Das Brandzeichen ist etwas anderes als der Kragen, obwohl beide ein Zeichen für die Sklaverei sind. Der Kragen ist in erster Linie ein Nachweis über den Herrn des Sklaven und seine Heimatstadt. Im Leben eines Mädchens kann der Kragen unzählige male wechseln, wahrend das Brandzeichen unverändert bleibt und ihren Status angibt. Das Mal liegt gewöhnlich unter dem kurzen Sklavenrock versteckt. Es besteht bei den Mädchen aus einem anmutig geschwungenen Zeichen, der Anfangsbuchstabe des goreanischen Wortes für Sklave. Wird ein Mann gebrandmarkt, wird der gleiche Buchstabe in etwas anderer Form benutzt.
Der Mann am Feuer bemerkte mein Interesse an dem Mädchen, trat neben sie, ergriff ihr Haar und zerrte den Kopf in die Höhe, damit ich besser ihr Gesicht sehen konnte. »Ein hübsches Ding, nicht wahr?« fragte er.
Ich nickte und fragte mich, warum mich die blauen Augen so angstvoll anstarrten.
»Vielleicht mochtest du sie kaufen?« fragte der Mann.
»Nein«, erwiderte ich.
Der untersetzte Mann blinzelte mir mit seinem einen Auge zu. Verschwörerisch flüsterte er: »Sie ist noch nicht trainiert. Und sie ist wild wie ein Sleen.«
Ich lächelte.
»Aber das Eisen treibt ihr das aus.«
Das bezweifelte ich noch.
Ich holte eines der Eisen aus dem Feuer. Es war rotglühend.
Beim Anblick des erhitzten Metalls begann das Mädchen wieder zu schreien. Sie zerrte an ihren Fesseln.
Der untersetzte Mann stieß das Brandeisen noch einmal ins Feuer. »Sie ist laut«, sagte er beschämt. Dann warf er einen Blick in meine Richtung, zuckte die Achseln, als wollte er mich um Entschuldigung bitten, trat neben das Mädchen und nahm eine Handvoll langes Haar. Er drehte es zu einem kleinen, festen Ball zusammen und schob ihn ihr plötzlich in den Mund. Das Haar dehnte sich sofort aus, und ehe sie es wieder ausspucken konnte, hatte er weiteres Haar um ihren Kopf gelegt und festgebunden, so daß sie ihren Mund nicht mehr freibekam. Stumm rang das Mädchen mit dem Knebel, doch es war sinnlos. Ein Trick der Sklavenhändler. Ich wußte, daß auch manche Tarnkämpfer ihre Gefangenen auf diese Weise bändigten.
»Tut mir leid, wildes Ding«, sagte der Mann, »aber wir wollen doch nicht, daß Targo mit seiner Peitsche kommt und uns beiden Zunder gibt, nicht wahr?«
Leise schluchzte das Mädchen und ließ den Kopf Hängen.
Geistesabwesend summte der Mann ein Karawanenlied vor sich hin, wahrend er darauf wartete, daß das Eisen die richtige Hitze hatte. Ich wußte nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich war herbeigeeilt, um das Mädchen zu befreien, es zu beschützen. Nun mußte ich feststellen, daß sie nur eine Sklavin war und daß ihr Eigentümer — was auf Gor durchaus Routine war — sich daranmachte, sie als seinen Besitz zu kennzeichnen. Hatte ich sie nun befreien wollen, wäre das ebenso ein Diebstahl gewesen, als wenn ich versucht hatte, mit dem Tharlarionwagen davonzufahren.
Außerdem hegten die Männer keine feindlichen Gefühle für das Mädchen. Sie war nur eines von vielen an ihrer Kette, vielleicht weniger gut trainiert und weniger fügsam als die anderen. Sie Waren allenfalls ungeduldig mit ihr und meinten, sie rege sich zu sehr auf. Ihre Gefühle, ihre Erniedrigung und Scham verstanden sie jedenfalls nicht. Vermutlich meinten sogar die anderen Mädchen, daß sie zu viele Umstände mache. Mußte eine Sklavin das Brandeisen nicht hinnehmen? Und die Peitsche?
Ich sah die anderen Sklavenmädchen in einiger Entfernung sitzen. Sie lachten und unterhielten sich, bewegten sich wie freie Mädchen. Auf den ersten Blick war die Kette, die ihre Knöchel Verband, nicht zu sehen. Sie endete an einem Baum, wo sie sorgsam festgemacht war.
Gleich mußten die Brandeisen bereit sein.
Das Mädchen, das hilflos in ihren Ketten hing, würde das Brandzeichen erhalten.
Ich hatte mich zuweilen schon gefragt, welchen Sinn solche Brandzeichen hatten. Sicher hatten die Goreaner andere Möglichkeiten, den menschlichen Körper unverkennbar zu kennzeichnen — und das auf schmerzlose Weise. Meine Vermutung, die zum Teil durch meinen alten Waffenmeister, den Älteren Tarl, bestätigt wurde, ging dahin, daß das Brandzeichen vordringlich wegen der psychologischen Wirkung angebracht wurde.
Nach der Theorie kann ein Mädchen, das plötzlich wie ein Tier gebrandmarkt wird, dessen helle Haut plötzlich vom Eisen ihres Herrn entstellt ist, nicht um das innere Gefühl herum, daß sie jetzt ein Gegenstand des Besitzes ist, etwas, das dem Wesen gehört, das ihr dieses brennende Eisen an den Schenkel gedrückt hat.
Wahrscheinlich hängt die Wirkung des Brandzeichens weitgehend von dem Mädchen ab. Manche werden es nur als ein weiteres Zeichen ihrer Scham, ihres Elends und ihrer Erniedrigung sehen. Andererseits kenne ich Fälle, da eine stolze, wehrhafte Frau, womöglich von großer Intelligenz, die sich stets gewehrt hatte, bei der Berührung des Brandeisens zu einer leidenschaftlichen und gehorsamen Vergnügungssklavin wurde.
Alles in allem weiß ich nicht, ob das Brandzeichen vorwiegend um der psychologischen Wirkung willen verwendet wird oder nicht. Vielleicht handelt es sich nur um eine Kennzeichnung der Händler, die eine Möglichkeit haben müssen, entlaufene Sklaven aufzuspüren, da ihr Beruf sonst mit einem nicht zu vertretenden Risiko behaftet wäre. Manchmal glaube ich auch, das Brandeisen ist nur ein unschönes Überbleibsel aus einer weniger fortschrittlichen Zeit.
Eines war jedenfalls klar. Das arme Wesen hier wollte das Brandeisen nicht.
Ich hatte Mitleid mit ihr.
Der Helfer des Sklavenhändlers zog ein Eisen aus dem Feuer. Mit seinem gesunden Auge musterte er es abschätzend. Es war weißglühend. Er nickte.
Das Mädchen drückte sich gegen den Baum, und ihr Rücken schabte über die rauhe weiße Rinde. Mit Fuß- und Handgelenken wehrte sie sich gegen die Umklammerung der Sklavenfesseln. Sie atmete keuchend. Ihr ganzer Körper bebte, und Entsetzen stand in ihren Augen. Sie begann zu wimmern.
Der Sklavenhelfer legte den linken Arm um ihren rechten Schenkel und hielt ihn umklammert. »Nicht rühren, mein Schatz«, sagte er nicht ohne Freundlichkeit. »Du darfst das Zeichen nicht verwischen.« Er sprach langsam auf das Mädchen ein, als wollte er es beruhigen. »Du wünschst dir doch ein klares, hübsches Zeichen, nicht? Dadurch wird dein Preis höher, und du bekommst einen besseren Herrn.«
Das Eisen wurde nun angehoben, war zum Zustoßen bereit.
Ich sah, daß sich einige der kurzen goldenen Haare auf ihrem Schenkel zusammenrollten und versengt wurden.
Sie schloß die Augen und stählte sich gegen den unvermeidlichen Schmerz.
»Laß das«, sagte ich.
Der Mann starrte mich verwundert an.
Die entsetzten Augen des Mädchens öffneten sich, musterten mich fragend.
»Warum nicht?« fragte der Mann.
»Ich kaufe sie«, sagte ich.
Der Helfer des Sklavenhändlers stand auf und sah mich neugierig an. Er wandte sich zu den Zelten um. »Targo!« brüllte er. Dann stieß er das Brandeisen wieder in die Kohlen.
Das Mädchen sank in ihren Fesseln zusammen. Sie hatte das Bewußtsein verloren.
Zwischen den runden Zelten erschien ein kleiner dicker Mann in einem weiten Umhang aus buntgestreifter Seide und einem Kopfband aus dem gleichen Material: Targo, der Sklavenhändler, Herr über diese kleine Karawane. Targo trug purpurne Sandalen, deren Senkel mit Perlen besetzt waren. Seine dicken Finger waren voller Ringe, die bei jeder Handbewegung glitzerten. Um seinen Hals trug er nach Art eines Hausmeisters durchstochene Münzen an einem Silberdraht. An seinen Ohrläppchen hingen gewaltige Ohrringe, Saphirpendants an goldenem Stengel. Sein Körper war frisch eingeölt, und ich nahm an, daß er sich bis eben in seinem Zelt gewaschen hatte — ein Vergnügen, das sich Karawanenherren am Ende eines langen, staubigen Tages mit Vorliebe gönnten. Sein Haar, lang und schwarz unter der blaugelben Seide, war fettig und glattgestriegelt. Es erinnerte mich an den schimmernden Pelz eines Haus-Urts.
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