In der Mitte des Raumes stand ein ellipsenförmiger Tisch. Sich den Körperbewegungen anpassende Suspensorsessel vervollständigten die Einrichtung. Zwei von ihnen waren besetzt. Im ersten saß ein dunkelhaariger junger Mann von etwa sechzehn Jahren, mit rundem Gesicht und mürrischem Blick. In dem anderen: ein schlanker, kleiner Mann mit verweichlichten Zügen.
Beide starrten sie auf den Globus, der sich unter den Händen des im Halbschatten verborgenen dritten Mannes drehte. Der Mann kicherte plötzlich. »Da haben wir sie, Piter — die größte Menschenfalle aller Zeiten. Und der Herzog stürzt sich geradewegs in sie hinein. Ist es nicht genial, was ich, Baron Wladimir Harkonnen, mir ausgedacht habe?«
»Gewiß doch, Baron«, erwiderte der Angesprochene. Seine Stimme klang wie ein süßer, melodischer Tenor.
Die fleischige Hand fiel auf den Globus herab und stoppte dessen Rotation. Nun, wo er stillstand, konnte man erkennen, daß er ein kostbarer Gegenstand war, hergestellt für reiche Sammler oder die planetarischen Gouverneure des Imperiums. Und es trug in der Tat das imperiale Siegel. Die Längen- und Breitengrade bestanden aus hauchzarten Platindrähten. Die Polkappen waren feine Diamanten von milchiger Farbe.
Nun glitt die Hand über die Oberfläche. »Ich lade euch zu einem Ausblick ein«, rumpelte die Baßstimme. »Schau dir das an, Piter; und du auch, Feyd-Rautha, mein Liebling: von sechzig Grad nördlicher bis siebzig Grad südlicher Breite reichen diese herrlichen Wellen. Und ihre Farbe! Erinnert sie euch nicht auch an die Süße von Karamellen? Und nirgendwo sieht man das herrliche Blau eines Sees oder Ozeans. Und erst diese lieblichen Polkappen! Wie klein sie sind. Wer könnte diesen Planeten schon mit einem anderen verwechseln? Es ist Arrakis! Der Einzigartige! Ein wirklich begehrenswerter Preis für einen Sieg.«
Ein Lächeln huschte über Piters Lippen. »Und wenn man bedenkt, daß der Padischah-Imperator glaubt, er habe dem Herzog Euren Gewürzplaneten geschenkt … Es ist einfach … pfefferig!«
»Unterlasse diese nichtssagenden Bemerkungen«, brummte der Baron. »Das tust du sowieso nur, um Feyd-Rautha zu verwirren. Es gibt außerdem auch keinen Grund, meinen Neffen für einen Tölpel zu halten.«
Als hinter ihm an die Tür geklopft wurde, richtete sich der mürrisch dreinblickende junge Mann in seinem Sessel auf und strich eine Falte seines Hemdes glatt.
Piter erhob sich, öffnete die Tür aber nur so weit, daß es reichte, um einen Nachrichtenzylinder entgegenzunehmen. Dann schloß er sie wieder, öffnete den Zylinder und breitete ihn vor sich aus. Er kicherte in sich hinein.
»Nun?« wollte der Baron wissen.
»Der Narr hat uns geantwortet, Baron!«
»Wann hätte sich auch je ein Atreides geweigert, die Gelegenheit einer Geste nicht beim Schopf zu ergreifen?« fragte der Baron. »Was schreibt er denn?«
»Er benimmt sich reichlich unhöflich, Baron. Redet Sie einfach mit ›Harkonnen‹ an. ›Sire und werter Cousin‹, kein Titel, nichts.«
»Harkonnen ist ein ebenso guter Name«, brummte der Baron, aber seine Stimme strafte ihre Aussage Lügen. »Was schreibt Leto genau?«
»Er schreibt: Das von Ihnen vorgeschlagene Treffen ist abgelehnt. Ich weiß, daß Sie ein Verräter sind, und das wissen alle Menschen.«
»Sonst noch was?« fragte der Baron.
»Er schreibt weiter: Auch heute noch besitzt die Kunst des Kanly Anhänger im Imperium. Unterzeichnet hat er mit Herzog Leto von Arrakis …« Piter fing an zu lachen. »Von Arrakis! O je! Das ist einfach zuviel!«
»Sei still, Piter«, sagte der Baron. Das Gelächter erstarb abrupt. »Kanly, wie?« fragte der Baron. »Eine Vendetta, heh? Und er benutzt extra dieses traditionelle Wort, damit ich weiß, daß er es auch ernst meint.«
»Sie waren es, der einen Friedensvorschlag gemacht hat«, sagte Piter. »Damit ist die Form gewahrt.«
»Für einen Mentaten redest du zuviel, Piter«, sagte der Baron. Und dachte: Ich muß ihn mir bald vom Halse schaffen. Er ist jetzt zu nichts mehr nütze. Er starrte ruhig seinen Mentat-Assassinen an, dessen Augen, weiße Schlitze, umgeben von wenigem Blau, seinen Blick ebenso erwiderten.
Ein Grinsen flog über Piters Gesicht. Im Zusammenhang mit seinen höhlenhaften, fast kein Weiß enthaltenden Augen wirkte es wie eine maskenhafte Grimasse. »Aber Baron! Niemals zuvor hat es eine herrlichere Rache gegeben! Es ist das ultimative Hintergehen, Leto zu veranlassen, Caladan für Arrakis herzugeben. Und er hat keine andere Wahl, als diesem kaiserlichen Befehl zu gehorchen. Wie gerissen von Ihnen!«
»Du schwatzt wie ein altes Weib, Piter«, erwiderte der Baron mit eiskalter Stimme.
»Weil ich glücklich bin, mein Baron. Während Sie … eifersüchtig sind.«
»Piter!«
»Aber Baron! Ist es nicht schade, daß Sie diesen Plan nur mit fremder Hilfe ausarbeiten konnten?«
»Irgendwann werde ich dich erwürgen lassen, Piter.«
»Aber selbstverständlich, Baron. Enfin! «
»Stehst du unter Verite oder Semuta, Piter?«
»Wer die Wahrheit ohne Furcht ausspricht, verunsichert den Baron«, sagte Piter. Sein Gesicht wurde zur Karikatur einer erstarrten Maske. »Oho, Baron! Sie sollten wissen, daß es ein Mentat stets vorher weiß, wann der Henker zu ihm kommt. Sie werden sich meiner Dienste bedienen, solange ich Ihnen von Nutzen bin. Mich früher umbringen zu lassen, bedeutet Vergeudung, und ich bin immer noch für viele Dinge gut. Ich weiß, was Sie von diesem lieblichen Wüstenplaneten gelernt haben: Vergeude nichts! Stimmts, Baron?«
Der Baron starrte ihn schweigend an.
Feyd-Rautha bewegte sich in seinem Sessel. Diese elenden Narren , dachte er. Es ist meinem Onkel einfach nicht möglich, mit diesem Mentaten zu reden, ohne gleich Streit anzufangen. Glauben die beiden etwa, ich hätte nichts Besseres zu tun, als ihrem Gewäsch zuzuhören?
»Feyd«, sagte der Baron, »ich habe dir gesagt, daß du zuhören und lernen sollst, als ich dich hierherbrachte. Lernst du?«
»Ja, Onkel.« Feyds Stimme klang betont unterwürfig.
»Manchmal«, fuhr der Baron fort, »wundere ich mich über Piter. Wenn ich jemandem Schmerzen zufüge, tue ich das, weil es keinen anderen Weg gibt. Aber er … ich glaube, er hat wirklich Spaß daran. Mir selbst tut der arme Leto fast leid. Bald wird Dr. Yueh gegen ihn losschlagen, und das wird dann das Ende seiner Familie sein. Und dann wird Leto erfahren, wer sich dieses gefügigen Mediziners bediente. Dieses Wissen muß schrecklich sein.«
»Warum, wenn Sie schon Mitleid mit ihm haben, wiesen Sie den Doktor nicht an, ihm ein Kindjal zwischen die Rippen zu stoßen?« fragte Piter. »Das wäre doch ein schnellerer Tod gewesen.«
»Der Herzog muß wissen, daß ich es war, der sein Haus zum Einsturz brachte«, erwiderte der Baron. »Und die anderen Hohen Häuser sollen daraus eine Lehre ziehen. Dieses Wissen wird sie zögern lassen. Um so mehr Zeit habe ich für die Durchführung meiner weiteren Pläne. Die Notwendigkeit meines Handelns dürfte offensichtlich sein, auch wenn ich es verabscheue.«
»Zeit für die Durchführung Ihrer Pläne«, schnarrte Piter in spöttischem Ton. »Merken Sie nicht, daß der Imperator bereits auf Sie aufmerksam geworden ist, Baron? Sie gehen zu schnell vor. Eines Tages wird er eine oder zwei Legionen seiner Sardaukar hierher nach Giedi Primus senden. Und das wird dann das Ende des Barons Wladimir Harkonnen darstellen.«
»Das würde dir gefallen, nicht wahr, Piter?« fragte der Baron. »Es würde dich mit unbändiger Freude erfüllen, zuzusehen, wie die Horden der Sardaukar durch meine Städte toben und meine Burg niederreißen. Natürlich würde es dir gefallen.«
»Ist das nicht verständlich, Baron?« flüsterte Piter.
»Du hättest einen guten Bashar abgegeben«, erwiderte der Baron. »Es käme deiner Freude an Blut und Schmerz sehr entgegen. Vielleicht habe ich dir deinen Anteil an der Arrakis-Beute ein wenig zu schnell zugesichert.«
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