»Verflucht soll sie sein!« fauchte die Wettermagusch. Plötzlich hatte dieser Kampf eine persönlichere Note angenommen, denn Eilin mußte auch die Verantwortung für Davorshans Tod tragen, der seinerzeit Eliseths Geliebter gewesen war. »Der werde ich es schon zeigen.« Dann wandte sie sich wieder an ihre Söldner. »Tretet zurück«, befahl sie. »Ich werde mir einen Weg in diesen verfluchten Wald bahnen, und wenn ich jeden Baum einzeln zu Asche verbrennen muß!«
Ein zorniges Rascheln lief durch die Zweige des Waldes, als hätten die Bäume sie gehört und ihre Herausforderung angenommen. Sie werden schon sehen, was sie davon haben, dachte Eliseth grimmig. Sie hatte jedenfalls nicht die Absicht, sich von diesem Haufen Brennholz aufhalten zu lassen! Die Magusch trat ein gutes Stück von den Bäumen zurück, griff nach den niedrig am Himmel hängenden Sturmwolken über ihr, und gleich darauf rollte das dumpfe, dröhnende Echo eines Donners über das Tal hinweg. Mit einem Triumphschrei bog Eliseth ihre Finger zu Klauen und zog funkensprühende Blitze aus dem Himmel herunter.
Die Blitze schlugen zischend auf die Erde, trafen die Bäume in der Nähe des Waldrandes, ließen sie mit Hilfe durch die Luft fliegender Splitter explodieren und umschlangen sie mit einem brüllenden Flammenmeer. Eliseths Maguschsinne konnten die hohen, dünnen Schmerzensschreie auffangen, als das Feuer sich in Windeseile von einem Zweig zum nächsten ausbreitete. Mit einem kalten Lächeln, in dem das ganze Ausmaß ihrer Befriedigung lag, riß Eliseth Blitz um Blitz aus dem gequälten Himmel und entzündete die Bäume wie Fackeln. Als säße sie behaglich zu Hause an ihrem Kamin, streckte Eliseth die Hände aus, um sich an der schimmernden Hitze der Flammen zu wärmen. Da sie es gespürt hätte, wenn ein Magusch ums Leben gekommen wäre, mußte sie davon ausgehen, daß Aurian dem Feuer entkommen war, aber das spielte keine Rolle. Schon sehr bald würde sie sich mühelos ihren Weg in das Tal bahnen – und dann war endlich die Zeit gekommen, um alte Rechnungen zu begleichen.
Das Rebellenlager zu finden war für Vannor eine leichte Aufgabe. Genau wie sie es beim letzten Mal für ihn getan hatten, öffneten ihm die Bäume einen Pfad, der in die Richtung führte, die er einschlagen mußte. Der Rebellenführer sah sich um – und war plötzlich von Herzen glücklich, trotz der Gefahr, die auf sie lauerte und trotz des unheilvollen Rumorens des Sturmes über ihm. Er war also doch nicht nutzlos; sein Leben war doch nicht vorbei gewesen, als er seine Hand verloren hatte! Parric hatte ihm beigebracht, wie man mit der linken Hand kämpfte, und obwohl er zu klug war, um sein Leben jetzt schon diesen gerade erst erworbenen Fähigkeiten anzuvertrauen, hatte er seine erste Schlacht durchgestanden, ohne sich Schande zu machen oder sein Leben dabei zu verlieren. Abgesehen davon war der Ausdruck maßlosen Zorns auf Eliseths Gesicht, als sie ihn, Vannor, gesehen hatte, die ganze Mühsal wahrhaftig wert gewesen.
Überdies war Vannor froh, wieder in dem Tal zu sein, das ihm und seiner kleinen Schar von Rebellen Zuflucht gewährt hatte. Wie freute er sich doch darauf, sie alle wiederzusehen – vor allem Dulsina, die mittlerweile sicher ganz krank vor Sorge um ihn war. Zweifellos tat er gut daran, auf ein paar bissige Bemerkungen von ihrer spitzen Zunge gefaßt zu sein, die gewiß nicht ihresgleichen kannte. Vannor grinste. Er würde sie aussprechen lassen und sie dann so fest umarmen, daß sie keine Luft mehr bekam und ihn nicht länger beschimpfen konnte.
Mit vor Freude zwinkernden Augen wandte sich der Rebellenführer an Parric, der sich dafür entschieden hatte, neben ihm zu reiten, da er es sich nicht nehmen ließ, Vannors verletzliche rechte Seite zu decken. »Es ist wirklich schade, daß du durch deine Reise nach Süden all das, was bisher geschehen ist, verpaßt hast. Aber jetzt sag mir, was hältst du von unserem Wald?«
Der Kavalleriehauptmann sah ihn finster an. »Ehrlich gesagt, mag ich ihn überhaupt nicht«, erwiderte er zu Vannors großer Überraschung. »Ich hasse diese verfluchten Bäume – sie sind mir unheimlich. Bäume sollten, wenn du mich fragst, hübsch an ihrem Platz bleiben und nicht herumstreifen und Äste auf die Leute niederkrachen lassen, ganz egal, ob sie uns damit da draußen das Leben gerettet haben. Wer steckt hinter dieser ganzen Sache – hast du dir diese Frage jemals gestellt? Und wie sollen wir sicher sein, daß dieser jemand auch weiterhin auf unserer Seite stehen wird?«
»Ach, na komm schon, Parric«, protestierte Vannor. »Natürlich steht der Wald auf unserer Seite – er hat es von Anfang an getan, seit ich damals die Rebellen hierhergebracht habe und die Wölfe zusammen mit den Bäumen Angos und seine Söldner getötet haben.«
»Nun, selbst wenn das so ist«, wandte der Kavalleriehauptmann halsstarrig ein, »haben wir keine Garantie dafür, daß der Wald uns gegen Eliseth beschützen kann. Wenn du mir nicht glaubst, warum wirfst du dann nicht einen Blick hinter dich?«
Gehorsam schaute Vannor über die Schulter. Weit hinten, an der Ostgrenze des Waldes, hob sich eine dicke, schwarze Rauchsäule dem düsteren Himmel entgegen.
»Tharas Fluch soll sie treffen! Was stellt dieses Miststück Eliseth mit meinem armen Tal an?« In dem unirdischen Reich der Phaerie saß Eilin in dem seltsamen Palast des Waldfürsten und preßte ihr Gesicht an das geheimnisvolle Fenster, von dem aus man die Welt der Sterblichen betrachten konnte. Ihre Aufmerksamkeit war ganz auf die schrecklichen Ereignisse in ihrem Wald gerichtet, als sie hinter sich plötzlich den Klang hastiger Schritte hörte.
»Du hast mich rufen lassen?« In Hellorins Stimme schwang eine nicht zu überhörende Gereiztheit mit. Zweifellos war er es nicht gewohnt, daß man in seinem eigenen Land so herrisch nach ihm schickte. Eilin dagegen ließ sich nicht beeindrucken, da ihr Maguschtemperament hitzig genug war, um es mit den schlimmsten seiner Wutanfälle aufnehmen zu können. Sie lief auf ihn zu und zerrte ihn die Stufen zu dem großen, kreisförmigen Fenster hinauf.
»Sieh dir das an!« verlangte sie, und ihre Stimme brach fast vor Zorn und Gram. »Sieh nur, was da draußen geschieht! Nach all den Jahren, die ich dort gearbeitet habe, um das Tal wieder fruchtbar zu machen, zerstört Eliseth jetzt den Wald. O hör nur, wie die Bäume schreien! Ich habe ihre Schreie bis in meine Träume hinein vernommen, und als ich erwachte und hierherkam, um nachzusehen … Und wo steckt D’arvan? Warum läßt er das zu? Mein Fürst, wir müssen sie aufhalten!«
»Nur Mut, Eilin.« Hellorins Finger schlossen sich um ihre Schultern. In der Stimme des Waldfürsten lag grimmige Schärfe. »Wir können nichts tun, um sie aufzuhalten. Wir Phaerie sind hier gefangen, hilflos – es sei denn …« Plötzlich flammte ein seltsames, wildes Licht in den unergründlichen Tiefen seiner Augen auf. »Warum greift die abtrünnige Maguschfrau den Wald an? Meine Herrin, hast du daran gedacht, nach deiner Tochter Ausschau zu halten?«
»Aurian? Hier?« rief Eilin und führ herum, um noch einmal durch das Fenster zu schauen. Sie konzentrierte ihren Willen auf ihre Tochter, und das Bild des brennenden Waldes verschwand im Nebel. Als der Nebel sich hob, zeigte das Fenster ihr … »Gütige Götter – da ist sie! Sie ist auf dem Weg zu meiner Insel, zusammen mit Anvar und vielen Fremden.«
Plötzlich wurde Eilin grob zur Seite geschoben, und der Waldfürst preßte sein Gesicht an die Kristallscheiben, bevor er ein freudiges Gebrüll anstimmte. »Die Pferde! O Phaerie, in dieser frohen Stunde sind unsere Rösser zurückgekehrt!« Er drehte sich zu der Magusch um, und seine Augen leuchteten in einem Gesicht, das vor Erregung und wilder Freude brannte. »Eilin, das kann nur eines bedeuten! Deine Tochter ist gekommen, um das Flammenschwert für sich zu beanspruchen, wie es vorhergesagt wurde – und wenn sie es an sich nimmt, werden die Phaerie endlich, endlich wieder frei sein!«
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