Doch plötzlich hörte ich ein metallenes Schnappen neben mir. Arn stieß einen Schmerzensschrei aus und fiel nach vorn. Um sein rechtes Fußgelenk zogen sich die scharfen Stahlbänder einer Sklavenfalle.
Ich wußte, daß er verloren war. Trotzdem zerrte ich verzweifelt an der schweren Kette des Geräts, die zu einem tief eingerammten Pfosten führte. Hoffnungslos.
Ich warf Arn einen letzten Blick zu und stolperte weiter. Dabei verlor ich immer mehr die Orientierung. Ich rannte gegen einen Baum, brach mir durch das Unterholz Bahn. Mir war schwindlig, und ich konnte kaum noch etwas sehen. Ich weiß nicht mehr, wie weit ich gekommen bin. Jedenfalls lag ich plötzlich am Boden und versuchte mir einzureden, ich müßte unbedingt wieder aufstehen.
Doch ich schaffte es nicht mehr.
Als ich die Augen öffnete, sah ich die Füße mehrerer Panthermädchen neben mir. Dann verlor ich das Bewußtsein.
Ich erwachte und konnte mich nicht mehr bewegen.
Ich lag in der Mitte einer runden Lichtung. Ringsum ragten mächtige Turbäume auf. Sterne standen am Himmel. Gras wuchs auf der Lichtung, an deren Rand ich einen kurzen Sklavenpfosten entdeckte.
»Er ist wach«, sagte eine Mädchenstimme.
Eine Frau in kurzem Pantherfell näherte sich. Sie trug goldene Schmuckstücke an den Arm- und Fußgelenken und um den Hals. An ihrem Gürtel hing ein Sleenmesser.
Ich zerrte an meinen Fesseln, doch man hatte mich fachmännisch verschnürt.
»Sei gegrüßt, Sklave«, sagte das Panthermädchen und lachte.
Sie war eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen hatte. Sie mochte der Verbindung einer Vergnügungssklavin mit einem Panther entsprungen sein – so begehrlich und katzenhaft war ihr Körper. Ich hatte keinen Zweifel, daß sie die Schlauheit eines Panthers besaß und ebenso stolz und hochmütig war.
»Ich bin ein freier Mann«, sagte ich, »und verlange das Recht des Gefangenen.«
Sie nahm einen Speer und fuhr mir mit der Spitze über Brust und Bauch. »Töricht von euch, den Wein zu trinken«, sagte sie.
»Ja.«
»Mein Lager hat schon mehr als einmal als Sklavenfalle gedient.«
Wütend zerrte ich an meinen Fesseln.
»Du bist weiter gekommen als je ein Sklave zuvor. Du bist stark.«
Ich hatte keine Zweifel, daß Verna zu mir sprach, die unbestrittene Anführerin der Panthermädchen in diesem Teil des Waldes. Von ihr hing es ab, was mit mir geschehen würde.
Ein anderes Mädchen trat hinter sie. Ich erkannte Mira, die mit mir in meinem Lager verhandelt hatte. Sie und Verna setzten sich mit untergeschlagenen Beinen neben mich.
»Wie heißt du?« fragte Verna.
»Wo sind meine Leute?« fragte ich zurück.
»Du wirst gefälligst meine Fragen beantworten!«
Ich spürte die Klinge eines Sleenmessers an der Kehle.
»Ich bin Bosk«, sagte ich, »von der Austauschinsel Tabor.«
»Du bist aufgefordert worden, nicht in den Wald zurückzukehren«, sagte sie und spielte mit dem Messer.
Ich schwieg. »Wo sind meine Männer?« wiederholte ich.
»In Ketten.«
»Was habt ihr mit uns vor?«
»Was bedeutet dir Talena?« gab sie zurück.
»Habt ihr sie gefangen?«
Wieder spürte ich das Messer an der Kehle.
»Vor langer Zeit waren wir einmal Gefährten.«
»Ach, und jetzt wolltest du die Gefährtenschaft erneuern, ja? Sie wäre sicher eine ausgezeichnete Partie für dich, nicht wahr?«
»Sie ist die Tochter eines Ubar!« rief ich.
»Ja, aber wir haben sie die Sklaverei gelehrt!« sagte Verna. »Ich würde dir empfehlen, sie zu vergessen. Sie ist deiner nicht mehr würdig.«
Knurrend bäumte ich mich in den Fesseln auf.
»Wie wild der Sklave ist!« rief Verna spöttisch. »Aber ich will dir etwas erzählen. Mit meiner Erlaubnis hat Talena einen Brief an Marlenus geschrieben, ihren Vater. Darin flehte sie ihn an, er möge sie freikaufen.«
Ich legte mich mit geschlossenen Augen zurück.
»Nur Sklaven bitten, gekauft zu werden«, sagte Verna spöttisch.
Und damit hatte sie recht. Nach einem ungeschriebenen Gesetz Gors hatte sich Talena durch diesen Brief als Sklavin bestätigt.
»Marlenus«, fuhr Verna fort, »hat den Brief zerknüllt und fortgeworfen. Dann hat er seine Männer aus dem Wald abgerufen.«
»Marlenus ist fort?« fragte ich.
»Er ist nach Ar zurückgekehrt.«
»Das stimmt«, schaltete sich Mira ein, die neben Verna saß. »Ich selbst habe den Brief zu Marlenus gebracht und mit eigenen Augen gesehen, wie die Männer abgerückt sind.«
»Das kann ich nicht glauben«, sagte ich.
»Erzähl«, sagte Verna zu Mira, »was du sonst noch in Marlenus’ Lager erlebt hast.«
»Marlenus legte eine Hand auf den Schwertgriff und die andere um das Medaillon Ars und verstieß seine Tochter.«
Ich hielt entsetzt den Atem an.
»Ja!« lachte Verna. »Nach den Gesetzen der Krieger und der Stadt Ar ist Talena nicht mehr die Tochter von Marlenus!«
Ich war sprachlos. Sie hatte recht – und was Marlenus getan hatte, ließ sich nicht wieder rückgängig machen. Sie war in Schande seines Hauses verwiesen worden. Nach dem Gesetz und in den Augen der Goreaner hatte Talena nun keine Familie mehr. Sie war nicht mehr die begehrenswerteste Frau auf Gor – sondern nur noch eine Sklavin unter vielen.
»Weiß Talena davon?« fragte ich.
»Natürlich«, sagte Verna. »Wir haben sie sofort informiert und ihr auch eine schriftliche Urkunde mit Marlenus’ Siegel vorgelegt. Bald werden entsprechende Anschläge in allen größeren goreanischen Städten angebracht.«
»Was ist mit Talena?« fragte ich.
»Sie versieht ihre Pflichten als Sklavin. Sonst würde sie ausgepeitscht. Na, und was für eine Partie hoffst du nun mit ihr zu machen?«
Ich schwieg. Talena war eine namenlose Sklavin, ein Niemand.
»Willst du sie sehen?« fragte Verna.
»Nein«, sagte ich. »Was habt ihr mit ihr vor?«
»Sie hat keinen großen Wert mehr«, erwiderte das Panthermädchen. »Wir werden sie an eine Austauschstelle schaffen und verkaufen – wahrscheinlich als Vergnügungssklavin nach Tyros. Da brächte sie noch den besten Preis.«
Damit hatte sie zweifellos recht.
»Jedenfalls möchte ich dir empfehlen«, fuhr sie fort, »dir das Mädchen aus dem Kopf zu schlagen. Sie ist eine Sklavin und hat es bei uns Panthermädchen gelernt, die Männer zu verachten. Um so schlimmer wird später die Erkenntnis für sie sein, daß sie den Männern dennoch dienen muß.«
Verna steckte den Dolch ein und stand auf.
»Warum wart ihr heute früh nicht im Lager?« fragte ich.
»Du hast dich sehr geschickt angestellt – aber wir verfolgten zufällig ein feindliches Panthermädchen. Es gehörte Huras Bande an, die uns unser Gebiet streitig machen will. Ihr Glück, daß du sie zur Sklavin gemacht hast.« Sie lachte. »Wir haben gesehen, wie du sie fingst. Du verstehst mit dem Bogen umzugehen.«
»Dann seid ihr mir gefolgt?« fragte ich.
»Wir hatten vorübergehend deine Spur verloren. Du bist sehr gewandt. Außerdem wollten wir uns vor deinen Pfeilen in acht nehmen. Aber wir wußten, daß du das Lager früher oder später finden und angreifen würdest. Und da haben wir dir ein kleines Weingeschenk zurückgelassen.«
»Sehr weitblickend.«
»Wie hieß das Mädchen, das du im Wald gefangennahmst?« wollte Verna wissen.
»Grenna.«
Verna nickte. »Ich habe von ihr gehört. Sie bekleidet in Huras Bande einen hohen Rang. Geschieht ihr recht. Jedes Panthermädchen, das sich von Männern besiegen läßt, verdient den Kragen.«
»Wie man hört, geben Panthermädchen ausgezeichnete Sklavinnen ab«, sagte ich und dachte dabei an Sheera.
Verna versetzte mir einen heftigen Tritt.
»Schweig, Sklave!«
Ich lächelte. »Angeblich gebietet Hura über hundert Mädchen.«
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