Aber er war schon neugierig, auch wenn er es zu verbergen versuchte, und er plauderte weiter und bohrte dabei ganz schön hartnäckig. Mat hörte zu und beantwortete die Fragen mit einem Grunzen oder Achselzucken oder ein oder zwei Worten, während Thom noch weniger sagte. Der Gaukler schüttelte nur immer wieder den Kopf und verstaute seine Habseligkeiten.
Mallia war sein Leben lang Flußschiffer gewesen, obwohl er immer davon träumte, zur See zu fahren. Er sprach von fast allen Ländern außer Tear recht abwertend; nur Andor kam dabei noch besser weg, aber auch das Lob, das er schließlich herausbrachte, klang unwillig, obwohl er sich alle Mühe gab. »Gute Pferde in Andor, wie ich gehört habe. Nicht schlecht. Nicht so gut wie die in Tear, aber gut genug. Ihr macht guten Stahl und gute Eisenwaren, auch aus Bronze und Kupfer — ich habe das oft genug befördert, auch wenn eure Preise gesalzen sind —, aber ihr habt ja auch diese Bergwerke in den Verschleierten Bergen. Auch Goldminen. Wir in Tear müssen uns unser Gold verdienen.«
Am schlechtesten kam bei ihm Mayene weg. »Noch weniger ein Land zu nennen als Murandy. Eine Stadt und ein paar Meilen Land. Sie unterbieten den Ölpreis unserer guten Oliven, nur weil ihre Schiffer wissen, wie man die Ölfischschwärme aufspürt. Sie haben kein Recht, sich überhaupt eine Nation zu schimpfen.«
Er haßte Illian. »Eines Tages brandschatzen wir Illian und schleifen jede Stadt und jedes Dorf und säen Salz auf ihrem schmutzigen Boden.« Mallias Bart hätte wohl beinahe Funken gesprüht, so wütend war er auf dieses angeblich so schmutzige Land Illian. »Selbst ihre Oliven sind ranzig! Eines Tages legen wir jedes einzelne dieser illianischen Schweine in Ketten! Das sagt der Hochlord Samon auch!«
Mat fragte sich, ob der Mann darüber nachgedacht hatte, was Tear mit all diesen Gefangenen anfangen würde, sollte das einmal Wahrheit werden. Man würde den Illianern zu essen geben müssen, und in Ketten konnten sie nicht einmal arbeiten. Das ergab für ihn keinen Sinn, doch Mallias Augen glänzten, als er davon sprach.
Nur Narren ließen sich von einem König oder einer Königin regieren, also von einem einzigen Mann oder einer einzigen Frau. »Außer im Fall von Königin Morgase natürlich«, warf er hastig ein. »Wie ich gehört habe, ist sie eine gute Frau. Auch noch schön, wie man mir sagte.« Lauter Narren, die sich vor einem Narren verneigten. Die Hochlords regierten Tear gemeinsam, faßten gemeinsam ihre Entschlüsse, und so sollte es auch sein. Die Hochlords wußten schon, was richtig und gut und wahr sei. Besonders Hochlord Samon. Niemand handelte falsch, wenn er den Hochlords gehorchte. Besonders Hochlord Samon.
Doch von Königen und Königinnen und sogar von Illian abgesehen, haßte Mallia etwas noch mehr, auch wenn er das zu verbergen versuchte. Aber er redete soviel, um herauszufinden, was sie vorhätten, und der Klang seiner eigenen Stimme brachte ihn so auf Touren, daß er mehr herausließ, als er eigentlich wollte.
Sie mußten bestimmt viel herumreisen, wenn sie einer großen Königin wie Morgase dienten. Sie mußten auch schon viele Länder gesehen haben. Er träumte von der Seefahrt, denn so konnte er Länder sehen, von denen er vorher nur gehört hatte, und dann konnte er vielleicht die Ölfischschwärme der Mayener finden und das Meervolk und die dreckigen Illianer im Ölhandel ausstechen. Und das Meer war weit von Tar Valon entfernt. Das müßten sie doch verstehen, denn sie kamen doch auch auf ihren Reisen an Orte und zu Leuten, mit denen sie nichts zu tun haben wollten, außer halt auf Befehl von Königin Morgase.
»Es hat mir nie gepaßt, in Tar Valon anlegen zu müssen und nie zu wissen, wer vielleicht die Macht benützt.« Das Wort ›Macht‹ spie er beinahe aus. Aber seit er gehört hatte, was Hochlord Samon sagte... »Seng meine Seele, ich habe ein Gefühl, als hätte ich Würmer im Bauch, wenn ich nur ihre Weiße Burg sehe und weiß, was sie planen.«
Hochlord Samon hatte gesagt, die Aes Sedai planten, die ganze Welt zu erobern. Sie wollten alle Nationen vernichten und ihren Fuß an den Hals jedes braven Mannes setzen. Samon hatte gesagt, Tear könne nicht einfach nur die Macht vom eigenen Land fernhalten und ansonsten glauben, das reiche. Samon hatte gesagt, der Tag des Ruhms für Tear nähere sich, und Tar Valon stehe zwischen Tear und seinem ihm zustehenden Ruhm.
»Da gibt es keinen anderen Weg. Früher oder später muß jede Aes Sedai, bis hin zur letzten, gejagt und getötet werden. Hochlord Samon meint, die anderen könne man retten — die jungen, die Novizinnen, die Aufgenommenen —, wenn man sie in den Stein bringt, doch die anderen müssen ausgelöscht werden. Das sagt Hochlord Samon. Die Weiße Burg muß zerstört werden.«
Einen Augenblick lang stand Mallia mitten in der Kabine, die Arme voll mit Kleidungsstücken, Büchern und zusammengerollten Karten, sein Haar berührte beinahe die Deckenbalken, und so starrte er mit seinen blaßblauen Augen ins Leere, während die Weiße Burg zusammenstürzte. Dann fuhr er jedoch zusammen, da ihm wohl klar wurde, was er da gesagt hatte. Sein Spitzbart wackelte nervös.
»Das... das sagt er. Ich... ich für meinen Teil glaube, das geht vielleicht ein bißchen zu weit. Hochlord Samon... Er redet so, daß ein Mann manchmal übers Ziel hinausschießt. Wenn Caemlyn ein Bündnis mit der Burg abschließen kann, dann wohl auch Tear.« Er schauderte offensichtlich unbewußt. »Das meine ich jedenfalls.«
»Wie Ihr meint«, sagte Mat, und in ihm brodelte es. Er hätte den Mann am liebsten kräftig auf den Arm genommen. »Ich glaube, Kapitän, Euer Vorschlag trifft den Nagel auf den Kopf. Aber holt Euch nicht nur ein paar Aufgenommene. Bittet ein oder zwei Dutzend Aes Sedai, nach Tear zu kommen. Überlegt doch mal, wie mächtig der Stein von Tear wäre, wenn ihm zwei Dutzend Aes Sedai zur Verfügung stünden!«
Mallia schauderte erneut. »Ich schicke einen Mann nach meiner Geldtruhe«, sagte er steif und stolzierte hinaus.
Mat blickte finster auf die sich schließende Tür. »Ich glaube, das hätte ich nicht sagen sollen.«
»Ich weiß gar nicht, wie du darauf kommst«, meinte Thom trocken. »Als nächstes erzählst du sicher dem kommandierenden Lordhauptmann der Weißmäntel, daß er die Amyrlin heiraten soll.« Seine Augenbrauen sanken wie zwei weiße Raupen herunter. »Hochlord Samon. Ich habe noch nie von einem Hochlord Samon gehört.«
Nun war Mat mit dem gleichen trockenen Sarkasmus an der Reihe. »Na ja, selbst du kannst nicht alles darüber wissen, welche Könige und Königinnen und Adlige es gibt, Thom. Ein oder zwei könnten deiner Aufmerksamkeit entgangen sein.«
»Ich kenne die Namen aller Könige und Königinnen, Junge, und auch die sämtlicher Hochlords von Tear. Ich schätze, sie haben vielleicht einen der kleineren Lords vom Land erhoben, aber andererseits hätte ich davon gehört, wenn ein alter Hochlord gestorben wäre. Wenn du lieber ein paar arme Burschen aus ihrer Kabine geworfen hättest und nicht gerade den Kapitän, hätten wir jeder ein eigenes Bett, wenn auch vielleicht ein wenig eng und hart. Jetzt müssen wir uns Mallias Bett teilen. Ich hoffe, du schnarchst nicht, Junge. Ich kann Schnarchen nicht ausstehen.«
Mat knirschte mit den Zähnen. Wie er sich erinnerte, schnarchte Thom derart, daß es klang wie die Sägearbeit einer Kompanie Schreiner. Das hatte er vergessen.
Es war dann einer der beiden ungeschlachten Männer — entweder Sanor oder Vasa; seinen Namen nannte er nicht —, der kam und die eisenbeschlagene Geldtruhe des Kapitäns unter dem Bett hervorzog. Er sagte kein Wort, verbeugte sich nur knapp, blickte finster zu ihnen herüber, als er glaubte, sie bemerkten es nicht, und ging wieder.
Mat fragte sich langsam, ob das Glück, das ihm die ganze Nacht über hold gewesen war, ihn nun verlassen habe. Er mußte Thoms Schnarchen ertragen, und um die Wahrheit zu sagen, es war vielleicht doch nicht die allerbeste Wahl gewesen, ausgerechnet auf dieses Schiff zu springen und ein Dokument vorzuzeigen, das von der Amyrlin unterschrieben und mit der Flamme von Tar Valon gesiegelt war. Ohne weiteres Nachdenken zog er einen der zylindrischen Würfelbecher heraus, öffnete die Deckelklappe und kippte den Becher über dem Tisch aus.
Читать дальше