»Dann wollen wir keine Zeit mehr verschwenden im Spiel mit Sklavinnen, sondern uns ernsthaften Geschäften zuwenden. Thurnus sah mich an. »Du kannst mir den Kelch jetzt geben.«
Mit aufgerissenen Augen, heftig atmend, kniete ich auf dem Boden.
Mein Herr erhob sich, und seine Adjutanten taten es ihm nach. Ich hätte mich am liebsten kreischend auf dem Boden gewälzt. Thurnus hatte das Angebot meines Herrn nicht angenommen, obwohl ich sicher war, daß er mehr als nur beiläufiges Interesse für mich hatte. Ich fragte mich, ob er meinen Herrn mit seinem Verhalten auf die Probe stellen wollte. Thurnus schien mir ein kluger Mann zu sein.
Die Männer machten Anstalten, die Hütte zu verlassen.
Mein Herr schnipste mit den Fingern. Maria sprang auf und eilte zur Tür der Hütte.
»Ich fürchte, ich habe deine Sklavin ein bißchen nervös gemacht«, sagte Thurnus grinsend und sah mich an.
»Bitte, Herr!« flüsterte ich.
»Egal«, sagte er und machte kehrt. »Wir wollen uns die Sleen ansehen.«
»Laß mich nicht laufen, Herr!« flehte Sklavenperle. »Ich war früher eine freie Frau!«
»Stell dich auf die Linie«, sagte mein Herr.
Sklavenperle hastete zu dem Strich, der in den Sand von Tabukfurt gekratzt worden war. Sie trug die Überreste von Gewändern, die einmal zu Roben der Verhüllung gehört hatten. Sie war barfuß, wie es sich für eine Sklavin gehört.
»Wohin sollen wir denn laufen?« fragte mich Skla venperle.
»Es gibt kein Ziel«, antwortete ich. Das Dorf war von einem Palisadenzaun umgeben, dessen Tor versperrt war.
»Ich will nicht als Sklavin laufen!« schluchzte Skla venperle.
»Hör auf zu jammern!« sagte Lehna.
»Jawohl, Herrin!« antwortete Sklavenperle erschrocken. Sie hatte Angst vor Lehna, von der sie nach dem Branden in die Regeln des Sklavendaseins eingeführt worden war – mit einer Gerte.
Mein Herr hatte vor mehreren Wochen in einem kühnen Handstreich Lady Sabina aus der Festung von Saphronicus entführt und damit ihre Gefährtenschaft mit Thandar aus Ti, einer Stadt der Vier Städte von Saleria, zunichte gemacht. Diese Städte bildeten die Sale rische Konföderation, eine aggressive und sich ausweitende Liga nördlich des Vosk. Die wachsende Macht dieses Bündnisses wurde in Ar nicht gerade gern gesehen. Ar, das in Gors nördlicher Hemisphäre liegt, herrscht uneingeschränkt über das Gebiet zwischen dem Vosk und dem Cartius, den Voltai-Bergen und dem Thassa, dem Meer. Der Ubar von Ar, Marlenus geheißen, gilt als ehrgeiziger und brillanter, stolzer und mutiger Mann, der imperialistische Ziele verfolgt. Er mochte der Ansicht sein, daß sich die Salerische Konföderation zu einer Gefahr für Ar auswachsen konnte. So wie die Dinge im Augenblick standen, gab es in den Gebieten nördlich des Vosk eine Reihe uneiniger Städte, die jeweils ziemlich klein waren. Für einen starken Staat wie Ar bedeutete das von der Verteidigung her eine sichere Grenze und im Hinblick auf mögliche Expansionspläne ein interessantes Machtvakuum. Das Anwachsen der Salerischen Konföderation mochte nun die Situation zum Nachteil Ars ändern. Sollte der Bund von Saleria weitere Mitglieder finden und zu einer Einheit verschmelzen, konnte sich hier durchaus ein gleichwertiges oder überlegenes Gegengewicht zu Ar finden. Dann mochte es dazu kommen, daß Armeen und Tarnhorden nach Süden zogen. Erst vor wenigen Jahren hatte Ar Feinde in seinen Mauern erleben müssen, als es in dem politischen Durcheinander nach einem kurzzeitigen Verlust des Heimsteins und der Absetzung des Ubar Marlenus zu einer Revolte abhängiger Städte gekommen war, organisiert und angeführt von Pa-Kur, dem Großmeister der Kaste der Attentäter.
Die Horden Pa-Kurs, so wird berichtet, hatten das herrliche Ar belagert. Die Wissenden, die zu der Zeit die Macht in Ar auf sich vereinigt hatten, waren schwach und unentschlossen gewesen und hatten die Stadt aufgegeben, was den Ruf der Kaste der Wissenden in Ar bis zum heutigen Tag beeinträchtigt. Am Tage der Kapitulation wurde Ar durch den Aufstand der eigenen Bürger gerettet, die in den Straßen zu kämpfen begannen, unterstützt von den Streitkräften gewisser Städte des Nordens, vorwiegend Ko-ro-ba und Thentis. Von diesen Dingen ist in Liedern die Rede. Einer der darin besungenen Helden heißt Tarl von Bristol. Auch Marlenus tritt in den Balladen auf. Später eroberte er mit seinem Sieg über Cernus den Thron von Ar zurück. Bis heute verkörpert er die Macht in Ar. Zuweilen nennt man ihn den Ubar aller Ubars.
Zweifellos beobachtete Marlenus die Entwicklung der Salerischen Konföderation mit Mißfallen. Dieser Bund ist zwar im Augenblick noch relativ schwach. Ein Ubar muß jedoch an die Zukunft denken. Andererseits wird allgemein angenommen, daß die Sale rische Konföderation weniger eine Gefahr für Ars Sicherheit als für die ehrgeizigen Expansionspläne dieses Stadtstaates ist. Der riesige Ödgürtel unmittelbar südlich des Vosk, der Ar einmal nach Norden hin beschützte, besteht nicht mehr. Dabei handelte es sich um eine ausgedehnte Wildnis, eine leere, unbevölkerte, wüstenähnliche Zone ohne Wasser und nützliche Vegetation, tausend Pasang breit. Hier wurden Brunnen vergiftet und Felder niedergebrannt und eingesalzen, um den Anmarsch von Armeen aus dem Norden zu verhindern. In den letzten Jahren aber ist dieser Landstreifen grün geworden. Neue Brunnen sind gegraben worden, Bauern haben sich hier niedergelassen. Ihr Bestreben ist es, mehr bebaubares Land zu schaffen; man vermutet, daß die Zone dadurch für umfassende militärische Operationen erschlossen werden soll. Man setzte sogar Rehwild und ungezähmte Bosk aus.
Es heißt, der Blick Ars ist mit Sorge nach Norden gerichtet. Außerdem wird behauptet, die Salerische Konföderation habe nur deswegen so gut gedeihen können, weil die Städte des Nordens den Imperialismus Ars fürchten. Wie es um diese komplizierten politischen Dinge auch bestellt sein mag, es scheint klar zu sein, daß Marlenus den Wuchs der Salerischen Konföderation nicht gerade fördern möchte.
Clitus Vitellius, mein Herr, war ein Soldatenführer aus Ar. Offenbar hatte er die Aufgabe gehabt – wahrscheinlich sogar einen persönlichen Befehl von Marle nus, dem Ubar dieser Stadt –, die bevorstehende Allianz zwischen der Festung von Saphronicus und der Salerischen Konföderation zunichtezumachen – eine Allianz, die mit der Gefährtenschaft zwischen Thandar von Ti und Lady Sabina aus der Festung von Saphronicus besiegelt worden wäre.
In kühnem Angriff hatte mein Herr die Tochter des saphronischen Kaufmanns entführt. Er hatte das Lager überfallen und das Mädchen mitgenommen. Anschließend war er zurückgekehrt und hatte auch noch die Mitgift der Braut an sich gebracht, außerdem die Zofen der Lady – Lehna, Donna, Chanda und Maria. Diese Mädchen, ich in ihrer Mitte, standen nun an der Startlinie. Die jungen Bauernburschen des Dorfes beäugten uns neugierig und lüstern. Wir waren geschmeidige, vitale Schönheiten – Sklavinnen. Nicht jeden Tag durften sie solche Mädchen zu ihrem Vergnügen jagen. Unser Sklavenstatus forderte von uns, daß wir dem, der uns fing, willens sein mußten.
Es gab Diskussionen über die Regeln der Jagd. Wetten wurden abgeschlossen. Einige junge Heißsporne kamen zu uns an die Linie, um sich die Beute aus der Nähe anzusehen.
»Oh!« machte Sklavenperle. Einer der Bauernburschen hatte ihr ungeniert zwischen die Beine gegriffen.
»Gutes Material«, sagte er. »Ja«, meinte ein anderer nickend.
Ein dritter Jüngling betastete mich. Ich versuchte mich ihm zu entziehen – aber nicht ernsthaft. Schließlich wollte ich nicht ausgepeitscht werden.
Auf der anderen Seite Donnas stand Maria. Sie hatte den Kopf hoch erhoben und schien die Dreckpfoten der Bauernlümmel an ihrem Körper nicht zu spüren.
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