»Der Jeddak der Jeddaks!«schrie er. »Wo ist der Jeddak der Jeddaks? Die Stadt ist gefallen unter dem Ansturm der Horden von jenseits der Barriere, und jetzt ist auch das große Palasttor gestürmt worden, so daß die Krieger des Südens in die geheiligten Räume eindringen. Wo ist Salensus Oll? Er allein kann den schwindenden Mut unserer Krieger wieder anfeuern. Er allein kann uns und Okar retten. Wo ist Salensus Oll?«
Die Edlen traten von der Leiche ihres Herrschers zurück, und einer von ihnen deutete auf das im Tod noch grinsende Gesicht. Der Bote taumelte vor Entsetzen zurück, als habe ihm jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt.
»Dann flieht, Edle von Okar!« rief er. »Denn nichts kann euch mehr retten! Ha! Sie kommen!«
Während er noch sprach, vernahmen wir schon das tiefe Röhren vieler zorniger Stimmen auf dem Korridor, dann das Klirren von Metall und von Schwertern.
Ohne mich, den Zuschauer dieses traurigen Schauspiels, noch einmal anzuschauen, wirbelten die Edlen herum und flohen durch einen anderen Ausgang.
Fast im selben Moment erschien eine Truppe Gelber Krieger aus dem Korridor, durch den der Bote gekommen war. Sie zogen sich kämpfend in das Hochzeitsgemach zurück und leisteten einer Handvoll Roter Krieger erbitterten Widerstand, die sie langsam aber unaufhaltsam weitertrieben.
Von meinem erhöhten Platz auf der Estrade hatte ich einen recht guten Überblick. Sofort erkannte ich meinen alten Freund Kantos Kan. Er führte den kleinen Trupp an, der sich bis ins Herz des Palastes von Salensus Oll durchgekämpft hatte.
Sofort wurde ich mir darüber klar, daß ich jetzt die Okarianer nur von hinten anzugreifen brauchte, um sie völlig zu verwirren, so daß sie ihren Widerstand recht schnell aufgeben müßten. Mit diesem Gedanken sprang ich von der Estrade herunter, warf ein Wort der Erklärung für Dejah Thoris über die Schulter, schaute mich aber nicht um.
Für sie, die nun allein neben dem Thron stand, gab es keine Gefahr mehr, denn zwischen ihr und dem Feind stand ich, und Kantos Kan gewann mit seinem Häuflein Getreuer schnell an Boden.
Ich wollte, daß mich die Männer von Helium sahen und daß sie auch wußten, daß die Prinzessin Dejah Thoris hier war. Ich wußte ja, daß diese Gewißheit sie zu den unwahrscheinlichsten Taten anfeuern würde, obwohl es schon unwahrscheinlich genug war, daß diese paar Leute in das Herz des uneinnehmbaren Palastes des Tyrannen des Nordens vorgedrungen waren.
Ich querte den Raum, um die Kadabraner von rückwärts anzugreifen. Da ging links von mir eine Tür auf, und unter ihr erschienen Matai Shang, der Vater der Therns und Phaidor, seine Tochter, die in das Hochzeitsgemach hereinspähten.
Sie taten nur einen schnellen Blick. Entsetzt sahen sie den Leichnam von Salensus Oll, dessen Blut den Boden rot gefärbt hatte, und sie sahen auch die zahlreichen Leichen der Edlen, die im Kampf mit mir gefallen waren, und dann beobachteten sie ein paar Augenblicke lang den Kampf, der an der anderen Tür sich abspielte.
Sie versuchten nicht einmal den Saal zu betreten, sondern schauten nur schnell in alle Ecken. Plötzlich veränderte sich die Miene von Matai Shang zu einer Maske kalter Wut, und Phaidors Lippen umspielte ein kaltes, spöttisches Lächeln.
Dann waren sie wieder verschwunden, aber ich hörte noch, wie Phaidor höhnisch lachte.
Den Grund von Matai Shangs Wut oder Phaidors höhnischer Freunde begriff ich nicht, nur das eine wußte ich, daß beides nichts Gutes für mich zu bedeuten hatte.
Im nächsten Augenblick hockte ich schon auf den Rücken der Gelben Männer, und als die Roten Männer von Helium mich über den Schultern ihrer Feinde sahen, ertönte ein gewaltiger Kampfschrei, in dem jeder andere Lärm unterging.
»Für den Prinzen von Helium!« schrien sie. Und wie hungrige Löwen über ihre Beute herfallen, so fielen sie voll neugestärkter Kampfeslust über die nun allmählich schwächer werdenden Krieger des Nordens her.
Die Gelben standen nun zwischen zwei Feinden und kämpften mit der Verzweiflung der Hoffnungslosen. An ihrer Stelle hätte ich ebenso gekämpft, wenn auch nur aus dem Grund, daß ich möglichst viele Feinde mitnehmen wollte, wenn ich selbst schon sterben müßte. Es war ein glorreicher Kampf, eine richtige Schlacht im Kleinformat. Der Ausgang schien ganz eindeutig festzustehen, als plötzlich aus dem Korridor hinter den Roten Kriegern eine große Formation Gelber heranstürmte.
Jetzt wendete sich das Blatt, und die Männer von Helium schienen jene zu sein, die zwischen zwei Mühlsteine geraten waren. Sie mußten sich jetzt den weit überlegenen Angreifern zuwenden, so daß ich mich den Resten der Gelben im Hochzeitsraum nun allein gegenüber sah.
Ich hatte alle Hände voll zu tun, und ich machte mir schon ernsthaft Gedanken darüber, ob ich sie wirklich alle erledigen könnte. Langsam drückten sie mich immer weiter in den Raum hinein, und dann schloß und verriegelte einer die Tür; aber damit hatten sie auch Kantos Kan und seine Männer ausgeschlossen.
Das war ein raffinierter Schachzug, denn nun war ich der Gnade von einem Dutzend Verzweifelter und Wütender ausgeliefert; ich konnte von nirgends her Hilfe erwarten, aber auch meine Freunde hatten keine Fluchtmöglichkeit, falls die neuen Gegner allzu übermächtig waren.
Ich habe aber schon viel schwierigere Situationen erfolgreich durchgestanden als an jenem Tag, und ich wußte auch, daß Kantos Kan sich mit seinem Häuflein Männer durch hundert gefährliche Fallen und mehr gekämpft hatte. Deshalb kam es mir gar nicht in den Sinn, verzweifelt zu sein.
Nur an Dejah Thoris mußte ich immer wieder denken, und ich sehnte mich nach der Minute, da der Kampf zu Ende war und ich sie nach so langer Zeit wieder einmal in die Arme schließen konnte. Und dann würde sie mir jene Liebesworte zuflüstern, die ich so viele Jahre hatte entbehren müssen.
Während des Kampfes hatte ich nicht einmal für einen flüchtigen Blick dorthin Zeit gehabt, wo ich sie vermutete. Ich wunderte mich allerdings darüber, daß sie mich nicht mehr anfeuerte und daß sie auch die Hymne von Helium nicht mehr sang. Mir genügte allerdings das Wissen, für sie zu kämpfen, denn das mobilisierte meine besten Kräfte.
Es wäre sehr ermüdend, alle Einzelheiten dieser blutigen Schlacht zu schildern, wie wir uns durch die ganze Länge des Saales kämpften, bis endlich zu Füßen des Thrones mein Schwert das Herz des letzten Gegners durchbohrte.
Mit einem Freudenschrei drehte ich mich um, streckte die Arme aus und wollte meine Prinzessin an meine Brust drücken, meine Lippen auf die ihren pressen und von ihr den süßen Lohn für die beschwerlichen Abenteuer empfangen, die ich allein ihretwegen bestanden hatte, als ich ihr vom Süd- zum Nordpol folgte.
Aber der Freudenschrei erstarb auf meinen Lippen, und meine Arme fielen schlaff und wie lahm herunter. Wie einer, der unter der Bürde der Sterblichen zusammenbricht, taumelte ich die Stufen zum Thron hinauf.
Dejah Thoris war verschwunden.
Etwas verspätet fiel mir nun ein, daß ich ja ganz flüchtig ein schwarzes Gesicht gesehen hatte, das zwischen den Portieren hinter dem Thron von Salensus Oll herausgespäht hatte.
Warum hatte mich dieses üble Gesicht nicht zu größerer Vorsicht gewarnt? Warum hatte ich mich während der – zugegeben – stürmischen Entwicklung der Dinge nicht um diese drohende Gefahr gekümmert? Es war müßig, jetzt reuige Überlegungen anzustellen, denn damit konnte ich dieses neue Problem nicht lösen. Wieder einmal war Dejah Thoris in die Klauen ihres Erzfeindes Thurid gefallen, in die des üblen schwarzen Prinzen der Erstgeborenen. Meine ganze mühsame Arbeit, alle Kämpfe waren umsonst gewesen. Und jetzt wußte ich auch, was der Ausdruck sinnloser Wut im Geten hatten.
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