Sein Herz tat einen Freudensprung: Thuvia von Ptarth lebte.
Carthoris mußte sich alle Mühe geben, nicht dem ersten Impuls zu folgen und an die Seite der Prinzessin von Ptarth zu eilen. Er wußte, daß er hier nur mit vernünftiger Überlegung etwas ausrichten konnte, und eine übereilte Tat hätte sinnlos jede künftige Rettungsmöglichkeit verspielt.
Sie wurde zum Fuß des Podiums gezerrt, und dann sah er, wie Hortan Gur sie ansprach. Die Worte konnte er wegen der großen Entfernung nicht verstehen, auch nicht Thuvias Antwort; diese mußte aber das grüne Ungeheuer sehr geärgert haben, denn Carthoris sah ihn aufspringen, und dann schlug er sie brutal mit dem Arm, der mit schweren Armreifen und Ornamenten behängt war, quer über das Gesicht.
Das war zuviel. Der Sohn John Carters, Jeddak der Jeddaks, Kriegsherr von Barsoom, wurde irr vor Zorn. Der blutrote Nebel, durch den sein Herr und Vater zahlreiche Feinde gesehen hatte, schob sich vor seine Augen.
Seine halb irdischen Muskeln reagierten blitzschnell, und mit ein paar enormen Sprüngen näherte er sich dem grünen Ungeheuer, das die Frau geschlagen hatte, die er liebte.
Die Torquasianer schauten nicht in die Richtung, aus der er kam. Aller Augen hingen an den Gestalten des Mädchens und ihres Jeddaks, und ihr Lachen war widerlich laut und brutal, als sie sich über den köstlichen Witz amüsierten, den diese kleine Gefangene eben gemacht hatte. Sie hatte nämlich von dem Riesen ihre Freiheit verlangt.
Carthoris hatte etwa die Hälfte der Strecke zwischen Wald und Plattform zurückgelegt, als sich etwas ereignete, das die Aufmerksamkeit der grünen Krieger noch stärker beanspruchte, weshalb man nun erst recht nicht auf ihn aufmerksam wurde.
Auf einem hohen Turm der belagerten Stadt erschien ein Mann. Er hatte sein Gesicht nach oben gewandt und stieß mit weit offenem Mund entsetzliche schrille Schreie aus. Diese Schreie klangen so furchterregend über die Stadtmauern und die Köpfe der Belagerer bis zum Wald hinüber, daß selbst den grünen Kriegern das Mark in den Knochen gefrieren konnte.
Zwei-, dreimal hallten diese gräßlichen Schreie an die Ohren der wie versteinert dastehenden grünen Männer, und dann kam von weit, weit hinter den Wäldern ein klarer, scharfer, ebenso schriller Antwortschrei.
Das war aber nur der Anfang. Aus allen Richtungen schienen nun diese Schreie zu kommen, und aus unzählichen Kehlen schienen sie aufzusteigen, und das wurde so überwältigend schrecklich, daß davon die ganze Welt zu zittern und zu hallen schien.
Nervös sahen sich die grünen Krieger um. Sie kannten keine Furcht, wie Erdenmenschen sie kennen, aber in ihren Gesichtern stand es deutlich geschrieben, daß die sonstige Selbstsicherheit, die recht oft an Überheblichkeit grenzte, langsam verloren ging.
Und dann wurde plötzlich das große Stadttor gegenüber der Plattform von Hortan Gur weit aufgerissen. Das Schauspiel, das sich Carthoris nun bot, war recht merkwürdig, und er konnte sich nicht daran erinnern, je etwas Ähnliches gesehen oder davon gehört zu haben. Durch dieses Tor kamen sehr große Bogenschützen, die lange, ovale Schilde vor sich hielten. Diese Männer hatten rötlichbraune Haare, und die Tiere, die knurrend und brüllend neben ihnen her liefen, waren die wilden Löwen von Barsoom.
Aber dann stand er schon mitten unter den verblüfften Torquasianern und schwang sein Langschwert. Noch ein Sprung, und er befand sich neben Thuvia von Ptarth, die ihn starr vor Staunen ansah, denn sie glaubte John Carter persönlich vor sich zu sehen, so ähnlich sah der Sohn seinem Vater, und so sehr glichen seine Kampfmethoden denen des Kriegsherrn von Barsoom.
Sogar das Kampflächeln des Mannes aus Virginia hatte der Marsprinz. Und den Schwertarm! Ah, dieses Tempo, diese fantastische Geschicklichkeit!
Jetzt herrschte überall verwirrte Aufregung. Grüne Krieger sprangen auf die Rücken ihrer verschlafenen, quiekenden Thoats.
Kalotts knurrten wild oder winselten, weil sie es nicht mehr erwarten konnten, den herannahenden Feinden an die Kehle zu springen.
Thar Ban und ein weiterer an der Plattform stehender Mann waren die ersten, die Carthoris kommen sahen, und mit ihnen mußte er auch um den Besitz des Roten Mädchens kämpfen, während die anderen davoneilten, um dem aus der belagerten Stadt heranmarschierenden Feind gebührend zu empfangen.
Carthoris versuchte sowohl Thuvia von Ptarth zu verteidigen als auch an die Seite des schrecklichen Hortan Gur zu gelangen, um den Schlag zu rächen, den er dem Mädchen versetzt hatte.
Über die Leichen von zwei grünen Kriegern, die sich ihm entgegengestellt hatten, um das Leben ihres Jeddak zu schützen, erreichte Carthoris das Podium. Thar Ban und einige der Krieger bemühten sich noch immer, den Roten Prinzen zurückzuschlagen, doch damit hatten sie wenig Erfolg. In dem Moment, als der junge Prinz aus Helium am Fuß der Tribüne stand, versuchte Hortan Gur, von dort aus auf sein Thoat zu springen.
Die grünen Krieger hatten ihre Aufmerksamkeit den aus der Stadt herankommenden Bogenschützen zugewandt, und beim Anblick der wilden Banths war ihnen anscheinend doch nicht ganz geheuer. Sie wußten, daß diese Tiere ungeheuer grausam und wild waren, viel furchterregender als ihre eigenen wilden Kampfhunde, die Kalotts. Mit einem Satz war Carthoris auf dem Podium, und er zog Thuvia mit hinauf. Dann wandte er sich mit einer zornigen Herausforderung und einem kraftvollen Schwertstoß dem Jeddak zu, der schon dabei war, sich auf sein Thoat zu schwingen.
Als die Schwertspitze des Heliumprinzen die grüne Haut des Riesen berührte, wandte sich dieser seinem Gegner mit einem fürchterlichen Knurren zu, aber zwei seiner Häuptlinge riefen ihn an, er solle sich beeilen, denn die hellhäutigen Stadtbewohner seien viel zahlreicher als zu erwarten gewesen sei. Der Kampf werde viel gefährlicher werden, als man geahnt habe.
Hortan Gur ließ also von dem Roten Prinzen ab und stellte ihm in Aussicht, sich ausführlich mit ihm zu beschäftigen, sobald er sich der streitsüchtigen Bürger der belagerten Stadt entledigt hatte. Damit sprang er endgültig auf sein Thoat und galoppierte davon, den rasch herankommenden Bogenschützen entgegen.
Die anderen Krieger folgten eiligst ihrem Jeddak und ließen Thuvia und Carthoris allein auf der Plattform zurück.
Um sie herum in der ganzen Stadt herrschte ein schreckliches Kampfgetümmel. Die hellhäutigen Krieger, die nur mit ihren großen Bogen und kurzen Kriegsäxten bewaffnet waren, schienen den grünen Kriegern in unmittelbarer Nähe nicht gewachsen zu sein, doch aus einer gewissen Entfernung richteten, ihre Pfeile mindestens ebensolche Verwüstungen unter den grünen Kriegern an, wie deren Radiumprojektile unter ihnen.
Wenn auch die ausfallenden Belagerten auf diese Art den Grünen unterlegen waren, so machten ihre wilden Gefährten, die schrecklichen Banths, einiges wieder wett. Die beiden Kampflinien waren noch ein ganzes Stück voneinander entfernt, als Hunderte dieser fürchterlichen, blutrünstigen Kreaturen unter die Torquasianer sprangen und viele Krieger von ihren Thoats herunterrissen und dann sogar noch die riesigen Reittiere anfielen. Auf die Art schufen sie eine so große Verwirrung unter den Feinden ihrer Herren, daß diese stellenweise nicht mehr wußten, wem sie nun ihre Aufmerksamkeit zuwenden sollten.
Auch die riesige Anzahl der aus der Stadt quellenden Krieger verblüffte die Grünen. Kaum glaubten sie nämlich, sie hätten einen der Hellhäutigen erledigt, als sein Platz auch schon von mindestens einem anderen eingenommen worden war, so daß sich schließlich die Zahl der Verteidiger der Stadt nicht nur nicht verringerte, sondern sogar vervielfachte.
Und so geschah es dann auch, daß vor dem Ansturm der wütenden Banths und der immer mehr anwachsenden Zahl der hellhäutigen Krieger die Torquasianer zurückfielen, so daß wenig später die Plattform, auf der noch immer Carthoris und Thuvia standen, der Mittelpunkt der Kämpfe war.
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