»Nein«, erwiderte Tritt schockiert. »Es ist einzig und allein für Derola bestimmt. Außerdem: wenn sie von allein solange fortbleibt, obwohl sich ein Baby-Mitt nach ihr sehnt — und sie war selber mal ein Baby-Mitt, sollten wir vielleicht sehen, wie wir ohne sie auskommen.«
»Aber Tritt, willst du denn nie wieder verschmelzen?«
»Nun, die Triade ist komplett.«
»Aber beim Verschmelzen geht es doch um mehr.«
»Wohin würde uns die Suche überhaupt führen?« fragte Tritt. »Die kleine Derola braucht mich. Sie ist noch so klein. Ich will sie nicht allein lassen.«
»Die Hartlinge werden dafür sorgen, daß Derola in gute Obhut kommt. Du und ich gehen in die Hart-Höhlen und finden Dua.«
Tritt dachte darüber nach. Dua war ihm egal. Irgendwie war ihm auch Odeen gleichgültig. Allein Derola zählte. Er sagte »Irgendwann einmal, irgendwann, wenn Derola älter ist. Jetzt noch nicht.«
»Tritt«, drängte Odeen, »wir müssen Dua finden. Sonst… sonst werden uns die Babies fortgenommen.«
»Von wem denn?« fragte Tritt.
»Von den Hartlingen.«
Tritt schwieg. Er wußte nichts zu sagen. So etwas hatte er ja noch nie gehört. Er konnte sich das überhaupt nicht vorstellen.
»Tritt, wir müssen weiterziehen. Ich weiß jetzt, warum. Ich habe darüber nachgedacht, seit Losten… Aber lassen wir das. Dua und du — ihr müßt ebenfalls weiterziehen. Da ich das jetzt weiß, wirst du es auch erkennen, und ich hoffe — ich glaube, Dua wird das gleiche Bedürfnis verspüren. Und wir müssen bald weiterziehen, denn Dua vernichtet die Welt.«
Tritt wich zurück. »Sieh mich nicht so an, Odeen… Du ziehst mich ja nur auf. Du ziehst mich auf…«
»Ich ziehe dich nicht auf, Tritt«, erwiderte Odeen traurig. »Ich weiß nur Bescheid, und da mußt du auch… Aber wir müssen Dua finden.«
»Nein, nein.« Tritt wand sich gepeinigt, versuchte sich zu wehren. Etwas Fremdes hatte von Odeen Besitz ergriffen, und das Leben ging unaufhaltsam seinem Ende entgegen. Es würde keinen Tritt und keinen Baby-Mitt mehr geben. Während sich jeder andere Elterling lange an seinem Baby-Mitt freuen konnte, verlor Tritt das seine fast sofort.
Das war nicht fair. Oh, es war einfach nicht fair.
Tritt atmete heftig. »Daran ist nur Dua schuld. Soll sie doch zuerst weiterziehen.«
Odeen sagte matt: »Es gibt keine andere Möglichkeit. Wir drei müssen gemeinsam…«
Und Tritt wußte, daß das so war — daß das so war — daß das so war…
Dua fühlte sich schwach und zittrig; außerdem war ihr kalt. Ihre Versuche, sich in aller Öffentlichkeit auszuruhen und neues Sonnenlicht aufzunehmen, hatte sie nach dem Gespräch mit Odeen nicht wieder aufgenommen. Und an den Batterien der Hartlinge kam sie nur sehr unregelmäßig zu einer Mahlzeit. Sie wagte sich niemals lange aus der Sicherheit des Gesteins und aß dann mit schnellen Schlucken und hatte niemals genug.
Ständiger Hunger begleitete sie, ein Hunger, der um so spürbarer war, als er ihre Fähigkeit, sich im Fels aufzuhalten, zu erschöpfen schien. Es war, als sollte sie jetzt bestraft werden für die lange Zeit, da sie immer erst bei Sonnenuntergang hinaufgegangen war und nur sehr spärlich gegessen hatte.
Wenn da nicht ihre Arbeit gewesen wäre, hätte sie Erschöpfung und Hunger nicht länger ertragen. Manchmal hoffte sie, daß die Hartlinge sie vernichten würden — doch erst, wenn sie wirklich fertig war.
Die Hartlinge waren hilflos, solange sich Dua im Gestein aufhielt. Manchmal erfühlte sie sie draußen in den Höhlen. Sie fürchteten sich. Manchmal meinte sie, die Angst gelte ihr; doch das konnte wohl nicht sein. Wie konnten sie Angst haben um sie; wie konnten sie befürchten, daß sie aus Nahrungsmangel oder vor Erschöpfung weiterziehen würde? Sie mußten wohl Angst vor ihr haben; Angst vor einer Maschine, die nicht so arbeitete, wie es vorgesehen war; Entsetzen angesichts eines solchen Wunders.
Sie mied die Hartlinge, wo sie nur konnte. Da sie immer wußte, wo sie sich aufhielten, war eine Gefangennahme unmöglich.
Die Hartlinge konnten nicht alle Stellen zugleich überwachen. Dua war der Meinung, daß sie auch das schwache Wahrnehmungsvermögen der Wesen gänzlich ausschalten konnte.
Sie wirbelte aus dem Gestein und studierte die Duplikate der Botschaften aus dem anderen Universum. Die Hartlinge wußten nichts von ihren Plänen. Wenn sie die Platten versteckten, spürte Dua sie mühelos wieder auf. Wenn sie sie vernichteten, war es auch egal. Dua hatte sie memoriert.
Sie verstand die Symbole zuerst nicht, doch je länger ihr Aufenthalt in den Felsen dauerte, desto mehr wurden ihre Sinne geschärft, und sie schien bald zu begreifen, ohne wirklich zu begreifen. Ohne daß die Symbole ihr im einzelnen bekannt waren, lösten sie Empfindungen aus.
Sie wählte Zeichen aus und plazierte sie so, daß sie in das andere Universum geschickt werden mußten. Die Zeichen ergaben ANGT. Sie hatte keine Ahnung, was das bedeuten konnte, doch die Form vermittelte ihr ein seltsames Gefühl der Angst, und sie versuchte nach besten Kräften, den Symbolen dieses Gefühl mit auf den Weg zu geben. Vielleicht würden die Ander-Wesen beim Studium der Nachricht ebenfalls Angst empfinden.
Als die Antworten eintrafen, spürte Dua die Erregung aus ihnen heraus. Nicht alle Reaktionen, die auf ihre Sendungen eintrafen, erhielt sie auch, denn manchmal waren die Hartlinge schneller, die also von ihrem Treiben wußten. Doch sie konnten die Nachrichten nicht lesen, konnten nicht einmal die Gefühle ausmachen, die mit den Symbolen kamen.
Es war ihr also egal. Was die Hartlinge auch herausfanden — sie ließ sich nicht von ihrem Ziel abbringen.
Sie wartete auf eine Nachricht, die das gewünschte Gefühl enthielt. Und schließlich kam sie: PUMPE SCHLECHT.
Diese Zeichen enthielten endlich Angst und Haß, wie sie es sich vorgestellt hatte, und sie sandte sie in erweiterter Form zurück mehr Angst, mehr Haß. Jetzt würden die Ander-Wesen verstehen. Jetzt würden sie die Pumpe stoppen. Die Hartlinge mußten dann einen anderen Weg finden, eine andere Energiequelle; sie durften ihre Energie nicht aus dem Tod jener unzähligen Ander-Wesen beziehen.
Sie machte lange Pausen im Gestein, verfiel in eine Art Dämmerzustand. Sie sehnte sich nach Nahrung und wartete auf eine günstige Gelegenheit, die Felsen zu verlassen. Noch sehnlicher wünschte sie sich, daß die Batterie dann keine Energie mehr enthielt. Sie wollte das letzte Quantum Nahrung heraussaugen, sich überzeugen, daß keine neue Energie heranfloß, daß ihre Aufgabe erfüllt war.
Schließlich kam sie heraus und blieb, den Inhalt der Batterie schlürfend, unvorsichtig lange draußen. Sie wollte sie bis zum letzten ausschöpfen, wollte sie leeren, wollte sehen, daß keine Energie nachfloß — doch es war ein endloser Strom — endlos — endlos…
Sie wich angewidert zurück. Die Positronen-Pumpen liefen also noch immer. Hatte ihre Botschaft die Ander-Wesen nicht dazu gebracht, die Pumpen zu stoppen? Hatten sie sie vielleicht nicht bekommen? Hatten sie ihre Bedeutung nicht erspürt?
Sie mußte es noch einmal versuchen. Sie mußte ihre Absicht deutlich machen, so daß kein Zweifel bleiben konnte. Jede Kombination von Signalen, die ihr das Gefühl von Gefahr zu vermitteln schienen, wollte sie verwenden; jede Kombination, die ihr Flehen verdeutlichte, die Pumpe zu stoppen.
Verzweifelt begann sie die Symbole in das Metall zu schmelzen; rückhaltslos setzte sie die Energie ein, die sie eben erst aus der Batterie gesaugt hatte; zehrte davon, bis nichts mehr übrig war und sie sich erschöpfter fühlte denn je: PUMPE NICHT STOPPEN NICHT STOPPEN
WIR NICHT STOPPEN PUMPE WIR NICHT HÖREN GEFAHR NICHT HÖREN NICHT HÖREN SIE STOPPEN BITTE STOPPEN SIE STOPPEN DAMIT WIR STOPPEN BITTE SIE STOPPEN GEFAHR GEFAHR GEFAHR STOPPEN STOPPEN SIE STOPPEN PUMPE.
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