Carthoris machte nicht den kleinsten Versuch, ihm zu folgen.
Er hatte andere Sorgen als die wohlverdiente Bestrafung dieser Schurken, die sich mit dem Metall seines eigenen Hauses schmückten, wenn sie ihre Untaten begingen. Klar und deutlich hatte er nämlich gesehen, daß sie an ihren Harnischen die Insignien seines persönlichen Gefolges trugen.
Nun kehrte er eiligst zu seinem Schiffchen zurück, und wenige Augenblicke später hob er sich in die Luft, um die Verfolgung von Thar Ban aufzunehmen.
Der Rote Krieger, der in den Palast geflohen war, erkannte Carthoris’ Absicht, griff nach einer Büchse, die seinen toten Kameraden gehört hatte und an einer Wand lehnte, seit sie hinausgerannt waren, um den Diebstahl ihrer kostbaren Beute zu verhindern.
Nur wenige von den Roten Männern sind gute Schützen, denn sie kämpfen viel lieber mit dem Schwert, und darin sind sie ja auch Meister. Als der Dusarianer nun auf den rasch steigenden Flieger anlegte und auf den Auslöseknopf drückte, war der teilweise Erfolg, den er hatte, nicht seiner Tüchtigkeit, sondern einem reinen Zufall zuzuschreiben.
Das Projektil schrammte die metallene Rumpfhaut des Fliegers, und das genügte, um die dünne Opakhülse des Geschosses so weit aufzubrechen, daß Tageslicht auf die Pulverphiole im Geschoßkopf fiel. Es gab eine scharfe Explosion.
Carthoris spürte, wie sein Schiffchen unter ihm wie betrunken herumtorkelte, und dann blieb auch noch die Maschine stehen.
Die Geschwindigkeit, die das Schiffchen schon erreicht hatte, trug es noch über die Stadt hinweg zum Seeboden, der dahinter begann.
Der Rote Krieger unten auf dem Platz gab noch einige Schüsse ab, doch keiner von ihnen traf mehr. Dann entschwand seine dahintreibende Beute hinter einem schlanken Turm seinen Blicken.
Ein ganzes Stück vor Carthoris raste der grüne Krieger mit Thuvia von Ptarth auf seinem riesigen Thoat dahin. Er hielt dabei, von Aaanthor aus gesehen, eine nordwestliche Richtung ein, und dort lag ein Bergland, von dem die Roten Männer an sich recht wenig wußten.
Nun mußte sich Carthoris um sein beschädigtes Schiff kümmern.
Es erwies sich leider, daß einer der Treibstofftanks durchschossen war, doch die Maschine selbst hatte nichts abbekommen.
Ein Geschoßsplitter hatte einen Instrumentenhebel so schwer getroffen, daß er unterwegs nicht repariert werden konnte, sondern in einer Werkstätte ausgewechselt werden mußte. Aber nach einigem Herumprobieren und kleinen Veränderungen gelang es Carthoris doch, sein verwundetes Schiffchen wenigstens ganz langsam zu fliegen. Das Tempo genügte allerdings bei weitem nicht, das Thoat einzuholen, denn das schoß auf seinen acht langen Beinen mit unglaublicher Geschwindigkeit über die mit ockerfarbenem Moos bestandenen glatten Seegründe.
Der Prinz von Helium kochte vor verzweifeltem Zorn wegen der Langsamkeit, mit der er vorwärts kam. Trotzdem mußte er froh sein, daß die Beschädigung nicht noch schwerer war, denn so konnte er sich auf jeden Fall noch schneller fortbewegen als zu Fuß.
Doch auch diese dürftige Befriedigung war nicht von langer Dauer, denn bald sackte das Schiffchen nach backbord und am Bug ab. Der Schaden am Treibstofftank schien also doch noch viel ernster gewesen zu sein als er zuerst geglaubt hatte.
Den ganzen Tag lang kroch Carthoris in einem recht fragwürdigen Zickzackkurs durch die Luft. Der Bug senkte sich immer tiefer, und die Backbordseite gab auch immer mehr nach.
Es ging schon auf den Abend zu, und die Dunkelheit stand kurz bevor, als der Flieger die Nase immer tiefer hinunterfallen ließ, so daß sich Carthoris schließlich an einem kräftigen Decksring mit dem Harnisch anhängen mußte, um nicht abgeworfen zu werden.
Er bewegte sich nur noch ganz langsam im Tempo einer sanften Brise vorwärts, die aus Südosten blies, und mit Sonnenuntergang hörte sie ganz auf. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Flieger vorsichtig auf den Moosboden zu setzen.
Weit vor ihm türmten sich die Berge auf denen der Grüne entgegenritt, als er ihn zuletzt sah. Das war schon ziemlich lange her, doch Carthoris von Helium, der Sohn John Carters, war ebenso entschlossen und vom gleichen Durchhaltevermögen wie sein Vater und nahm daher die Verfolgung zu Fuß auf. Sein Vater hätte es ja auch nicht anders gemacht.
Die ganze Nacht hindurch marschierte er weiter. Endlich dämmerte ein neuer Tag, und nun kam er in die niederen Vorberge, die jenen hohen Bergen vorgelagert sind, welche das Land Torquas schützen.
Vor ihm stiegen zerklüftete Granitfelsen auf. Nirgends konnte er in dieser grandiosen Barriere eine Lücke finden, die ihm einen Zugang zu dem dahinterliegenden Land gewährt hätte, aber irgendwo in diesem abweisenden Gebirge mußte es doch einen Weg geben, auf dem der grüne Krieger die Frau seines Herzens durch diese Barriere gebracht hatte.
Auf dem Moosboden des Seegrundes hatte er keine Spur gehabt, der er hätte folgen können, denn die weichen Tatzen des Thoats drückten sich nicht so tief in die federnde Vegetationsschicht, als daß er an diesen Zeichen den Weg des grünen Kriegers hätte erkennen können.
Hier war es anders. Da und dort gab es ganze Geröllhalden oder schwarze Erde, auf der wilde Blumen wuchsen. Hier herrschte nicht mehr die Monotonie der Tieflande, und Carthoris hoffte früher oder später Spuren zu finden, die ihm eine Verfolgung ermöglichten.
Er suchte sorgfältig ein weites Gelände ab, doch er fand nichts.
Der vorher deutlich erkennbare Pfad hörte ganz einfach auf. Es war sehr mysteriös und ziemlich verwirrend.
Wieder näherte sich der Abend, als Carthoris’ scharfe Augen ein braungelbes Tier erspähen konnten, das sich in einigen hundert Yards Entfernung links von ihm zwischen den Felsblöcken bewegte. Carthoris duckte sich rasch hinter einen großen Felsen und beobachtete das Ding. Es war ein riesiger Banth, einer jener wilden Marslöwen, die in den trostlosen Bergen des sterbenden Planeten hausen. Er hatte die Nase auf dem Boden und schien der Spur eines fleischigen Wesens zu folgen.
Carthoris beobachtete ihn, und nun faßte er wieder Hoffnung.
Hier lag vielleicht die Lösung für das Geheimnis, das er schon den ganzen Tag zu enträtseln versuchte. Dieses hungrige Raubtier war gierig auf Menschenfleisch und verfolgte vielleicht gerade jetzt die beiden, die auch er, Carthoris, suchte.
Vorsichtig folgte nun der junge Mann der Spur des Raubtieres.
Es bewegte sich am Fuß einer senkrecht ansteigenden Wand entlang. Immer wieder schnüffelte es den Boden ab, und gelegentlich gab es ein leises Winseln, den Laut des jagenden Banth von sich.
Erst wenige Minuten war Carthoris dem Tier gefolgt, als es so plötzlich und spurlos verschwand, als habe es sich in Luft aufgelöst.
Carthoris sprang auf. Nein, jetzt ließ er sich nicht auch noch von einem Tier an der Nase herumführen! Es genügte schon, wenn der grüne Krieger mit seiner kostbaren Beute spurlos verschwunden war! Er rannte auf die Stelle zu, an der er das Raubtier zuletzt gesehen hatte.
Vor ihm stieg eine senkrechte Felswand auf, in der sich keine Höhlen erkennen ließen, in welche das riesige Tier hätte verschwinden können. Neben ihm war ein kleiner, flacher Felsklotz, kaum größer als das Deck eines Zehnmannfliegers und höchstens doppelt so hoch wie er groß war.
Vielleicht versteckte sich der Banth hinter dem Felsblock?
Das Raubtier konnte den Menschen, der ihm auf der Spur war, entdeckt haben, und nun lag es wahrscheinlich auf der Lauer, um sich die leichte Beute zu schnappen.
Vorsichtig und mit gezogenem Langschwert schlich Carthoris, Prinz von Helium, um den Felsblock herum. Kein Banth war da, dafür aber etwas anderes, das ihn mehr überraschte, als es zwanzig Banths vermocht hätten.
Vor ihm gähnte der Zugang zu einer dunklen Höhle, die tief in den Boden führte. Hier mußte der Banth verschwunden sein.
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