»Natürlich, Herr.«
»He, Krieger«, rief ich und erhob mich, als ich Marcus die Planke herunterkommen sah. Er sah in unsere Richtung, und ich winkte ihn heran. Die Mädchen knieten sich kerzengerade hin, als er kam.
»Wie findest du sie?« fragte ich Marcus.
»Sie sind hübsch«, sagte er.
Sein Interesse machte mir Mut. Er brauchte dringend Gesellschaft.
»Wer seid ihr?« fragte ich die drei.
»Ich bin Roxanne aus dem Dina, Sklavin des Simonides, Tavernenbesitzer aus Port Cos.«
»Ich bin Korinne aus dem Veminium, Sklavin des Agathocles, Tavernenbesitzer aus Port Cos.«
»Ich bin Yakube aus dem Larma, Sklavin des Panicrates, Tavernenbesitzer aus Port Cos.«
»Das ist doch ein Name aus der Tahari«, sagte Marcus und sah sie sich genauer an. Die junge Sklavin aus dem Larma war von den drei Frauen diejenige, an der er am meisten Gefallen fand. Sie gehörte dem Frauentyp an, den er außerordentlich anziehend fand, zu dem er sich stark, vielleicht sogar unwiderstehlich hingezogen fühlte. Sein Interesse freute mich, denn ich hatte gehofft, daß eines der Mädchen ihn von seinen düsteren Gedanken ablenken konnte. Aber etwas in seinem Tonfall war bedrohlich gewesen.
»Ja, Herr«, sagte Yakube zögernd. Offensichtlich war ihr die unterschwellige Drohung nicht entgangen. Sklavenmädchen sind für derartige Dinge außerordentlich empfänglich. Ich konnte sehen, daß sie Angst hatte.
»Aber du kommst nicht aus der Tahari?«
»Nein, Herr.« Ihre Hautfarbe gab keinen Anlaß zu der Vermutung, sie könnte aus der Tahari kommen.
»Warum trägst du dann diesen Namen?«
»Man hat ihn mir gegeben, Herr.«
Das war nicht ungewöhnlich. So hatte ich im Herbst der ehemaligen Lady Charlotte aus Samnium den Namen ›Feiqua‹ verliehen, nachdem sie meine Sklavin geworden war. Der Name hatte Wunder gewirkt, was ihr neues Selbstverständnis und ihre Sexualität anging. Viele Herren ändern den Namen einer Sklavin, damit sie bei ihm ein neues Leben beginnt.
»Damit soll kein anderer Name verborgen werden?«
»Nein, Herr.«
Marcus starrte sie an.
Ich begriff seine Wut und sein Mißtrauen nicht.
»Ich habe viele Namen gehabt, Herr«, sagte sie. »Ich bin eine Sklavin. Männer geben mir den Namen, den sie für richtig halten.«
»Bist du schon immer Sklavin gewesen?«
»Nicht im eigentlichen Sinn«, erwiderte Yakube.
»Erkläre das!«
»Obwohl ich mit ganzem Herzen eine Sklavin bin, gab es doch eine Zeit, in der ich keine Sklavin war. In den Augen des Gesetzes war ich einst eine freie Frau.«
»Und wie hast du geheißen, als du noch frei warst?«
Yakube zuckte unter Marcus’ Blick zusammen, der wie geschärfter Stahl war. Ich bezweifelte keinen Augenblick lang, daß ihre Handflächen schweißfeucht waren. Sie schob die Knie ein Stück weiter auseinander, vermutlich um den Wunsch zu verdeutlichen, ihm zu gefallen. Wie hübsch ihr Hals durch den engsitzenden Stahlkragen doch aussah.
»Prokne.«
Marcus’ Augen funkelten.
Sie zitterte. Sie hatte natürlich an seinen Insignien erkannt, daß er aus Ar-Station kam.
Seine Hand näherte sich dem Gürtel, und sie zuckte zurück. Ich hatte den Verdacht, daß Marcus daran dachte, ihn abzunehmen und sie damit zu schlagen.
»Kommst du aus Cos?« fragte er.
»Nein, Herr!« erwiderte sie. »Die Felder meines Vaters waren nördlich von Weißwasser!«
Weißwasser hat seinen Namen von den nahegelegenen Stromschnellen und ist eine Stadt am Nordufer des Vosk. Sie ist Mitglied der Voskliga und die erste richtige Stadt westlich von Lara, das am Zusammenfluß vom Vosk und dem Olni liegt. Lara ist die westlichste Stadt der Salerianischen Konföderation. Zwischen Ar-Station und Weißwasser gibt es drei wichtige Städte: Waldhafen, Iskander und Tancreds Furt, alles ebenfalls Mitglieder der Voskliga.
Die meisten der bedeutsamen Städte am Vosk liegen am Nordufer, eine Folge der einstigen Politik Ars, im Norden einen großen Landstrich in eine Ödnis zu verwandeln, die den Vormarsch eines möglichen Invasoren erschweren sollte. Damals wie heute ist die Viktel Aria die Hauptroute nach Süden, die Ar durch Lager und Militärposten kontrolliert. So kann Ar mühelos nach Norden vorrücken, während andere Heere nur mit Mühe nach Süden marschieren könnten, es sei denn, sie machten Ar die Viktel Aria streitig. Diese Ödnis ist jedoch seit Jahren nicht mehr unterhalten worden. Ihre militärische Bedeutung schwand mit der Einführung des Tarntransportes im großen Stil, mit dem auch Truppen versetzt werden. Dazu kam, daß Ars Bevölkerung wuchs und sich immer weiter nach Norden ausbreitete. Ars Interesse am Voskbecken ist allgemein bekannt. In den letzten Jahren war seine Politik auf Eroberungen bedacht, besonders unter der Führung von Marlenus. Dementsprechend wurde deutlich, daß die Strategen von Ar den Ödnisstreifen weniger als Schutz sondern als Hindernis ansehen.
Marcus sagte: »Solche Namen sind östlich vom Fluß kaum gebräuchlich.«
»Ja, Herr.«
»Du bist weit von Weißwasser entfernt.«
»Ja, Herr.«
Seine Hände umklammerten den Gürtel nahe der Schnalle. Das entging der Sklavin nicht.
»Du kommst aus der Gegend von Weißwasser?«
»Ja, Herr.«
»Mit einem Namen wie Prokne?«
»Ja, Herr.«
»Ich frage mich, ob du lügst.«
»Nein, Herr, ich lüge nicht! Die Sklavin Yakube lügt einen freien Mann nicht an! Das würde sie nicht wagen!«
»Vielleicht kommst da ja tatsächlich von weither.«
»Ja, Herr.«
Er sah auf sie herunter.
»Männer tun mit mir, was sie wollen und wo sie es wollen.«
Im allgemeinen sehen Sklavinnen, die eine Handelsware sind, weit mehr von der Welt als eine durchschnittliche freie Frau. Die meisten Freien entfernen sich nur selten mehr als ein paar Pasang von ihrem Dorf oder den Mauern ihrer Stadt. Eine wichtige Ausnahme ist die Pilgerfahrt zum Sardar. Von jedem Goreaner, egal ob Mann oder Frau, wird erwartet, daß er sie zumindest einmal im Leben unternimmt. Je nachdem aus welcher Gegend Gors man kommt, ist die Reise nicht ungefährlich. Es kommt vor, daß junge Frauen, die im Weiß der Pilger aufbrechen, als Sklavinnen in Ketten auf dem Jahrmarkt eintreffen, wo sie dann verkauft werden.
»Aber vielleicht kommst du ja aus dem Westen, und nicht aus dem Osten«, sagte Marcus.
»Herr?«
»Vielleicht kommst du aus Cos?« Seine Augen waren jetzt ganz schmal, die Hände am Gürtel verkrampften sich.
»Nein, Herr!« flüsterte sie.
»Das ist auch besser für dich.«
»Ja, Herr!« flüsterte sie.
Marcus hatte ganz leise gesprochen, doch die Drohung in seiner Stimme war schrecklich gewesen. Er ließ den Gürtel los. Yakube erschauderte. Einen Augenblick lang fürchtete ich, sie würde in Ohnmacht fallen. Auch die anderen Mädchen hatten Angst. Die Wut des jungen Kriegers war nicht zu übersehen.
»Ich werde mir eine Schlafgelegenheit suchen«, sagte er zu mir. »Ich wünsche dir alles Gute.«
»Ich wünsche dir alles Gute«, erwiderte ich. Ich verzichtete darauf, ihm noch einmal vorzuschlagen, mit mir zu essen.
Wir sahen ihm nach.
»Dürfen wir gehen, Herr?« fragte Roxanne.
»Alle bis auf Yakube«, sagte ich.
Dankbar sprangen Roxanne und Korinne auf und eilten fort.
Yakube sah zu mir hoch.
»Ich werde dir nichts tun«, sagte ich.
Sie zitterte am ganzen Leib.
»Kennst du den Krieger von irgendwoher?«
Sie schüttelte heftig den Kopf.
Ich sah Marcus noch immer nach.
»Warum haßt er mich so?« fragte Yakube.
»Ich glaube nicht, daß er dich haßt«, sagte ich. »Ich glaube eher, daß du ihn beunruhigst. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, daß du zu der Art von Frauen gehörst, die er außerordentlich aufregend und atemberaubend schön findet.«
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