Nachdem die beiden Aldebaraner ihren Astromaten auf den singulären hyperspatialen Metaschritt im Überraum eingestellt hatten, erschienen sie mit ihrem nur schwach glühenden Raumschiff dicht über der Atmosphäre des Planeten und ließen sich mit mäßiger Geschwindigkeit auf ihn herab. Die Ozeane und die Kontinente schwammen immer langsamer unter ihrem Astromaten vorüber. Vielleicht sollte man erwähnen, daß die Aldebaraner im Gegensatz zu den Menschen nicht in Raketen reisen, sondern umgekehrt: die Raketen reisen in ihnen — abgesehen von einer winzigen Spitze. Da der Planet den beiden Ankömmlingen fremd war, bestimmte ein reiner Zufall ihren Landeplatz. Als strategisch denkende Wesen und echte Söhne einer hochentwickelten parastatischen Zivilisation lassen sie sich am liebsten auf der Linie des planetaren Terminators nieder, das heißt dort, wo die Tageshemisphäre des Planeten an die nächtliche grenzt.
Sie setzten ihr kosmisches Fahrzeug auf der Säule der retrogravitativ ausgestoßenen Bralderone nieder, verließen es, das heißt, sie schwammen von ihm herunter und nahmen eine konzentrische Form an, was bei allen Metapterygia üblich ist, sowohl bei denen der Unterklasse der Polyzoa als auch der Monozoa.
An dieser Stelle wäre es nun angebracht, die Ankömmlinge zu beschreiben, aber ihr Äußeres ist nur zu gut bekannt. Nach Auffassung aller Autoren haben die Aldebaraner — ebenso wie die anderen hochorganisierten Wesen aus dem Bereich der Milchstraße — zahlreiche sehr lange Greifarme, von denen jeder in eine sechsfingrige Hand ausmündet, ungeheuer große, abstoßende Krakenköpfe sowie Beine, die den Greifarmen gleichen und sechs Zehen aufweisen. Der ältere der beiden, der Kybernetor der Exkursion, hieß NGTRX, der jüngere, ein in seiner Heimat berühmter Polysiater — PWGDRK.
Gleich nach der Landung schnitten sie von den merkwürdigen Gewächsen, die sie rings um ihr kosmisches Gefährt vorfanden, einen Haufen Äste ab und deckten damit den Raumkörper zu, um ihn zu tarnen. Dann luden sie die unentbehrlichen Apparate aus — den Eintank-Teremtak,
das geladene und somit einsatzfähige Aldolicho sowie den peripathetischen Telepathikus, von dem schon anfangs die Rede war.
Der peripathetische Telepathikus, Pe-Te genannt, ist ein Gerät, das zur Verständigung mit den vernunftbegabten Wesen anderer Planeten dient, das aber auch imstande ist, dank des hyperspatialen Anschlusses an den Univermantischen Supracereber, auf dem Aldebaran sämtliche Aufschriften in einhundertsechsundneunzigtausend galaktische Dialekte und Jargons zu übersetzen. Dieser Apparat unterscheidet sich, ebenso wie die anderen, insofern von den irdischen, als die Aldebaraner — das wird vom Jahre 2685 an bekannt sein — ihre Maschinen und Geräte nicht produzieren, sondern aus Samenkörnern oder Eiern ziehen, die entsprechend genetisch gesteuert werden.
Der peripathetische Telepathikus erinnert durch sein Äußeres, aber nicht nur durch sein Äußeres, an einen Skunk, denn er ist innen ganz mit fleischigen Zellen der Semantischen Erinnerung ausgefüllt und außerdem mit dem Trieb eines Alveolaren Translators sowie einer massiven Mnemonisch-Mnestischen Drüse ausgestattet. Darüber hinaus hat er vorn und hinten jeweils eine Eigentliche Luke (EL) seines Interglokokoms, das heißt des Interplanetaren Glossolalisch-Kohärent-Kontemplativen Kommunikators.
Mit dem Unentbehrlichsten ausgerüstet, machten sich die beiden auf den Weg. Den Peripathetikus hielten sie am Orthoriemen, den Teremtak ließen sie vorangehen mit dem Massiv des Aldolicho, das sie ihm über die Taster gehängt hatten.
Der Ort der ersten Erkundung hätte nicht besser sein können, es war ein mit dichtem Buschwerk bewachsenes Gelände, über das abendliche Wolken hinwegzogen. Kurz vor der Landung war es ihnen gelungen, in der Ferne eine Art Linie auszumachen, die sie für einen Verkehrstrakt hielten.
Als sie den unbekannten Globus in großer Höhe umkreist hatten, waren ihnen schon andere Zivilisationsspuren aufgefallen, zum Beispiel ein matt leuchtender Ausschlag auf der dunklen Halbkugel, wahrscheinlich das nächtliche Bild der Städte. Das nährte in ihnen die Hoffnung, auf hochentwickelte Lebewesen zu treffen, denn solche wollten sie ja finden. In jener Zeit — vor dem Untergang des nichtswürdigen Syncytium, dessen Aggressivität sich nicht einmal Hunderte von Planeten erwehren konnten, die vom Aldebaran weit entfernt waren —, in jener Zeit griffen die Aldebaraner am liebsten bewohnte Planeten an, weil sie das für ihre historische Mission hielten. Außerdem wurde die Kolonisierung unbewohnter Planeten ungern gesehen, zumal solche Unternehmungen gewaltige bauliche, industrielle und andere Investitionen erforderlich machten.
Die beiden Kundschafter gingen oder, richtiger gesagt, kämpften sich einige Zeit durch dichtes Gestrüpp, und die Bisse unbekannter fliegender kleiner Ungeheuer von der Gattung Gliedfüßiger Membranflügeliger Saugmünder machten ihnen viel zu schaffen. Obendrein sahen sie kaum etwas, und je länger ihre Wanderung währte, um so heftiger peitschten die elastischen Ruten der Sträucher ihre krakenähnlichen Köpfe, weil sie mit ihren ermatteten Greifarmen das Geflecht gar nicht so schnell auseinander halten konnten. Natürlich hatten sie nicht die Absicht, allein den Planeten zu unterwerfen — das lag nicht in ihrer Macht — , sie waren lediglich die Vorhut, nach deren Rückkehr die Vorbereitungen zur Großen Invasion getroffen werden sollten.
Das Aldolicho blieb immer häufig im Dickicht stecken, sie konnten es nur mit großer Mühe wieder herausholen. Dabei mußten sie darauf achten, daß der Abzugshahn nicht berührt wurde, denn durch das weiche Fell des Aldolicho war nur allzu deutlich die Ladung der Pfeile zu fühlen, die im Innern schlummerte. Die Bewohner des Planeten würden ihnen zweifellos schon sehr bald zum Opfer fallen.
„Irgendwelche Spuren der hiesigen Zivilisation sind nicht zu erkennen“, zischte PWGDRK nach etwa einer Stunde NGTRX zu.
„Aber ich habe Städte gesehen“, erwiderte NGTRX.
„Übrigens Warte mal, dort drüben wird es hell Das ist sicherlich die Straße. Ja, sieh nur, eine Straße!“
Sie waren auf eine Lichtung gestoßen, doch ihrer harrte eine Enttäuschung. Der relativ breite, gerade Streifen, der einer Straße ähnelte, entpuppte sich plötzlich als ein breiiger Sumpf aus einer klebrigen, glucksenden Substanz, die sich nach beiden Seiten über einen kompliziert geformten Unterbau von kreisförmigen und länglichen Vertiefungen und Erhebungen ausbreitete. Viele von ihnen waren von großen Steinen durchsetzt.
PWGDRK, der Polysiater, Spezialist für planetare Fragen, verkündete, sie hätten die Exkremente eines Gigantosauriers vor sich. Eine Straße sei das auf keinen Fall. Kein Aldebaraner Radfahrzeug würde ein solches Gelände befahren können.
An Ort und Stelle analysierten sie Bodenproben, die der Teremtak entnommen hatte, und lasen von seiner Stirn das phosphoreszierend leuchtende Resultat ab: Die klebrig-breiige Substanz war ein Gemisch aus Wasserstoffoxyd, Aluminium und Siliziumoxyd mit erheblichen Beimengungen von Schtz (Schmutz).
Es war also nichts mit dem Gigantosaurier.
Sie wateten weiter und versanken dabei bis zu den obersten Greifarmen. Plötzlich hörten sie hinter sich in der immer schneller einfallenden Dunkelheit seltsame ächzende Laute.
„Achtung!“ zischte NGTRX.
Etwas Stöhnendes, Schwankendes jagte von hinten auf sie zu — ein Riesengeschöpf mit abgeflachter Stirn, buckligem Rumpf und lockerer Haut.
„Ist das nicht ein Syncitium?“ fragte NGTRX erregt. Der schwarze Koloß kroch an ihnen vorbei — die beiden glaubten Räder zu erkennen, die furienhaft wie bei einer eigentümlichen Maschine hüpften. Sie wollten eine Ausfallposition einnehmen, als sich eine wahre Schmutzflut über sie ergoß. Halb betäubt und von oben bis unten besudelt, standen sie da. Nachdem sie sich vom gröbsten Schmutz befreit hatten, eilten sie zum Telepathikus, um zu erfahren, ob das Brüllen und Knurren, das die Maschine von sich gegeben hatte, so etwas wie einen artikulierten Charakter besäße.
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