Die Bekanntgabe dieser ›grundsätzlichen Übereinstimmung‹ war voreilig, denn sie war das einzige Statement, das man im Laufe eines ganzen Jahres von der KÖI erhielt. Die Gläubigen begannen bald über taktische Verzögerungen zu klagen, und die Troubadoure komponierten scharfzüngige und ätzende Lieder über die 121 ›alten Säcke‹, wie man die KÖI-Delegierten nannte. Eines dieser Spottlieder hat sich über Jahrhunderte gehalten und ist sogar heute noch populär:
»Angeblich zu unserm Wohl
Schwatzen Sie den alten Kohl.
Entscheiden aber tun Sie nix,
Die alten Säcke, voll im Wichs.
Was sie uns präsentiern, o Jack,
Ist alter Kack im neuen Frack.«
Gelegentlich drangen Gerüchte darüber an die Öffentlichkeit, daß die Kommission damit beschäftigt sei, die Texte aller Heiligen Bücher zu vergleichen. Man nannte auch unverantwortlicherweise bestimmte Textstellen, was zu spontanen antiökumenischen Zusammenrottungen führte. Auch dies inspirierte natürlich die Dichter zu Spottversen.
Zwei, drei Jahre vergingen.
Die Kommission — neun ihrer ersten Mitglieder waren zwischenzeitlich gestorben und ersetzt worden — gab bekannt, daß sie an einem neuen Heiligen Buch arbeitete, in dem alle ›pathologischen Symptome‹ der Vergangenheit nicht mehr enthalten sein sollten. »Wir schreiben an einem Instrument der Liebe«, gaben sie zu, »die man auf alle Arten praktizieren kann.«
Viele von ihnen verstanden nicht, weshalb die Veröffentlichung dieses Planes die schlimmsten Gewaltakte gegen die Ökumene provozierte. Zwanzig Delegierte wurden auf der Stelle von ihren Pflichten in der KÖI entbunden, einer beging Selbstmord, indem er eine Raumfregatte entführte und sich damit in die Sonne stürzte.
Historiker schätzen, daß die Aufstände achtzig Millionen Opfer forderten, was für jede dem Landsraad angeschlossene Welt 6000 Tote bedeutete. Berücksichtigt man die unruhigen Zeiten dieser Periode, kann die Schätzung sogar noch untertrieben sein. Die Kommunikation zwischen den Welten erreichte den Nullpunkt.
Die Troubadoure hatten hingegen, wie vorherzusehen war, wieder mal einen guten Tag. Eine populäre musikalische Komödie jener Tage zeigte einen an einem weißen Sandstrand sitzenden KÖI-Delegierten, der im Schatten einer Palme sang:
»Bei Gott und Ehr' und Einigkeit
Erbarmt euch unser,
Teilt das Leid.
Wo wir so arbeitsam hier wirken,
Da können Troubadoure nichts
Als unsre Mühen abzuwürgen.«
Grundsätzlich stellen Kabaretts und Unruhen jene Symptome dar, in denen sich eine Zeit widerspiegelt, die von tiefer Unsicherheit geprägt ist, und sorgen für einen psychologischen Einblick in die Verhältnisse: sie offenbaren das Streben nach etwas Besserem und zeigen gleichzeitig, daß dennoch alles umsonst ist.
Die Hauptbollwerke gegen die Anarchie dieser Epoche stellten die damals noch im Embryonalstadium befindliche Gilde, die Bene Gesserit und der Landsraad dar, die auch unter größten Hindernissen weiterhin zusammenarbeiteten.
Die Rolle der Gilde ist klar: Sie garantierte allen KÖI-Delegierten und Landsraad-Unternehmungen freien Transport. Obskurer dagegen die Rolle der Bene Gesserit: sie beschäftigte sich bereits wieder (obwohl sie offiziell damit begonnen hatte, ihre Zauberinnen aus dem Verkehr zu ziehen) damit, subtile Narkotika zu erforschen, die Prana-Bindu-Ausbildung voranzutreiben und die Missionaria Protectiva ins Leben zu rufen, die den schwarzen Arm des Aberglaubens darstellte. Gleichzeitig brachte sie jedoch auch die Litanei gegen die Furcht heraus und stellte das Azhar-Buch zusammen, jenes bibliographische Wunderwerk, das die großen Geheimnisse frühzeitlicher religiöser Bewegungen der Nachwelt erhielt. Möglicherweise ist die Erklärung Ingsleys die einzig richtige: »Es waren nun einmal Zeiten tiefster Verwirrung.«
Fast sieben Jahre lang arbeitete die KÖI hinter verschlossenen Türen. Dann, vor dem siebten Jahrestag ihrer Gründung, bereitete sie den von Menschen beherrschten Teil des Universums auf eine wichtige Bekanntmachung vor, die sie, nachdem das Jahr abgelaufen war, präsentierten. Es war die Orange-Katholische-Bibel.
»Dieses Buch«, so ließ man verlauten, »stellt eine Arbeit von hohem Rang und größter Bedeutung dar. Es wird uns den Weg zeigen, allen Menschen bewußt zu machen, daß sie ausschließlich eine Schöpfung Gottes sind.«
Man verglich die KÖI-Delegierten mit von Gott inspirierten Geistern und schob sie, so vorbereitet, glanzvoll in die Öffentlichkeit. Sie waren ›Wiederentdecker‹. Es hieß, daß sie ›allein die großen Ideen der Vergangenheit, die die Jahrhunderte der Vergessenheit anheim hätten fallenlassen‹ ans Licht gezerrt und ›die moralischen Imperative, die das religiöse Bewußtsein erzeugt‹, zu neuem Leben erweckt hätten.
Zusammen mit der Orange-Katholische-Bibel präsentierte die KÖI den Gläubigen das Liturgische Manual und die Kommentare (ein in vielen Aspekten bemerkenswertes Buch: es nahm weniger als die Hälfte des Umfangs der O.-K.-Bibel in Anspruch), die nicht nur durch ihre Prägnanz bestachen, sondern durch ihre Aufrichtigkeit sowie das Fehlen aller unnötigen Selbstgerechtigkeit auffiel.
Sein Anfang bestand aus einem offensichtlichen Appell an die agnostische Herrscherklasse:
»Die Menschen, die in der Sunnah (die 10 000 religiösen Fragen aus dem Shari-A) keine Antworten fanden, glauben nun, dem eigenen Urteilsvermögen mehr abgewinnen zu können. Doch suchen auch sie nach der Erleuchtung. Die Religion ist nichts anderes als die älteste und ehrenhafteste Form jener menschlichen Bestrebung, die nach dem Sinn von Gottes Universum fragt. Wissenschaftler forschen nach der Gesetzmäßigkeit von Ereignissen. Es ist die Aufgabe der Religion, den Menschen in die Gesetzmäßigkeit mit einzubeziehen.«
Auch was ihre Schlüsse anbetraf, schlug die Kommission einen Ton an, der ihr späteres Schicksal im voraus ahnen ließ:
»Vieles von dem, was sich bisher Religion nannte, transportierte eine unbewußte feindselige Haltung gegenüber dem Leben. Wirkliche Religion muß die Lehre verbreiten, daß das Leben ein Born der Freude ist, der Gottes Auge erfreut, daß Wissen ohne Aktion Leere bedeutet. Alle Menschen müssen erkennen, daß eine Religion, die nach festen Regeln und starren Ritualen verfährt, hauptsächlich Verblendung hervorruft. Die eigentliche Religion erkennt man gerade an ihrer Zwanglosigkeit, und man kann sie betreiben, ohne sich minderwertig zu fühlen, weil sie in einem Gefühle erweckt, die einem sagen, daß dies etwas ist, was man schon immer gewußt hat.«
Als die Pressen anliefen und die Orange-Katholischen Bibeln über die Welten verbreitet wurden, gab es zunächst ein Gefühl tiefster Entspannung. Manche interpretierten dies als ein Zeichen Gottes, als Omen der Einheit.
Aber das Schicksal der KÖI-Delegierten, die zu ihren Organisationen zurückkehrten, strafte den heuchlerischen Frieden Lügen. Achtzehn Kommissionsmitglieder wurden innerhalb von zwei Monaten gelyncht. Dreiundfünfzig widerriefen ihre Anschauungen innerhalb eines Jahres.
Man denunzierte die O.-K.-Bibel als Arbeit einer ›hochmütigen Clique, deren Stolz über das Getane völlig ungerechtfertigt‹ sei. Es hieß, ihre Seiten seien voller unterschwelliger Anbiederungen an die Logik. Revisionen, die altertümlicher Frömmelei Tür und Tor öffneten, erschienen. Diese Ausgaben lehnten sich wieder an althergebrachte Symbole an (das Kreuz, den Halbmond, die Federklapper, die zwölf Apostel u.ä.), und so stellte sich recht bald heraus, daß es dem neuen Ökumenismus nicht gelungen war, die Religion vom alten Aberglauben zu befreien.
Halloways Bezeichnung für die sieben Jahre währende Mühe der KÖI — ›Galaktophasischer Determinismus‹ wurde von Milliarden von Glaubensfanatikern aufgeschnappt und aufgrund ihrer Initialen in ›Gottverdammte Dauerquengler‹ umgetextet.
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