John Norman - Der Geächtete von Gor

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Abenteuer in der Stadt der Frauen
Nach einem längeren Aufenthalt auf der Erde wird Tarl Cabot zum zweiten Mal nach GOR versetzt. Er findet seine Heimatstadt vernichtet, sein Vater ist verschwunden, seine geliebte Gefährtin verschleppt. Tarl Cabot macht sich auf, um sich an den Priesterkönigen zu rächen. Als er auf seiner Wanderschaft Tharna, die Stadt der Frauen, erreicht, gerät er in Gefangenschaft. Er nimmt den Kampf gegen die seltsame Gesellschaftsordnung auf. Doch wird es ihm gelingen, seinen Rachezug gegen die Priesterkönige fortzusetzen?

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Das Geräusch von Karawanenglocken ist in Tharna nichts ungewöhnliches mehr, und Scharen von Händlern haben ihren Weg zu den Toren der Stadt gefunden, um diesen überraschenden Markt auszunutzen.

Hier und dort präsentiert sich ein Tarnkämpfer in goldenem Wams. Am Markttag sah ich einen Bauern mit einem Sa-Tarna-Sack auf dem Rücken, dessen Sandalen mit Silberschnur versehen waren.

Ich habe Privatwohnungen gesehen, in denen Vorhänge aus Ar leuchten, und unter meinen Sandalen haben schon zuweilen die weichen, kostbaren Teppiche aus dem fernen Tor gelegen.

Es mag ein winziges Detail sein, am Gürtel eines Kunstschmieds eine Schnalle zu entdecken, die nach dem Stil des gebirgigen Thentis geformt ist, oder den köstlichen Geschmack getrockneter Aale aus Port Kar zu genießen — doch diese Dinge, so gering sie erscheinen mögen, sprechen von einem veränderten Tharna.

In den Straßen hörte ich Rufe, Lieder und Lärm, wie er auf Gor nicht typischer sein kann. Der Marktplatz ist jetzt nicht mehr nur eine gepflasterte Fläche, auf der man düster seinen Geschäften nachgeht. Er ist zu einem Ort geworden, an dem sich Freunde treffen, Einladungen austauschen, über Politik diskutieren und Wetter, Strategie, Philosophie und die Bändigung von Sklavenmädchen besprechen.

Eine interessante Veränderung, mit der ich mich nicht recht anfreunden kann, ist die Tatsache, daß von den hohen Brücken Tharnas die Geländer entfernt worden sind. Ich hielt das für sinnlos und sogar gefährlich, doch Kron hatte gesagt: »Wer die hohen Brücken fürchtet, soll ihnen fernbleiben.«

Ich sollte vielleicht auch erwähnen, daß die Männer Tharnas nun am Gürtel ihrer Tuniken zwei gelbe Schnüre tragen, die je etwa fünfzig Zentimeter lang sind. Schon an dieser Einzelheit können die Männer anderer Städte nun einen Einwohner Tharnas erkennen.

Am zwanzigsten Tage nach dem Frieden in Tharna wurde das Schicksal der Silbermasken verkündet.

Sie wurden ohne Masken, ohne Schleier und in Halsfesseln in die Arena der Schauspiele von Tharna geführt. Dort sollten sie das Urteil ihrer Tatrix Lara hören. Sie knieten vor ihr nieder — einst stolze Silbermasken, jetzt hilflose Gefangene, in demselben schimmernden Sand, auf dem so oft das Blut der Männer von Tharna vergossen worden war.

Lara hatte lange über ihr Urteil nachgedacht und sich mit vielen beraten, darunter auch mit mir. Schließlich traf sie ihre Entscheidung allein. Ich glaube nicht, daß mein Urteil so hart ausgefallen wäre, doch ich muß zugeben, daß Lara ihre Stadt und die Silbermasken besser kannte als ich.

Ich wußte natürlich, daß es nicht möglich war, die alte Ordnung wiederherzustellen, was im übrigen nicht wünschenswert war. Auch machte ich mir klar, daß Tharna nach der Beseitigung langjähriger Traditionen gar nicht mehr darauf eingerichtet war, für freie Frauen in seinen Mauern zu sorgen. Beispielsweise hatte es seit vielen Generationen die Einrichtung der Familie nicht mehr gegeben, die von der Trennung der Geschlechter und den öffentlichen Kinderheimen abgelöst worden war.

Auch darf nicht vergessen werden, daß die tharnaischen Männer, die während ihrer Revolution auf den Geschmack gekommen waren, nun ein Recht auf die Frauen geltend machten. Kein Mann, der eine Frau in einem Tanzkleid gesehen oder das Geräusch ihrer Glöckchen gehört oder ihr langes Haar gesehen hat, vermochte sein altes Leben wiederaufzunehmen.

Auch schien es nicht realistisch, den Silbermasken die Alternative des Exils zu bieten, denn das wäre gleichbedeutend gewesen mit Tod oder Sklaverei.

So war Laras Urteil unter den gegebenen Umstanden durchaus barmherzig — obwohl es von den gefesselten Gefangenen mit lauten Entsetzensschreien begrüßt wurde.

Jede Silbermaske erhält sechs Monate Frist. In dieser Zeit kann sie frei in der Stadt wohnen und sich von öffentlichen Mitteln ernähren, so wie es vor der Revolution geschehen ist. Doch in diesen sechs Monaten soll sie sich einen Mann Tharnas suchen, dem sie sich als Freie Gefährtin vorschlägt.

Wenn er sie nicht nimmt — und wenige Männer Tharnas werden Lust haben, einer Silbermaske die Privilegien einer Freien Gefährtenschaft zu gewahren —, mag er sie ohne weiteres als seine Sklavin nehmen oder sie völlig ablehnen. Wenn sie abgelehnt wird, kann sie sich in gleicher Weise anderen Männern Tharnas anbieten.

Nach Ablauf der sechs Monate jedoch — vielleicht hat sie sich ja gar keinen Herrn gesucht — wird ihr die Initiative abgenommen, und sie gehört dem ersten Mann, der ihr das dünne Band der Sklavenschaft um den Hals legt. In diesem Falle wird sie nicht anders behandelt als ein Mädchen, das auf dem Rücken eines Tarn aus einer fernen Stadt geraubt wurde.

Angesichts der Stimmung unter den Männern Tharnas gibt Laras Urteil den Silbermasken eine Zeitlang Gelegenheit, sich einen Herrn auszusuchen und dann anschließend selbst als Sklavin genommen zu werden. So wird jede Silbermaske nach Ablauf der Frist einem Manne gehören.

Viel mehr ist nicht zu berichten.

Kron bleibt in Tharna, wo er im Rate der Tatrix Lara einen hohen Rang bekleidet.

Andreas und Linna wollen die Stadt verlassen; er sagt, es gibt viele Städte auf Gor, die er noch nicht kennt, und er hofft, auf einem dieser Wege das Lied zu finden, nach dem er immer gesucht hat. Ich hoffe aus ganzem Herzen, daß seine Suche erfolgreich ist.

Das Mädchen Vera aus Ko-ro-ba wird zunächst in Tharna wohnen — als freie Frau. Da sie nicht aus Tharna stammt, ist sie von den Beschränkungen befreit, die den Silbermasken auferlegt wurden. Ob sie in der Stadt bleiben wird, weiß ich nicht. Sie ist eine Ausgestoßene wie ich und alle anderen Bürger aus Ko-ro-ba, und solche Menschen finden es zuweilen schwer, sich in einer fremden Stadt einzugewöhnen. Manchmal ziehen sie die Gefahren der Wildnis dem Schutz fremder Mauern vor. Auch mußte in Tharna die Erinnerung an Thorn für sie übermächtig sein.

Heute morgen habe ich mich von der Tatrix, der edlen und schönen Lara, verabschiedet. Ich weiß, was wir füreinander empfunden haben, doch unser Weg kann nicht der gleiche sein. Zum Abschied küßten wir uns. »Sei eine gute Herrscherin, sagte ich.

»Ich will mich Bemühen«, erwiderte sie. »Und sollte ich jemals wieder in Versuchung sein, stolz oder grausam zu regieren, werde ich daran denken, daß ich einmal für fünfzig silberne Tarnmünzen verkauft wurde und daß ein Krieger mich für eine Schwertscheide und einen Helm erwarb.«

»Für sechs Smaragde«, sagte ich. »Und den Helm«, sagte sie lachend. Ich sah die Tränen in ihren Augen. »Ich wünsche dir alles Gute, schöne Lara«, sagte ich. »Und ich dir, Krieger.«

Sie sah mich an und lachte ein wenig. »Und wenn die Zeit kommt, da du dir wieder ein Sklavenmädchen wünschst — denk an Lara, Tatrix von Tharna.«

Und damit trennten wir uns. Sie wird in Tharna herrschen, und ich beginne meine Reise in das Sardargebirge. Was ich dort finden werde, weiß ich nicht.

Über sieben Jahre habe ich mich nun schon mit den Geheimnissen beschäftigt, die dort in den Schluchten und Bergen verborgen liegen müssen. Ich habe an die Priesterkönige und ihre Macht gedacht, an ihre Raumschiffe und Helfer, an ihre Plane mit Gor und meiner Welt — doch vordringlich will ich erfahren, warum meine Stadt vernichtet und ihre Einwohner zerstreut wurden, warum keine zwei Steine je wieder übereinanderstehen dürfen; und ich muß wissen, was aus meinen Freunden, meinem Vater und meiner Geliebten Talena geworden ist. Doch ich suche mehr als die Wahrheit in diesem Gebirge — in mir lodert die Rache; ich bin der Mann, der die verschwundenen Menschen, die eingestürzten Mauern und Türme rächen kann, eine Stadt, die die Priesterkönige mit einem Stirnrunzeln bedacht haben — ich bin ein Krieger Ko-ro-bas! Ich suche mehr als die Wahrheit im Sardargebirge — ich will das Blut der Priesterkönige fließen sehen! Aber wie unsinnig diese Worte sind!

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