meter und länger. Ein Ächzen drang aus der Tiefe, als sich der Grund in einer schwerfälligen Wellenbewegung hob und senkte. Dämonen stürzten in klaffende Spalten und wurden von nachrutschendem Geröll erdrückt. Etwas wälzte sich unruhig im Schlaf, ein fremder Koloss im dunklen Schoß der Erde, und stieß ein grässliches Geheul aus, als es unter dem unerbittlichen Gewicht des Waldbodens zermalmt wurde. Der König starrte mit grimmiger Genugtuung umher, befriedigt über die Zerstörung, die er angerichtet hatte. Doch dann verschwand sein triumphierendes Lächeln, als er sah, wie sich die Männer und Frauen seines eigenen Heeres aus den Spalten zu retten versuchten, ehe sich die Ränder wieder schlossen. König Johann zog Felsenbrecher mit einem Ruck aus dem Waldboden, und die aufgewühlte Erde kam wieder zur Ruhe.
In diesem Schwert steckt eine große Macht, dachte der König. Die Macht, die Erde selbst zu zerstören und neu zu gestalten. Die Macht, Berge abzutragen und an anderer Stelle auf zutürmen. Felsenbrecher.
Und erst sehr viel später kam ihm in den Sinn, wie viele seiner eigenen Untertanen durch diese Macht den Tod gefunden hatten.
Die Dämonen fielen zu hunderten unter den drei Schwertern der Hölle, aber immer noch strömten sie in Scharen aus dem Dunkel. Das Heer erreichte die Böschung des Burggrabens und verteidigte sich dort, so gut es das vermochte. Die Zugbrücke war hochgezogen worden. Man würde sie erst herunterlassen, wenn der König den Befehl zum Rückzug gab. Von den fünfhundertfünfzig Männern und Frauen, die König Johann in die Finsternis gefolgt waren, hatten keine hundert das Massaker lebend überstanden. Gleich in den ersten Minuten des Kampfes waren die Lanciers gefallen, zu Boden gerissen und niedergemetzelt von den anstürmenden Dämonenhorden. Auch die Mehrzahl der Bauern, Händler und Bürger war tot, dazu die Hälfte der Soldaten und Gardisten. Die Überlebenden scharten sich nun in einem trotzigen Haufen am Rand des gefrorenen Burggrabens und hieben mit ihren bluttriefenden Waffen verzweifelt auf die Angreifer ein.
Die Dämonen waren überall. Sie erfüllten die Nacht, und für jeden, der fiel, drängten neue Gegner nach.
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