»Und doch wolltest du mich nicht behalten! Du hast mir gedroht, mich auf dem Sklavenmarkt von Ar zu verkaufen.«
Ich schwieg.
»Warum wolltest du mich nicht behalten?«
Es war eine kühne Frage für dieses Mädchen, das einmal Tatrix von Tharna war. »Meine Liebe gehört Talena, der Tochter Marlenus, der einmal Ubar Ars gewesen ist.«
»Ein Mann kann viele Sklavenmädchen haben«, sagte sie hochmütig. »Gewiß tragen in deinem Sklavengarten — wo immer der sein mag — viele Mädchen deinen Kragen.«
»Nein.«
»Du bist ein seltsamer Krieger ...«
Ich zuckte die Achseln.
Sie richtete sich vor mir auf. »Willst du mich nicht?«
»Dich zu sehen, heißt, dich zu wollen«, sagte ich.
»Dann nimm mich! Ich bin dein.«
Ich blickte zu Boden und suchte nach den passenden Worten.
»Ich verstehe dich nicht«, sagte ich.
»Tiere sind Narren!« rief sie aus.
Nach diesem unglaublichen Ausbruch trat sie an die Zeltbahn, klammerte sich an einen Vorhang und barg ihr Gesicht in den Falten. Schließlich wandte sie sich um. In ihren Augen standen Tränen. Ärgerlich sagte sie: »Du hast mich nach Tharna zurückgebracht.« »Um der Liebe meiner Freunde willen«, sagte ich. »Und wegen der Ehre!« »Vielleicht auch wegen der Ehre!« »Ich hasse deine Ehre!«
»Manche Dinge sind eben doch starker als die Schönheit einer Frau.« »Ich hasse dich!«
»Das tut mir leid.«
Lara lachte traurig auf und setzte sich, legte den Kopf auf die Knie. »Ich hasse dich gar nicht.«
»Ich weiß.«
»Aber ich habe ... ich habe dich gehaßt. Als Tatrix von Tharna haßte ich dich — sehr sogar.«
Ich antwortete nicht. Ich wußte, daß sie die Wahrheit sprach. Ich hatte das heftige Gefühl gespürt, mit dem sie sich gegen mich aufgelehnt hatte.
»Weißt du, Krieger, warum ich dich gehaßt habe?«
»Nein«, sagte ich.
»Weil ich dich wiedererkannte, als ich dich zum erstenmal sah — ich hatte dich in tausend verbotenen Träumen schon gesehen.« Sie schaute mich an. »In diesen Träumen war ich die stolze Tatrix meiner Stadt, umgeben von meinem Rat und meinen Kriegern. Und plötzlich kam ein gewaltiger Tarn durch die Decke herabgestiegen, die wie Glas zerbrach, ein riesiger Tarn mit einem behelmten Krieger. Er löste meinen Rat auf, zerschlug meine Armeen und entführte mich im Sattel seines Tarn in seine Stadt, wo ich — die stolze Tatrix von Tharna — sein Brandzeichen und seinen Kragen tragen mußte.«
»Du darfst diese Träume nicht fürchten«, sagte ich.
»Und in seiner Stadt«, fuhr das Mädchen mit leuchtenden Augen fort, »legte er mir Glöckchen um die Knöchel und kleidete mich in Tanzseide. Mir blieb gar nichts anderes übrig, ich mußte ihm gehorchen. Und wenn ich nicht mehr tanzen konnte, nahm er mich in die Arme und zwang mich, wie ein Tier seinem Vergnügen zu dienen.«
»Ein grausamer Traum«, sagte ich.
Sie lachte, und auf ihrem Gesicht leuchtete die Scham. »Nein«, sagte sie, »der Traum war gar nicht grausam.«
»Ich verstehe nicht.«
»In seinen Armen lernte ich etwas, das Tharna uns nicht lehren konnte. In seinen Armen lernte ich es, an der heißen Flamme seiner Leidenschaft teilzunehmen. In seinen Armen lernte ich Berge und Blumen kennen und hörte den Schrei wilder Tarns und spürte die Klauenberührung eines wilden Larls. Zum erstenmal in meinem Leben kamen meine Sinne zu ihrem Recht — zum erstenmal spürte ich die Bewegung der Kleidung an meinem Körper, zum erstenmal sah ich, wie sich ein Auge öffnet, spürte, wie sich die Berührung einer Hand wirklich anfühlt — und da wußte ich, daß ich nicht mehr oder weniger war als dieser Mann oder jedes andere lebendige Wesen auf dieser Welt, und ich liebte ihn!«
Ich schwieg.
»Ich hätte seinen Kragen nicht um alles Gold und Silber Tharnas aufgegeben, nicht um alle Steine ihrer grauen Mauern!«
»Aber du warst doch gar nicht frei in deinem Traum«, sagte ich. »War ich denn frei in Tharna?«
Ich starrte auf das verschlungene Teppichmuster und schwieg. »Natürlich«, fuhr sie fort, »unterdrückte ich als eine Frau, die die Maske Tharnas trug, diesen Traum. Ich haßte ihn. Er entsetzte mich. Er besagte, daß sogar ich, die Tatrix der Stadt, die unwürdige Natur eines Tieres hatte.« Sie lächelte. »Als ich dich dann sah, glaubte ich, in dir den Krieger meines Traums wiederzuerkennen. Also haßte ich dich und wollte dich vernichten, weil du mich und meine Stellung bedrohtest, und während ich dich haßte, fürchtete ich dich auch — und ich sehnte mich nach dir.«
Ich blickte überrascht auf.
»Ja«, sagte sie, »ich sehnte mich nach dir.« Sie senkte den Kopf, und ihre Stimme war so leise, daß ich sie kaum noch verstehen konnte. »Obwohl ich Tatrix von Tharna war, wollte ich dir zu Füßen liegen, wollte ich mit gelben Schnüren auf rotem Teppich gebunden werden.«
Ich erinnerte mich daran, daß sie im Ratssaal Tharnas schon einmal von gelben Schnüren gesprochen hatte.
»Was hat es mit dem Teppich und den gelben Schnüren auf sich?« »In den alten Zeiten waren die Verhältnisse noch anders in Tharna.« Im Zelt des Sklavenhändlers berichtete mir Lara nun aus der seltsamen Geschichte ihrer Stadt. Zu Anfang hatte sich Tharna kaum von anderen goreanischen Städten unterschieden, in denen Frauen keinerlei Vorrangstellung und schon gar keine Rechte genossen. Damals waren die Riten der Unterwerfung praktiziert worden, bei denen die Gefangene mit gelben Schnüren gefesselt und auf einen roten Teppich gelegt wurde. Die gelbe Farbe der Schnüre war ein Symbol für die Talenderblume, die oft mit weiblicher Liebe und Schönheit gleichgesetzt wurde, und das Rot des Teppichs entsprach wohl der Farbe des Blutes, ein Symbol für die Leidenschaft.
Der Sieger über das Mädchen legte ihr das Schwert auf die Brust und sprach den vorgeschriebenen Versklavungsspruch — die letzten Worte, die das Mädchen als freie Frau hören würde.
Wenn der Sieger das Mädchen schließlich freigab und den Ritus vollendete, wenn sie dann aufstand und ihm folgte, war sie in seinen und ihren Augen eine Sklavin.
Mit der Zeit gerieten diese grausamen Riten in Vergessenheit, und die Frauen Tharnas gewannen an Bedeutung, wurden Vernünftiger und menschlicher behandelt. Durch ihre Liebe und Zärtlichkeit lehrten sie ihre Herren, daß auch sie des Respekts und der Zuneigung wert waren. Und je mehr die Sklavinnen ihren Herren am Herzen lagen, desto geringer wurde der Wunsch, sie zu demütigen, denn nur wenige Männer vermögen eine Frau zu erniedrigen für die sie echte Gefühle empfinden. Und als sich der Status der Frauen verbesserte und weniger klar definiert war, begannen sich auch die feinen Spannungen der Beherrschung und Unterwerfung, die in der tierischen Welt vom Instinkt beherrscht werden, zu ändern.
Das Gleichgewicht der gegenseitigen Wertschätzung ist stets sehr empfindlich, und es ist statistisch unmöglich, daß es sich in einer ganzen Bevölkerung lange halt. Entsprechend begannen die tharnaischen Frauen — vielleicht zunächst unbewußt — die Gelegenheit zu nutzen, die ihnen durch die Kindererziehung und durch die Liebe geboten wurde, und im Laufe der Generationen vermochten sie ihre Stellung sehr zu verbessern — wobei sie sich aller Mittel bedienten.
Mit der Zeit gewannen die spezifischen Fähigkeiten, die die Natur der Frau mitgegeben hat, die Talente des Mannes zu überwiegen — bewirkt durch die Erziehung der Jugend und die Kontrolle über die Bildung. Und so wie es in unserer Welt möglich ist, eine ganze Bevölkerung zu Dingen zu erziehen, die für andere Völker völlig undenkbar und absurd sind, festigte sich bei den Männern und Frauen Tharnas nach und nach der Glaube an die Überlegenheit der Frau — der Weg zu ihrer Herrschaft war eingeschlagen. So geschah es, daß den Frauen von Tharna am Ende der Entwicklung die unangefochtene Führung zufallen konnte. Obwohl diese Situation einige Generationen hindurch sozial vertretbar erscheint, ist sie auf lange Sicht nicht gerade förderlich für das menschliche Glück. Auch ist nicht klar, ob ihr die Männerherrschaft in den meisten übrigen goreanischen Städten vorzuziehen ist, die sicherlich auch ihre negativen Seiten hat. In einer Stadt wie Tharna werden die Männer, die sich von ihrer Erziehung her als Tiere und minderwertige Lebewesen verstehen, kaum den nötigen Selbstrespekt entwickeln, der die volle Männlichkeit fordert. Aber was noch seltsamer ist — auch die Frauen scheinen mit dem System nicht ganz zufrieden zu sein. Obwohl sie die Männer verachten und sich gegenseitig wegen ihres höheren Ranges begluckwünschen, will es mir scheinen, daß sie auch wenig Respekt vor sich selbst haben. Im Haß auf ihre Männer hassen sie sich selbst.
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