»Freche Sklavin!« schimpfte die andere.
»Du kannst ruhig das Haar einer verzogenen Kaufmannstochter kämmen – ich tanze lieber nackt vor einem Mann!«
»Lehna!« rief die Sklavin von hinten.
Ich hörte, wie ein Wagen aus dem Lager gefahren wurde. Auf seiner Ladefläche lag vermutlich die kostbare Mitgift der Lady Sabina aus der Festung von Saphronicus. Den Aufenthaltsort der hohen Dame kannte ich nicht; zweifellos befand sie sich an einem sicheren Ort, mit verbundenen Augen, geknebelt und gefesselt. Ich fragte mich, ob man ihr wohl die Kleidung gelassen hatte.
Der Mann ging an der Reihe der Sklavinnen entlang, bis er neben dem letzten Mädchen stand. Er berührte sie an Hals und Kinn. »Hast du dich nie gefragt, wie es ist, wenn ein Mann dich berührt?« fragte er.
»Komm zu mir«, sagte das erste Mädchen. »Ich mache es dir, wie’s dir noch keine gemacht hat!«
»Er berührt mich!« klagte das letzte Mädchen.
»Blödes Ding!« lachte die erste.
Der Mann kehrte zu dem ersten Mädchen zurück und nahm sie in die Arme. Es stieß einen Freudenschrei aus und drückte sich an ihn. Er küßte es mit einer Leidenschaft, die mich ahnen ließ, daß es beileibe nicht bei dem Kuß bleiben würde.
»Küssen kann ich auch!« rief das aufsässige Mädchen zornig. »Herr!«
»Nein!« stöhnte die andere, während sie sich an den Mann drängte. »Sie ist ein Niemand. Bleib bei mir! Du weißt nicht, wie es mit einem Mädchen wirklich ist, solange du mich nicht kennst!«
In diesem Augenblick rollte ein zweites Fahrzeug aus dem Lager. Ich stellte mir vor, daß es sich um einen der Wagen mit landwirtschaftlichen Gütern handelte; später sollte ich erfahren, daß die kostbare Mitgift auf zwei Fahrzeuge verteilt worden war, nachdem man Korn und Gemüse abgeladen hatte.
Mein Herr kehrte ins Zelt zurück. »Du kannst sie später haben«, sagte er zu dem Soldaten, der schon drauf und dran war, vor aller Augen von der Einla dung Gebrauch zu machen. Widerstrebend ließ er von ihr ab.
»Vergiß Lehna nicht!« sagte das Mädchen mit schmachtendem Blick.
»Und Donna auch nicht«, rief die zweite.
»Und Chanda!« rief die dritte.
»Auf keinen Fall Maria!« rief die vierte.
Der Soldat musterte das vierte Mädchen, das sich unter seinem Blick aufrichtete. »Maria möchte nicht übergangen werden?« fragte er.
»Nein«, sagte sie.
»Bist du nicht die Sklavin einer Frau?«
»Gib mir einen Platz zu deinen Füßen«, forderte sie.
Mein Herr ging um die angeketteten Mädchen herum. »Vier Schönheiten«, sagte er. »Ein guter Fang. Wir werden unseren Spaß mit ihnen haben – und wenn wir sie verkaufen, bekommen wir bestimmt einen guten Preis.« Dann wandte er sich zu mir um. »Kette sie auch an.«
Ich erstarrte. Das war doch nicht möglich! Ich war seine Sklavin, keine Gefangene. Ich hatte ihm gut gedient! Der Soldat pfiff, als riefe er einen gezähmten Sleen zu sich, und hob einen offenen Armreif auffordernd in die Höhe, den letzten an der Kette. Zornig nahm ich meinen Platz hinter dem vierten Mädchen ein.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte mein Herr.
Es ärgerte mich ungemein, daß mein Herr mich zusammen mit den neuen Mädchen ankettete. Ich spürte das Gewicht des Metalls an meinem linken Arm.
Mein Herr blickte auf mich herab. Ich schloß die Augen.
Er machte kehrt, verließ das Zelt und verschwand in der Dunkelheit.
»Ich war gemein zu dir, Sklavin«, sagte das Mädchen vor mir in diesem Augenblick. »Das tut mir leid. Bitte verzeih mir.«
»Was?« fragte ich.
»Es tut Maria schrecklich leid, Herrin«, sagte sie. »Bitte verzeih mir.«
Es kam mir seltsam vor, daß sie mich als ›Herrin‹ anredete. Aber dann erkannte ich, was sie meinte. Sie hatte mich ›Dina‹ genannt und getreten. Jetzt stand sie im Eigentum meines Herrn, sie war seine neueste Skla vin. Sie kannte die Machtverhältnisse im Kreis seiner Leibeigenen noch nicht. War ich womöglich sein Erstes Mädchen? Stand ich über ihr?
»Ich verzeihe dir«, sagte ich gedankenlos.
Augenblicklich richtete sich das Mädchen hochmütig auf und wandte sich ab. Sie schien anzunehmen, daß sie von mir nichts zu befürchten habe, und wollte mich von oben herab ignorieren. Das ärgerte mich. Wahrscheinlich meinte sie, daß sie besser aussah als ich – was durchaus stimmen mochte – und daß sie sich damit in die Gunst meines Herrn schleichen könnte. Ich war erbost und fragte mich, warum ich ihr verziehen hatte. Ich hatte gar nicht weiter über meine Worte nachgedacht, die mir selbstverständlich vorkamen.
Dennoch war ich zornig. Sie hatte ein wenig zu leicht gesiegt. In plötzlichem Zorn versetzte ich ihr einen Tritt von hinten.
Verblüfft schrie sie auf. Ich stand starr da, als hätte ich gar nichts getan. Der Soldat, der damit beschäftigt war, aus den Truhen im Zelt Schmuck einzusammeln und in ein Halstuch zu knoten, tat, als habe er meine Bewegung nicht gesehen. Männer mischen sich selten in die Auseinandersetzungen zwischen Sklaven ein. Natürlich ließen sie es nicht zu, daß etwa eine Sklavin die andere verletzte oder entstellte und damit ihren Marktwert schmälerte.
Das Mädchen vor mir hatte seine stolze Haltung sofort wieder eingebüßt. Sie wußte nicht mehr, woran sie war. »Wenn ich es mir genau überlege«, sagte ich, »verzeihe ich dir vielleicht doch nicht.«
»Maria erfleht deine Vergebung!« sagte sie leise.
»Vielleicht – vielleicht aber auch nicht«, sagte ich.
»Ja, Herrin«, flüsterte das Mädchen eingeschüchtert.
Ich freute mich über ihre Reaktion. Wenn sie Angst vor mir hatte, konnte ich sie vielleicht eine Zeitlang von meinem Herrn fernhalten. Sie war wunderhübsch. In mir regte sich Eifersucht.
Der Soldat band das mit Schmuck gefüllte Halstuch zusammen und warf es sich über die Schulter. Er grinste mich an. Ich senkte den Kopf und lächelte.
»Sklavinnen, wir müssen uns beeilen«, sagte er und gab das Zeichen zum Abmarsch. »Har-ta!« befahl er, und Lehna, die als erste ging, setzte sich in Trab.
Minuten später wateten wir bereits durch das kalte Wasser des Bachs.
»Har-ta!« befahl der Soldat, der uns kommandierte.
Ich spürte die Kiesel des Bachufers unter meinen nackten Füßen. Die Kette zerrte mein Handgelenk nach vorn. Ich blickte zu den leuchtenden Monden empor. Stolpernd folgte ich den anderen. Ich wußte nicht, welches Schic ksal mich erwartete – mir war nur klar, daß es ein Schicksal absoluter Unterwerfung sein würde.
Mein Herr reichte mir seinen Kelch, den ich mit Sul-Paga füllte. Dann preßte ich meine Lippen an das Metall und gab ihm das Gefäß zurück. Meine Augen taten weh. Der Duft machte mich trunken.
Sul-Paga ist wasserhell, während die Sulfrucht gelb ist. Die Paga-Brennerei, die über zahlreiche Tanks und Rohrleitungen verfügte, lag mitten in dem Dorf, dessen Gäste wir waren, Tabukfurt. Hier war unser Gastgeber Thurnus Kastenführer.
»Ausgezeichnet«, sagte mein Herr, als er von dem Paga getrunken hatte. Am Abend zuvor hatte ich einen Schluck des starken Getränks gekostet. Nach Sekunden war mir schwarz vor den Augen geworden. Ich war bewußtlos zu Boden gesunken und hatte erst am nächsten Morgen mit fürchterlichen Kopfschmerzen das Bewußtsein wiedererlangt.
»Wein, Sklavin!« sagte Maria und hielt mir ihren Kelch hin.
Zornig stellte ich den Sul-Paga fort und holte die Flasche mit Ka-la-na-Wein aus Ar und füllte ihren Becher.
Sie dankte mir nicht, beachtete mich nicht einmal – ich war ja nur eine Sklavin. Dabei traf dasselbe auf sie zu! Ich sah, wie sie sich in ihrem inzwischen gekürzten weißen Kleid in die Arme meines Herrn schmiegte. Sie war in der Gunst der Männer schnell gestiegen und hatte sogar Eta vom Platz der Lieblingssklavin vertrie ben. Ich hatte von Anfang an befürchtet, daß die Männer für sie entbrennen würden. Mein Herr schien sie jedenfalls sehr zu mögen. Er beschlief sie fast jede Nacht. Ich haßte sie. Auch Eta schien ihr nicht gerade wohlgesonnen zu sein.
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