Wir näherten uns dem Hafen.
Marcus’ Gesicht war wie versteinert.
»Mein Platz ist jetzt auf dem Heckkastell«, sagte Calliodorus. Er zog sich mit einer Verbeugung zurück. Man brachte für Aemilianus einen kurulischen Stuhl. Er setzte sich, und einige seiner Offiziere versammelten sich um ihn.
Ein paar girlandengeschmückte kleine Schiffe kamen heran, um die Flottille zu begrüßen. Sie schwärmten aus. In ihnen klammerten sich Männer und Sklavenmädchen an den Masten fest oder knieten an Deck und winkten begeistert. Sie würden uns in den Hafen eskortieren.
»Männer«, sagte Aemilianus von seinem kurulischen Stuhl aus. »Da wir uns Port Cos nähern, ist es nötig, daß ich ein paar klare Worte spreche. Euch wird nicht alles gefallen, was ihr hören werdet. Doch vieles habt ihr euch bestimmt schon gedacht.«
»Sprich, Kommandant«, sagte Caledonius.
Aemilianus räusperte sich. »Was ich euch jetzt sage, ist in Port Cos bereits allgemein bekannt.«
»Hat das etwas mit dem Kurierschiff heute morgen zu tun?« fragte Marsias.
»Ja, Es war der Wunsch der Kuriere von Port Cos, daß wir die Neuigkeiten vor unserem Landgang erfuhren. Aber es war wenig dabei, das mich überrascht hätte oder das unser Freund Calliodorus mir nicht schon zuvor in einem vertraulichen Gespräch gesagt hätte.«
Ich erinnerte mich, daß Calliodorus schon am ersten Morgen nach der Flucht aus Ar-Station mit sich gerungen hatte, Aemilianus auf gewisse schwerwiegende Dinge anzusprechen und ihn zu warnen. Er hatte damals gezögert, vermutlich, weil er es für klüger hielt, damit zu warten, bis sein Freund wieder zu Kräften gekommen war.
»Heil Port Cos!« rief ein Seemann in einem kleinen Boot, das an Steuerbord an uns vorbeifuhr. Hinter ihm stand eine halbnackte Sklavin mit schönen langen Beinen. »Heil Port Cos!« rief sie fröhlich und winkte. »Heil Port Cos!« Sie war hübsch anzusehen. Der Kragen stand ihr gut.
Einer der Matrosen an Deck winkte zurück. »Heil Port Cos!« rief er.
»Wir sind nach Port Cos gefahren«, sagte Aemilianus. »Das wird allem äußeren Anschein nach die Geschichte bestätigen, die in Ar erzählt wird und die, so wie ich es verstanden habe, die offizielle Version der Geschehnisse vor Ar-Station ist.«
»Sprich, Kommandant!« drängte Marcus, der junge Krieger.
»Ihr werdet es sicher interessant finden, wenn ihr hört, daß sich Ar-Station schon vor mehr als zwei Monaten Cos ergeben hat«, sagte er trocken. »Und zwar bevor das Entsatzheer eintreffen konnte. Fehlendes Belagerungsgerät war der Grund, warum es nicht sofort nach Ar-Station weitermarschierte, sondern sich ins Winterquartier begab.«
»Ar-Station hat sich nicht ergeben!« sagte Caledonius.
»Ich verstehe nicht«, sagte ein Offizier. »Die Stadt ist doch erst vor sieben Tagen gefallen.«
»Es müssen doch Tausende sein, die die Falschheit dieser Behauptungen kennen!« rief ein anderer.
»Nicht offiziell, nicht in Ar«, sagte Aemilianus. »Die meisten Bürger wissen, von Gerüchten abgesehen, nur das, was sie wissen dürfen. Ich vermute, es wäre sogar sehr unklug, gewisse Wahrheiten in Ar laut zu sagen.«
»Ich verstehe es einfach nicht«, sagte der Offizier.
»Angeblich stehen die Dinge folgendermaßen«, sagte Aemilianus. »Vor zwei Monaten haben ich, meine hohen Offiziere, die Kastenoberen und die Ratsherren von Ar-Station die Stadt einer Delegation der Cosianer übergeben, und zwar verräterischerweise und völlig kampflos. Als Gegenleistung für diesen Treubruch erhielten wir viel Gold und sicheres Geleit nach Port Cos, hinter deren Mauern man uns Unterkunft und Schutz gewährt.«
»Unsere Ankunft hier wird es so aussehen lassen, als sei dies die Wahrheit!« rief Caledonius.
»Das befürchte ich auch«, meinte der Offizier.
»Würdest du lieber in die Asche von Ar-Station zurückkehren?« fragte Aemilianus erbittert.
»Sicherlich werden die Bürger von Port Cos solche Lügen nicht glauben«, meinte Caledonius.
»Natürlich nicht«, erwiderte Aemilianus. »Hier kennt man die Wahrheit. Doch das gilt nicht für Ar und den ganzen Süden.«
»Woher hast du das erfahren?« wollte Marsias wissen.
»Um genau zu sein, aus den Botschaften«, sagte Aemilianus. »Wie es scheint, hat Cos viele Spione. Außerdem scheint es über schnelle, verborgene Nachrichtenwege zu verfügen. Ich bezweifle nicht, daß seine Taten auf dem Kontinent von langer Hand vorbereitet waren. Natürlich haben die Cosianer einen engen Kontakt zu Port Cos, dessen Unterstützung am Fluß ihnen sehr wichtig ist. Ich würde zwar nicht behaupten, daß zwischen ihnen völlige Offenheit besteht, aber es scheint kein Problem, solche Dinge in Erfahrung zu bringen.«
»Kapitän Calliodorus nimmt diese Berichte ernst?« fragte Surilius.
»Ja. Da Ar-Station von Ar im Stich gelassen wurde, hatte er, wie ich auch, damit gerechnet, daß man die Geschehnisse so deuten würde.«
»Anscheinend sind die Spione aus Cos sehr tüchtig«, meinte Marsias.
»Wie Calliodorus mir berichtete, wird behauptet, daß ein morgendliches Flüstern in Ar am Abend in Telnus gehört wird.«
Wir hatten den Hafen fast erreicht. Uns umgab eine ganze Wolkenbank weißer Segel, von so vielen Schiffen wurden wir umringt.
»Da ist noch mehr«, fuhr Aemilianus bitter fort. »Die Bürger von Ar-Station und diejenigen, die sie zum Verrat angestiftet haben, sind öffentlich in Ungnade gefallen, was wenig überraschend ist, bedenkt man die verfälschte und verzerrte Darstellung unserer Handlungen.«
Wütende Aufschreie ertönten. Hände schlossen sich um Schwertgriffe.
»War das der Inhalt der Botschaften, Kommandant?« fragte ein Offizier.
»Das müßte dir reichen. Den Rest willst du sicher nicht wissen«, sagte Aemilianus grimmig.
»Kommandant!« protestierte der Mann.
»Der Heimstein ist in Ar eingetroffen.«
»Das ist gut«, jubelte Caledonius.
»Es wäre besser, es wäre nie geschehen«, sagte Aemilianus.
»Aber Kommandant!«
»Er wird auf der Straße des Zentralzylinders in dessen Nähe unter Bewachung gehalten«, sagte er. »Dort ist er aufgebaut, damit die Bürger von Ar und alle, die es sonst wollen, daran vorbeigehen und darauf spucken können.«
»Vergeltung!« schrie Marcus.
»Und wir alle wurden zu Renegaten erklärt!«
»Vergeltung!« schluchzte Marcus, der junge Krieger. Er hatte das Schwert gezogen.
»Vergeltung!« rief Marsias.
»Vergeltung!« riefen andere. Wutschreie erschollen, Schwerter wurden gezogen.
»Meine lieben Freunde, steckt die Schwerter weg«, sagte Aemilianus. »Laßt uns jetzt an diesem Feiertag, der zum Tag des Topas erklärt werden soll, alle Gedanken an Wut und Blut beiseite legen. Beeilt euch lieber, eure Gewänder vom Staub zu befreien, und zaubert ein Lächeln auf eure Gesichter. Ich bitte euch, zeigt heute nur freudige Mienen. Laßt uns diesen Tag Port Cos zur Ehre gereichen, unseren Brüdern am Fluß, laßt uns mit ihnen unsere Rettung feiern. Sie haben unsere Dankbarkeit verdient. Ihr werdet sicher begreifen, daß die Treue, mit der Port Cos den Schwur des Topas erfüllt hat, die Stadt in der Zukunft noch teuer zu stehen kommen wird.«
»Die Bürger von Port Cos haben sich als bessere Freunde erwiesen als die Menschen Ars«, sagte Marsias.
»Vielleicht ist der Fluß unsere Heimat«, murmelte Caledonius.
»Vielleicht«, schlossen sich Männer seiner Meinung an.
Von den Landungsstegen von Port Cos kam Musik. Als der Bug herumschwenkte, um in die Einfahrt zu fahren, sahen wir, daß sich Menschenmengen in Festtagsgewändern drängelten. Es schien, als seinen dort alle Kastenfarben Gors vertreten.
»Meine verehrten Freunde«, sagte Aemilianus. »Bereitet euch darauf vor, von unseren Freunden aus Port Cos empfangen zu werden.«
Читать дальше