»Ich doch nicht!« rief der Dicke.
Der Behelmte musterte sein Gegenüber drohend.
»Vielleicht können sich die edlen Herren mit Gold zufriedengeben«, sagte der Kaufmann. »Viel Gold?«
Der große Mann streckte die Hand aus.
Der Dicke legte etliche Goldstücke hinein. »Das ist mehr als die doppelte Gebühr«, stellte er fest.
Der große Mann ließ das Gold in seinem Gürtelbeutel verschwinden. »Welche Mädchen hier im Raum stammen von der Wolke von Telnus?«
Der dicke Mann zitterte. »Zwei«, flüsterte er.
»Zeig sie mir«, befahl der Wortführer.
Der dicke Mann führte seine Besucher zu mir und einem brünetten Mädchen, das neben mir angekettet war; es hatte sich in einem Deckskäfig befunden und daher auf seinen Haarschmuck nicht verzichten müssen. Es trug das normale Kajirabrandzeichen.
»Kommt ihr beide von der Wolke von Telnus?« fragte uns der große Mann.
»Ja, Herr«, gaben wir Auskunft.
Gereizt beugte der Mann sich zu uns nieder. Einer seiner Begleiter trug die grüne Kleidung eines Arztes. Er musterte uns ganz intensiv.
»Laß die Lampe hier und zieh dich zurück«, sagte der große Fremde zu dem Händler. »Und gib uns die Schlüssel zu den Ketten.«
Furchtsam gehorchte der Kaufmann und verließ den Raum.
Die Männer hockten sich um das brünette Mädchen. Ich hörte, wie einer ihrer Armreifen aufgeschlossen wurde.
»Wir müssen feststellen, ob du die Pocken hast«, sagte der Arzt. Das Mädchen stieß einen Entsetzensschrei aus. Ich hoffte, daß niemand an Bord der Wolke von Telnus diese Krankheit gehabt hatte. Sie wird durch Läusebiß übertragen. Vor etwa vier Jahren waren die Pocken in Bazi ausgebrochen, woraufhin dieser Hafen zwei Jahre lang geschlossen gewesen war.
»Sie ist es nicht«, sagte der Arzt.
»Habe ich keine Pocken, Herr?« fragte das Mädchen neben mir.
»Nein«, antwortete der Arzt unwillig.
Der große Fremde kettete das andere Mädchen wie der an, und die Männer wandten sich mir zu. Ich drückte mich an die Wand. Mein linkes Handgelenk wurde aus der Fessel genommen, und der große Mann zog meinen Arm gerade und drehte ihn herum.
Plötzlich erkannte ich, daß es diesen Männern gar nicht um die Pocken ging, die zuletzt vor zwei Jahren in Bazi aufgetreten waren.
Der Arzt befeuchtete meinen Arm mit einer farblosen Flüssigkeit. Zu meiner Verblüffung und zur Freude der Männer erschien plötzlich wie durch Zauberhand ein Satz in winzigen säuberlich gemalten hellroten Buchstaben. Die Schrift befand sich auf der Innenseite meines Ellenbogens. Ich wußte, was die Worte bedeuteten, denn Lady Elicia aus Ar hatte es mir gesagt. Es handelte sich um einen ganz einfachen Satz: ›Dies ist sie.‹ Die Buchstaben waren mit einem winzigen Pinsel auf meine Haut gemalt worden, ebenfalls mit farbloser Flüssigkeit. Ich hatte die Feuchtigkeit auf meiner Haut gesehen, hatte verfolgt, wie die Flüssigkeit abgetrocknet war. Mit Hilfe des Mittels war die Schrift nun wie der deutlich hervorgetreten. Sekunden später goß der Arzt ein anderes Mittel auf einen Reptuchballen und löschte die Schrift damit ebenso schnell wieder aus. Anschließend wurde das erste Mittel noch einmal ausprobiert, um ganz sicher zu gehen, daß die Schrift auch wirklich gelöscht war. Es gab keine Reaktion. Die chemische Kennzeichnung für die Agenten, mit denen Lady Elicia zu tun hatte, war verschwunden. Anschlie ßend reinigte der Arzt mit der anderen Flüssigkeit meinen ganzen Arm.
Die Männer sahen sich an und lächelten.
Mein linkes Handgelenk wurde wieder angekettet.
»Habe ich die Pocken, Herr?« fragte ich.
»Nein«, sagte der Arzt.
Der große Mann richtete sich auf. »Du bist Narla«, sagte er zu dem Mädchen neben mir.
»Ja, Herr.«
»Und du Yata«, fuhr er fort und drehte sich zu mir um.
»Ja, Herr«, sagte ich hastig.
Der Fremde nahm einen Markierungsstift aus der Tasche und schrieb uns etwas auf die Schultern. Ich vermutete, daß es sich um die neuen Namen handelte, die er uns eben gegeben hatte.
Anschließend begab sich die Gruppe zum Ausgang, wo bereits der dicke Kaufmann wartete.
»Solche Dinge sind in Telnus strafbar«, stellte der große Fremde fest.
»Gnade, ihr Herren!« jammerte der Händler.
»Hast du mehr Gold?«
»Ja, ja, ihr Herren!«
Und schon schloß sich die Tür hinter der Gruppe, und wir Mädchen blieben in der Dunkelheit zurück. Ich spürte das Ziehen an der Schulter, wo die Tinte des Markierungsstifts trocknete. Vermutlich stand dort mein neuer Name – Yata. »Wie heißt du?« wandte sich der Mann an das brünette Mädchen.
»Narla«, antwortete es. »Wenn es dem Herrn gefällt.«
»Ja«, sagte dieser. »Und du?« wandte er sich an mich.
»Yata, wenn es dem Herrn gefällt.«
»Ja.«
»Ich habe die beiden von dem angesehenen Sklavenhändler Alexander aus Teletus gekauft«, schaltete sich der Kaufmann ein. »Leider sind die Papiere unterwegs verlorengegangen.« »Ich nehme beide«, sagte der Mann. Wegen des Preises ließ er es zu keinen Diskussionen kommen. Nach kurzer Zeit standen Narla und ich im Korridor vor dem langen niedrigen Raum. Wir trugen Lederkragen, an denen eine Leine befestigt war.
»Ist es ein langer Weg bis Telnus, Herr?« fragte ich.
»Du kleiner Dummkopf – du bist in Telnus!«
»Warum hast du uns gekauft, Herr?«
»Ihr sollt in meinem Lokal als Pagamädchen arbeiten.«
Narla stöhnte auf.
Ich lächelte. »Und wie heißt dein Lokal, wenn deine Sklavin das fragen darf?«
»Es ist das beste in ganz Telnus, das ›Chatka und Curla‹«, sagte er.
»Vielen Dank, Herr.«
Gleich darauf setzten wir uns in Marsch. Ich war in Telnus.
Das Tablett hoch über dem Kopf, bewegte ich mich vorsichtig zwischen den Tischen.
Das ›Chatka und Curla‹ ist eine große Pagataverne, die sich über vier Etagen erstreckt: ein offener, mit Holzdielen ausgelegter Hof, eine darum angeordnete, etwa zwanzig Fuß tiefe Empore und darüber zwei ganz herumführende Balkone, die etwa je zehn Fuß tief sind.
Es war viel los an diesem Abend.
Wagenlaternen, die mit rotem Glas verkleidet waren, spendeten ein dämmriges Licht.
Die Gäste waren in bester Stimmung.
Ich war unterwegs zum oberen Balkon; auf den Rampen stieß ich gegen andere Mädchen und Gäste, die sich hier drängelten. Ich konzentrierte mich auf das Tablett, das ich nicht fallen lassen durfte. Es gab viele Mädchen im ›Chatka und Curla‹, über hundert. Vorsichtig stieg ich die Holzrampe empor, auf der sich in etwa zwanzig Zoll Abstand Erhebungen befanden, die den Fuß stützen sollten.
In einer der Nischen schrie ein Mädchen.
Die rote Schnur, die Curla , lag eng um meine Taille, der Knoten, der sich mit einem Ruck öffnen ließ, auf der linken Hüfte. Die Chatka, ein etwa sechs Zoll und fünf Fuß langer Lederstreifen, lag vorn über der Curla, zog sich zwischen den Beinen hindurch und war hinten über der Curla befestigt; auf diese Weise war das Brandzeichen einer Sklavin stets deutlich zu sehen – und so manches andere auch. Oben trug ich eine kurze ärmellose Weste aus schwarzem Leder, die Kalmak.
In diesem Augenblick blieb ein Gast vor mir stehen und fuhr mit der Hand in meine Weste, während er mich küßte.
»Kleine Schönheit«, sagte er.
»Es wäre schön, wenn ich dich später in einer Nische erfreuen dürfte«, sagte ich – ein Satz, der uns beigebracht worden war.
»Später«, antwortete er.
»Ja, Herr«, erwiderte ich und setzte meinen Weg fort.
Außer Curla, Chatka und Kalmak trug ich Glöckchen am Bein und einen schwarzen emailleverzierten turischen Halskragen.
Mein Haar hatte wieder zu wachsen begonnen, war aber noch ziemlich kurz; zum Schutz trug ich eine breite Koora, ein Kopftuch, das den größten Teil der Stoppeln verdeckte.
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