Arkady trat an ein Terminal und schaltete Beethovens Pastorale ein, genau im dritten Satz, wenn der Tanz der Landleute durch Sturm unterbrochen wird. Er erhöhte die Lautstärke, und die Leute strömten in dem langen Halbzylinder zusammen, um der Intensität von Beethovens Gewitter zu lauschen, das plötzlich genau die Stöße des stummen Windes auszudrücken schien. Er würde ebenso klingen! Streich- und Blasinstrumente schrien in wilden Böen, außer Kontrolle und dennoch gleichzeitig herrlich melodisch. Ein Schauer lief Maya über den Rücken. Sie hatte diesem alten Kämpen noch nie so bewusst zugehört und blickte mit Bewunderung (und etwas Angst) auf Arkady, der ekstatisch über die Wirkungen seines Discjockey-Einfalls strahlte und wie ein roter Irrwisch im Wind tanzte. Als der Sturm in der Sinfonie seinen Höhepunkt erreichte, war es schwer zu glauben, dass die Strahlenzählung nicht anstieg. Und als der musikalische Sturm abebbte, schien es, als ob es auch bei ihnen still würde. Donner rollte, die letzten Windstöße pfiffen. Das Englischhorn sang seine heitere Entwarnung.
Die Leute fingen an, über andere Dinge zu sprechen. Sie erörterten die verschiedenen Tagesarbeiten, die so jäh unterbrochen worden waren, oder ergriffen die Gelegenheit, über andere Dinge zu plaudern. Nach einer halben Stunde oder mehr wurde eines dieser Gespräche lauter. Maya hatte nicht gehört, wie es anfing; aber plötzlich sagte Arkady sehr laut und auf englisch: »Ich glaube nicht, dass wir uns um Pläne kümmern sollten, die für uns hinten auf der Erde gemacht wurden!«
Andere Gespräche verstummten, und man wandte sich ihm zu. Er hatte sich hochgestoßen und schwebte unter dem rotierenden Dach der Kammer, wo er sie alle überblicken und wie ein verrückter fliegender Geist sprechen konnte.
Er sagte: »Ich denke, wir müssen neue Pläne machen. Wir sollten das jetzt gleich tun. Alles sollte von Anfang neu geplant werden und unser eigenes Denken zum Ausdruck bringen. Es sollte sich auf alles erstrecken, auch auf die ersten Schutzräume, die wir bauen.«
»Warum sich Sorgen machen?« fragte Maya, die sich über seine Großspurigkeit ärgerte. »Es sind gute Konstruktionen.« Es war wirklich aufreizend. Arkady belegte oft die Mitte der Bühne für sich, und die Leute schauten sie immer an, als wäre sie irgendwie für ihn verantwortlich, als wäre es ihre Aufgabe, ihn zu hindern, sie zu plagen.
Arkady sagte: »Gebäude sind die Schablonen einer Gesellschaft.«
»Sie sind Räume«, erklärte Sax Russell.
»Aber Räume drücken die soziale Organisation in ihnen aus.« Arkady schaute sich um und zog mit seinem Blick mehr Leute in die Diskussion. »Das Arrangement eines Gebäudes zeigt, was nach Meinung des Erbauers darin geschehen sollte. Das haben wir zu Beginn der Reise gesehen, als Russen und Amerikaner in Torus D und B getrennt waren. Man hatte erwartet, dass wir zwei verschiedene Entitäten bleiben sollten, seht ihr. Auf dem Mars wird es das gleiche sein. Gebäude drücken Werte aus, sie haben eine Art Grammatik, und Räume sind die Sätze. Ich will nicht, dass Leute in Washington oder Moskau sagen, wie ich mein Leben führen sollte. Davon habe ich genug.«
»Was gefällt dir nicht an dem Entwurf der ersten Unterkünfte?« fragte John mit interessierter Miene.
»Sie sind rechteckig«, sagte Arkady. Das rief Gelächter hervor, aber er beharrte: »Rechteckig, die konventionelle Gestalt! Wobei Arbeitsraum und Wohnungen getrennt sind, als ob Arbeit nicht ein Teil des Lebens wäre. Und die Wohnquartiere bestehen meistens aus Privaträumen. Darin kommen Hierarchien zum Ausdruck, indem Führern mehr Platz zugewiesen wird.«
»Ist das nicht bloß, um ihnen die Arbeit zu erleichtern?« fragte Sax.
»Nein. Das ist nicht wirklich erforderlich. Es ist eine Sache von Prestige. Ein sehr konventionelles Beispiel für amerikanisches Geschäftsdenken, wenn ich so sagen darf.«
Es gab einige Proteste, und Phyllis sagte: »Müssen wir politisch werden, Arkady?«
Bei der bloßen Erwähnung dieses Wortes zerstreute sich die Schar der Zuhörer. Mary Dunkel und etliche andere drängten hinaus und wandten sich dem anderen Ende des Raums zu.
Arkady rief ihnen nach: »Alles ist politisch. Nichts ist es mehr als diese unsere Reise. Wir beginnen eine neue Gesellschaft. Wie könnte die anders sein als politisch?«
»Wir sind eine wissenschaftliche Station«, sagte Sax. »Die muss nicht unbedingt viel Politik in sich bergen.«
»Als ich das letzte Mal dort war, hatte sie bestimmt nicht lange gedauert«, sagte John und sah Arkady nachdenklich an.
»O doch«, widersprach Arkady, »aber sie war einfacher. Ihr seid eine rein amerikanische Crew gewesen, dort auf einer zeitweiligen Mission, und habt getan, was eure Vorgesetzten von euch erwarteten. Aber jetzt sind wir eine internationale Crew, die eine permanente Kolonie gründet. Das ist etwas ganz anderes.«
Allmählich drifteten Leute durch die Luft auf die Konversation zu, um besser zu hören, was gesprochen wurde. Rya Jimenez sagte: »Ich interessiere mich nicht für Politik«, und Mary Dunkel stimmte vom anderen Ende des Raums aus zu: »Das ist eines der Dinge, weshalb ich hier bin, um davon loszukommen.«
Mehrere Russen entgegneten gleichzeitig: »Das ist selbst eine politische Position!« und dergleichen. Alex rief: »Ihr Amerikaner wollt mit Politik und Geschichte Schluss machen, damit ihr in einer Welt bleiben könnt, die ihr beherrscht!«
Einige Amerikaner versuchten zu protestieren, aber Alex ließ sie nicht zu Wort kommen. »Das ist wahr! Die ganze Welt hat sich in den letzten dreißig Jahren verändert; jedes Land kümmert sich um sein Fortkommen und macht enorme Veränderungen durch, um Probleme zu lösen — alle außer den Vereinigten Staaten. Ihr seid das reaktionärste Land der Welt geworden.«
»Die Länder, die sich verändert haben, mussten das tun, weil sie vorher starr und fast bankrott waren«, entgegnete Sax. »Die Vereinigten Staaten hatten schon ein flexibles System und mussten sich daher nicht so drastisch verändern. Ich nenne den Amerikanischen Weg überlegen, weil er glatter ist. Er ist besser gebaut.«
Diese Analogie gab Alex eine Pause. Und während er darüber nachdachte, sagte John Boone, der sehr interessiert zugehört hatte: »Um wieder auf die Unterkünfte zu sprechen zu kommen: Wie würdest du sie anders machen?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte Arkady. »Wir müssen die Plätze sehen, auf denen wir bauen, in ihnen umhergehen und darüber sprechen. Siehst du, es ist ein Prozess, den ich befürworte. Aber im allgemeinen denke ich, dass Arbeitsraum und Wohnraum gemischt sein sollten, soweit das praktikabel ist. Unsere Arbeit wird mehr sein, als Lohn zu verdienen. Sie wird unsere Kunst sein, unser ganzes Leben. Wir werden sie einander geben und nicht erkaufen. Es sollte auch keine Anzeichen von Hierarchie geben. Ich glaube nicht einmal an das Führersystem, das wir jetzt haben.« Er nickte Maya höflich zu. »Wir sind jetzt alle gleichermaßen verantwortlich, und das sollten unsere Gebäude zeigen. Ein Kreis ist am besten — baulich schwierig, aber sinnvoll für Wärme-Ersparnis. Eine geodätische Kuppel wäre ein guter Kompromiss — leicht zu errichten und ein Zeichen unserer Gleichheit. Was das Innere angeht, so größtenteils offen. Gewiss sollte ein jeder seinen Raum haben, aber diese Räume sollten klein sein. Vielleicht am Rande angeordnet und gegenüber größeren kommunalen Räumen …« Er griff nach einer Maus und fing an, auf dem Schirm zu zeichnen. »Da! Das ist eine Architekturgrammatik, die sagen will: ›Alles gleich.‹ Ja?«
John sagte: »Es gibt aber schon viele vorgefertigte Einheiten. Ich bin nicht sicher, ob sie angepasst werden könnten.«
»Das könnten sie, wenn wir es wollten.«
»Ist das aber wirklich notwendig? Ich meine, es ist klar, dass wir schon ein Team aus Gleichen bilden.«
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