Am nächsten Tage führten ihn Nadia und einige andere zu einer detaillierteren Tour durch Underhill und die umliegenden Einrichtungen; und er nickte die ganze Zeit mit seinem typisch glotzäugigen Blick, der einen veranlasste, zurückzunicken, wenn er sagte: »Ja, aber; ja, aber«, und dann folgte eine ins einzelne gehende Kritik nach der anderen, bis er schließlich sogar Nadia auf die Nerven fiel. Obwohl schwer zu bestreiten war, dass das Gebiet von Underhill arg mitgenommen war und bis zum Horizont in jeder Richtung verunstaltet, so dass es schien, das ginge über den ganzen Planeten so weiter.
Arkady sagte: »Es ist leicht, Backsteine zu färben. Man füge Manganoxid vom Magnesiumschmelzen hinzu, und schon hat man reinweiße Backsteine. Für Schwarz füge man Kohle hinzu, die beim Bosch-Verfahren übrig geblieben ist. Man kann jede gewünschte Stufe von Rot erhalten, indem man die Menge an Eisenoxiden verändert. Einschließlich einiger wirklich erstaunlicher Scharlachtöne. Schwefel für Gelb. Und es muss auch etwas für Grün und Blau geben. Ich weiß nicht, was; aber Spencer dürfte es wissen. Vielleicht irgendein Polymer auf Schwefelbasis. Ich weiß es nicht. Aber ein helles Grün würde an so einem roten Ort fabelhaft aussehen. Es wird vom Himmel eine schwärzliche Schattierung haben, aber dennoch grün sein und das Auge anziehen.
Und dann baut ihr mit diesen bunten Backsteinen Wände, die alle Mosaiken sind. Das ist eine schöne Arbeit. Jeder kann seine eigene Wand oder sein eigenes Gebäude haben, was immer er will. Alle Arbeitsstätten im Alchemistenviertel sehen aus wie Hinterhofgaragen oder weggeworfene Sardinendosen. Backstein um sie herum würde helfen, sie zu isolieren. Also gibt es einen guten wissenschaftlichen Grund dafür. Aber gewiss ist es ebenso wichtig, dass sie gut aussehen und dass es hier anheimelnd aussieht. Ich habe schon zu lange in einem Lande gelebt, das nur an Nützlichkeit dachte. Wir müssen zeigen, dass wir hier mehr als das wertschätzen, ja?«
»Ganz gleich, was wir mit den Gebäuden anfangen«, erklärte Maya scharf, »der Boden um sie herum wird dennoch ganz aufgerissen sein.«
»Aber nicht unbedingt! Schau, wenn die Bauarbeiten beendet sind, wäre es leicht möglich, den Boden wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen und dann lockeres Gestein darüberzubreiten auf eine Weise, die die einstige Ebene nachahmt. Staubstürme würden bald genug den erforderlichen Abrieb hinzufügen; und wenn die Leute dann Gehwege benutzen und Fahrzeuge auf Straßen oder Schienen laufen würden, sähe es bald aus wie der alte Grund, hier und da von Gebäuden mit farbigem Mosaik besetzt und Glaskuppeln voller Grünzeug und gelben Backsteinstraßen oder sonst etwas. Natürlich müssen wir das machen. Es ist eine Angelegenheit des Geistes. Dies soll nicht heißen, es hätte schon früher gemacht werden können. Erst musste die Infrastruktur eingerichtet werden. Das ist immer unsauber; aber jetzt sind wir bereit für die Kunst der Architektur, für ihren Geist.«
Er schwenkte die Hände, hielt plötzlich inne und starrte auf die zweifelnden Mienen hinter den Visierscheiben um ihn herum. »Nun, das ist doch eine Idee, oder?«
Ja, dachte Nadia und schaute sich mit Interesse um in dem Versuch, es sich bildlich vorzustellen. Vielleicht würde ihr ein solches Vorhaben wieder Freude an der Arbeit geben? Vielleicht würde es dann auch für Ann anders aussehen?
»Noch mehr Ideen von Arkady«, sagte Maya mit saurer Miene an diesem Abend im Schwimmbecken. »Das haben wir gerade nötig.«
»Es sind aber gute Idee«, sagte Nadia. Sie stieg heraus, duschte und zog einen Pullover an.
Später am Abend traf sie wieder Arkady und zeigte ihm die Kammer in der Nordwestecke von Underhill, bei der sie die Wände kahl gelassen hatte, so dass sie ihm das strukturelle Detail vorführen konnte.
»Es ist sehr elegant«, sagte er und strich mit einer Hand über die Backsteine. »Wirklich, Nadia, ganz Underhill ist prächtig. Ich kann deine Hand überall daran erkennen.«
Erfreut ging sie an einen Schirm und rief die Pläne für ein größeres Habitat auf, an denen sie gearbeitet hatte. Drei Reihen von Kammern mit gewölbter Decke unter der Oberfläche übereinander, in einer Wand eines sehr tiefen Grabens, Spiegel an der gegenüberliegenden Seite, um Sonnenlicht in die Räume zu lenken … Arkady nickte und zeigte grinsend auf den Schirm. Er stellte Fragen und machte Vorschläge: »Eine Arkade zwischen den Räumen und der Mauer für freien Platz. Und jedes Stockwerk gegenüber dem darunterliegenden etwas zurückgesetzt, so dass jeder einen Balkon hat, der die Arkade überschaut …«
»Ja, das sollte möglich sein …« Und sie tasteten an dem Computer, um die Architekturskizze zu verändern, während sie redeten.
Später gingen sie in das überdachte Atrium. Sie standen unter hohen Büscheln von schwarzen Bambusblättern. Die Pflanzen waren noch in Töpfen, während der Boden vorbereitet wurde. Es war ruhig und dunkel.
Arkady sagte leise: »Vielleicht könnten wir dieses Areal um ein Stockwerk absenken. Fenster und Türen in eure Gewölbe schneiden und sie aufhellen.«
Nadia nickte. »Wir haben daran gedacht und werden es tun. Aber es geht langsam, so viel Erdreich durch Schleusen hinauszuschaffen.« Sie schaute ihn an. »Aber was ist mit uns, Arkady? Bis jetzt haben wir nur über die Infrastruktur gesprochen. Ich sollte meinen, dass schöne Gebäude ziemlich weit unten auf der Liste der Dinge stehen, die zu tun wären.«
Arkady grinste. »Nun, vielleicht sind alle Dinge weiter oben auf der Liste schon erledigt.«
»Was? Höre ich, dass Arkady Nikelyovich das sagt?«
»Nun, du weißt — ich beklage mich nicht bloß, um mich zu beklagen, Miss Neun-Finger. Und die Art, wie die Dinge hier gelaufen sind, kommt dem sehr nahe, was ich während der Ausreise gesagt habe. So nahe, dass es töricht wäre, sich zu beklagen.«
»Ich muss zugeben, du überraschst mich.«
»Wirklich? Denk aber daran, wie ihr alle in diesem letzten Jahr zusammengearbeitet habt.«
»Halbjahr.«
Er lachte. »Halbjahr. Und während dieser ganzen Zeit besaßen wir keine Lander, wirklich. Diese abendlichen Zusammenkünfte, wenn ein jeder das Sagen hat und die Gruppe entscheidet, was am dringendsten zu tun ist. So sollte es sein. Und keine Zeit vergeuden mit Kaufen oder Verkaufen, weil es keinen Markt gibt. Alles hier gehört allen gleichermaßen. Und niemand von uns kann irgend etwas, das wir besitzen, ausbeuten, weil es außer uns keinen möglichen Käufer gibt. Es ist eine kommunale Gesellschaft geworden. Alle für einen und einer für alle.«
Nadia seufzte. »Arkady, die Dinge haben sich geändert. Es ist nicht mehr so. Und es ändert sich ständig noch mehr. Also wird es nicht dauern.«
»Warum sagst du das?« rief er. »Es wird dauern, wenn wir uns dafür entscheiden, dass es dauern wird.«
Sie sah ihn skeptisch an. »Du weißt, das ist nicht so einfach.«
»Nun ja, das ist es nicht. Aber es liegt in unserer Macht.«
»Vielleicht.« Sie seufzte wieder, dachte an Maya und Frank, an Phyllis, Sax und Ann. »Es gibt schrecklich viel Streit.«
»Das macht nichts, solange wir uns über gewisse grundlegende Dinge einig sind.«
Sie schüttelte den Kopf und rieb sich die Narbe mit den Fingern ihrer anderen Hand. Der fehlende Finger juckte. Sie fühlte sich plötzlich bedrückt. Über ihnen zeichneten sich die langen Bambusblätter vor den Sternen ab. Sie sahen aus wie Spritzer eines gigantischen Bazillus. Beide gingen sie den Weg zwischen Getreidebeeten entlang. Arkady ergriff ihre verstümmelte Hand und schaute auf die Narbe, bis es ihr lästig wurde, und sie sie zurückziehen wollte. Er hob sie hoch und gab dem jetzt freiliegenden Knöchel an der Wurzel des Ringfingers einen Kuss. »Du hast starke Hände, Miss Neun-Finger.«
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