»Morgen«, rief Hci zornig und deutete auf Canka, »wird sich mein Vater die Frau nehmen. Morgen mittag wird er sie dir abnehmen, für die Gelbmesser!« Wutschnaubend drehte er sich um und verschwand zwischen den Zelten. Die beiden Sleensoldaten folgten ihm; einer führte die Kaiila hinter sich her.
»Meinst du, er wird das tun?« fragte ich Canka.
»Nein«, antwortete Canka. »Mahpiyasapa ist zwar böse auf mich, doch er ist ein guter Häuptling. Er kennt die Sitten der Kaiila. Niemals würde er mir die Frau gegen meinen Willen nehmen.«
Canka hockte sich neben Winyela nieder, zog sie in eine kniende Stellung hoch und preßte sie an sich.
»Hab keine Angst«, sagte er beruhigend.
»Du hast mich verschenkt«, flüsterte sie.
»Doch nur vorübergehend«, erwiderte er, »und nur weil ich wußte, wie ein Kaiilakrieger denkt. Es bestand keine Gefahr, daß ich dich verlieren würde.«
»Du hast mich verschenkt«, sagte sie matt.
»Es ist alles vorbei. Ich werde es nicht wieder tun.«
»Magst du mich nicht?«
»O doch, sehr sogar.«
»Dann schicke mich niemals von dir fort.«
»Ich werde dich niemals gehen lassen«, sagte er. »Ich liebe dich.«
Erstaunt blickte sie zu ihm auf und drückte sich dann zitternd und schluchzend in seine Arme. »Ich liebe dich auch, mein Herr!«
Canka ließ sie eine Zeitlang weinen. Dann hob er sie hoch und trug sie vorsichtig in sein Zelt.
»Ich fand, daß Canka ziemlich geschickt mit Hci umgesprungen ist«, sagte Cuwignaka.
»Ich finde, Cuwignaka ist mit Hci recht geschickt umgesprungen«, sagte ich. »Und Canka weiß das – und Hci vermutlich auch, leider.«
»Hci ist ein schlauer Bursche«, meinte Cuwignaka. »Es war an der Zeit, daß er mal seine eigene Arznei zu schmecken bekam.«
»Wer solche Medizin austeilt, bekommt sie selten gern selbst verschrieben.«
»Ich glaube, nun habe ich einen befriedigenden Ausgleich gefunden für Hcis Trick in der Senke und den Verlust des Fleisches«, sagte Cuwignaka leise lachend.
»Meinst du, es wird deswegen noch Ärger geben?«
»Nein«, sagte Cuwignaka. »Hci ist wütend, aber er kann nichts tun. Nach den Gebräuchen unseres Stammes ist er hilflos.«
»Aber was ist, wenn er sich über die Sitten und Gebräuche hinwegsetzt?« fragte ich.
»Das wird er nicht tun. In letzter Konsequenz ist Hci ein hundertprozentiger Kaiila. Er ist ehrenvoll.«
»Er drohte Canka, Mahpiyasapa würde ihm Winyela morgen wegnehmen«, sagte ich. »Er kann auf keinen Fall bestimmt wissen, daß das geschehen wird – eher ist diese Aussage sogar falsch. Auf ähnliche Weise scheint er mir in der Angelegenheit mit dem Fleisch gelogen zu haben.«
»Das stimmt schon«, sagte Cuwignaka nachdenklich. »Er hätte das wirklich nicht tun dürfen.«
»Nein.«
»Das ist nicht recht.«
»Außerdem hängen Dinge wie Zivilisation und Freundschaft und Verständigung von gegenseitigem Vertrauen ab«, meinte ich.
»Außerdem könnte ein solches Verhalten gefährlich sein«, sagte Cuwignaka.
»Inwiefern?« wollte ich wissen.
»Der eigene Schild könnte einen verraten.«
Ich betrachtete den jungen Mann.
»Ja«, sagte Cuwignaka. »Es ist eine allgemein bekannte Tatsache. Wenn man lügt, kann sich der eigene Schild weigern, den Kämpfer zu verteidigen.«
»Außerhalb des Ödlands verhalten sich Schilde aber nicht so«, sagte ich lächelnd.
»Wie ich sehe, bist du skeptisch«, sagte Cuwignaka. »Nun ja, ich kann es dir ganz genau sagen, mein Freund. Ich spreche von den Schilden der Völker des Ödlands. Dabei handelt es sich nicht um gewöhnliche Schilde. Unsere Schilde werden mit Hilfe von Zaubersprüchen gefertigt. Diese Kriegsmedizinen sind wichtig in Aufbau und Entwurf. Es handelt sich bei ihnen nicht einfach nur um Kriegsgerät, nicht nur um Gegenstände aus Metall oder Leder. Sie sind heilig. Sie sind kostbar. Sie sind Freunde und Verbündete. Gewiß hast du sie schon auf Stativen hinter Zelten gesehen, wo sie der Sonne ausgesetzt wurden?«
»Ja«, mußte ich zugeben.
»Sie sollen die Kraft der Sonne in sich aufsaugen.«
»Ich verstehe.«
»Bei einem normalen Schild würde man das nicht machen, oder?«
»Im allgemeinen nicht«, sagte ich.
»Also sind es keine normalen Schilde«, folgerte Cuwignaka.
»Im Kampf sind einige Krieger sicher erfolgreicher als andere«, bemerkte ich.
»Selbstverständlich. Wahrscheinlich ist ihre Kriegsmedizin stärker.«
»Aha.«
»Kehren wir in unser Zelt zurück«, sagte Cuwignaka.
»Du sprichst goreanisch«, sagte ich. »Du hast bei Weißen gelebt.«
»Ja?« fragte Cuwignaka.
»Glaubst du wirklich an diese Dinge?«
»Welche Dinge?«
»Na, an die Sache mit den Schilden.«
»Natürlich!«
»Komm, bleib ernst!«
»Ich weiß nicht«, sagte Cuwignaka lächelnd. »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Glauben alle deine Stammesgenossen daran?«
»Ich würde sagen, die meisten.«
»Was ist mit Kriegern wie Canka und Hci? Glauben sie daran?«
»Natürlich!«
»Gehen wir in unser Zelt«, sagte ich.
»Ja«, stimmte mir Cuwignaka zu. »Ich muß mich ausruhen. Morgen muß ich tanzen. Morgen wird ein herrlicher Tag!«
»Herr! Herr!« rief das blonde Mädchen entzückt und hielt mich an der Hand fest.
Lächelnd zog sie mich hinter ein Zelt. Bis auf den perlenbesetzten Sklavenkragen war sie nackt. Es war der Morgen des Tages, an dem der große Tanz stattfinden sollte. Hinter dem Zelt kniete sie nieder. »Ich bin ja so glücklich, Herr!« sagte sie. »So glücklich!«
Es war das Mädchen, das mir zweimal im Lager begegnet war und das ich sodann mit Hilfe der perlenbesetzten Sklavenpeitsche, die mir Macht über Herdensklavinnen verlieh, an einem langen Nachmittag in die wahre Bedeutung der Sklaverei eingeführt hatte.
»Du bist doch nicht etwa fortgelaufen?« fragte ich besorgt.
»Nein«, antwortete sie lachend. »Man hat mich aus der Herde genommen. Ich habe einen neuen Herrn! Mein alter Herr hat mich verschenkt. Er meinte wohl eine eiskalte, unnahbare Sklavin loszuwerden, doch kaum lag ich auf den Fellen meines neuen Herrn, begann ich ihm auf das Unterwürfigste zu dienen. Er war entzückt. Ich glaube, er ist sehr erfreut über mich, er sagte jedenfalls, ich wäre ein prächtiges Geschenk. Er hat meinem alten Herrn sogar noch eine Kaiila zusätzlich geschenkt. Mein alter Herr regte sich sehr auf, weil er mich weggegeben hatte. Doch nun kann er nichts mehr daran ändern. Ich gehöre jetzt meinem neuen Herrn!«
»Wundervoll!« sagte ich.
»Ich habe nun auch einen Namen!«
»Ja?«
»Oiputake«, sagte sie.
»Das bedeutet ja ›Kuß‹!« rief ich.
»Ja«, lächelte sie. »Und manchmal weiß ich nicht, ob mein Herr mich nur ruft oder mir befiehlt, ihn zu erfreuen.«
»Als Sklavin dürftest du kein Risiko eingehen.«
Sie lachte. »Wenn ich die geringsten Zweifel habe, küsse ich ihn.«
Ich hatte dieses Mädchen wirklich durchgreifend verändert. Ihr neuer Herr würde viel Vergnügen mit ihr haben. Von einer frigiden freien Frau hatte sie sich in eine vielversprechende Sklavin verwandelt.
»Die Dinge stehen wirklich gut für die Kaiila«, sagte ich. »Dein Herr hat eine wunderschöne weiße Sklavin erstanden. Mein Herr und Freund Canka, Angehöriger der Isbu-Bande, hat seine Sklavin, die er liebt, behalten können, ein Mädchen namens Winyela, und mein Freund Cuwignaka wird nach jahrelangem Warten heute endlich das Zelt des großen Tanzes betreten.« Ich lächelte vor mich hin.
»Das freut mich für ihn«, sagte Oiputake.
»Es gibt überreichlich Fleisch im Lager«, fuhr ich fort, »und wir feiern Feste und Tänze. Wir besuchen uns gegenseitig und geben Geschenke.«
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