Darauf führten sie sie fort zum Schiff. Hier nahm sie ihre zwei Armreifen ab und gab sie der alten Frau, welche der Engel des Todes genannt ward, und ihr oblag es, sie zu morden. Auch streifte sie ihre zwei Fußreifen ab und übergab sie den zwei Dienerinnen, welche die Töchter des Engels des Todes waren. Dann hoben sie sie in das Schiff, doch ließen sie sie noch nicht in das Zelt. Nun traten Männer mit Schilden und Knüppeln vor und reichten ihr einen Becher mit starkem Trank. Diesen nahm sie, sang darob und leerte ihn. Der Dolmetscher teilte mir mit, daß sie sagte: »Hiermit nehme ich Abschied von jenen, die mir teuer sind.« Darauf ward ihr ein weiterer Becher gereicht, welchen sie ebenfalls nahm und zu einem längeren Gesang anhob. Die Alte ermahnte sie, den Becher ohne Zaudern zu leeren und das Zelt zu betreten, wo ihr Herr lag. Zu diesem Zeitpunkt schien es mir, als sei das Mädchen betäubt. Sie tat, als wolle sie das Zelt betreten, als die alte Hexe sie jählings am Haupte ergriff und sie hineinzerrte. In diesem Augenblick hoben die Männer an, mit den Knüppeln auf ihre Schilde einzuschlagen, um den Lärm ihrer Aufschreie zu übertönen, welche die anderen Mädchen entsetzt und abgeschreckt hätten, in Zukunft den Tod mit ihren Herren zu suchen.
Sechs Männer folgten ihr in das Zelt, und ein jeglicher von ihnen hatte fleischliche Gemeinschaft mit ihr erfahren. Darauf legten sie sie an ihres Herren Seite nieder, derweil zwei der Männer ihre Füße ergriffen und zwei die Hände. Die als Engel des Todes bekannte Frau knotete nun ein Seil um ihren Hals und reichte die Enden zweien der Männer zum Ziehen. Darauf stach sie ihr mit einem breitschneidigen Dolch zwischen die Rippen und zog die Klinge voran, derweil die zwei Männer sie mit dem Seile drosselten, bis sie starb.
Die Sippe des toten Wyglif trat nun heran, nahm ein Stück entzündeten Holzes und schritt rückwärts zu dem Schiff und steckte das Schiff in Brand, ohne ein Mal hinzusehen. Der Scheiterhaufen war in Bälde entflammt, und das Schiff, das Zelt, der Mann und das Mädchen und alles weitere wurden hinfortgewirbelt in einem fauchenden Feuersturm. Zu meiner Seite brachte einer der Nordmänner eine Bemerkung bei dem Dolmetscher vor. Ich fragte den Dolmetscher, was gesagt ward, und erhielt dies zur Antwort: »Ihr Araber«, sagte er, »müßt ein dummes Pack sein. Ihr nehmt euren allerliebsten und verehrtesten Mann und werft ihn in die Erde, auf daß er von kriechendem Getier und Würmern vertilgt wird. Wir hingegen verbrennen ihn in einem Augenblick, so daß er auf der Stelle unverzüglich ins Paradies einkehrt.« Und wahrhaftig, bevor eine Stunde verstrichen war, hatten sich Schiff, Holz und Mädchen mit dem Manne zu Asche verwandelt.
Die Nachwirkungen des Begräbnisses der Nordmänner
Diese Skandinavier finden keinerlei Anlaß zur Trauer im Tod eines Mannes. Ein armer Mann oder Sklave ist für sie nicht von Gewicht, und selbst ein Häuptling wird keinerlei Traurigkeit oder Tränen erzeugen. Am Abend nach dem nämlichen Begräbnis des Häuptlings namens Wyglif gab es ein großes Gelage in den Hallen der Nordmänner-Ansiedlung. Doch erkannte ich, daß nicht alles rechtens war unter diesen Barbaren. Ich suchte Rat bei meinem Dolmetscher. Er antwortete dergestalt: »Es ist in Thorkels Sinne, Euch sterben zu sehen und darauf Buliwyf zu verbannen. Thorkel verfügt über die einmütige Unterstützung der Edlen, aber es herrscht Zwist in jedem Haus und jeglicher Unterkunft.« Sehr bekümmert sagte ich: »Ich habe keinen Anteil an dieser Angelegenheit. Wie soll ich mich betragen?« Der Dolmetscher sagte, ich sollte fliehen, wenn ich könnte, doch würde ich gefaßt, so wäre dies ein Beweis meiner Schuld, und man würde mit mir verfahren wie mit einem Dieb. Mit einem Dieb wird dergestalt verfahren: Die Nordmänner führen ihn zu einem dicken Baum, befestigen ein Seil an ihm, knüpfen ihn auf und lassen ihn hängen, bis er durch das Wirken von Wind und Regen zu Stücken verrottet.
Auch eingedenk dessen, daß ich mit Müh und Not dem Tod durch die Hand des ibn-al-Qatagan entronnen war, entschied ich, mich wie zuvor zu betragen; das heißt, ich verweilte unter den Nordmännern, bis mir freier Abzug zur Fortführung meiner Reise gewährt würde. Ich begehrte vom Dolmetscher zu erfahren, ob ich Buliwyf und ebenso Thorkel zum Zwecke meiner Abreise Geschenke darbringen sollte. Er sagte, daß ich beiden keine Geschenke darbringen könnte und daß die Angelegenheit noch nicht entschieden sei, wer der neue Häuptling werde. Dann sagte er, es werde klar sein in einem Tag und einer Nacht und nicht länger.
Denn wahrhaft gibt es unter diesen Nordmännern keinen festgelegten Brauch zum Erküren eines neuen Häuptlings, wenn der alte Anführer stirbt. Die Stärke der Waffen gilt viel, doch ebenso der Lehenseid der Krieger und der Fürsten und der Edelmänner. Mitunter gibt es keinen klaren Nachfolger in der Herrschaft, und dies war ein solcher Fall. Mein Dolmetscher sagte, daß ich den rechten Zeitpunkt abwarten und überdies beten sollte. Dies tat ich. Darauf suchte ein großer Sturm die Gestade des Flusses Wolga heim, ein Sturm, welcher zwei Tage währte, mit peitschendem Regen und machtvollem Winde, und nach diesem Sturm lag ein kalter Dunst auf der Erde. Er war dicht und weiß, und ein Mann konnte nicht über ein Dutzend Schritte hinaussehen.
Nun haben diese nämlichen riesigen Krieger aus dem Nordlande eingedenk ihrer Gewaltigkeit und Stärke der Waffen und grausamen Art auf der ganzen Welt nichts zu fürchten, und doch fürchten diese Männer den Dunst oder Nebel, welcher im Gefolge des Sturmes kommt. Die Männer ihrer Rasse haben große Mühe, ihre Furcht zu verhehlen, und dies selbst voreinander; die Krieger lachen und scherzen im Übermaße und stellen ihr sorgloses Gemüt unbillig zur Schau. Dergestalt beweisen sie das Gegenteil; und in Wahrheit ist ihr Versuch der Bemäntelung kindisch, so offenkundig geben sie vor, die Wahrheit nicht zu erkennen; doch wahrlich, ein jeglicher von ihnen allüberall in ihrer Lagerstätte bringt Gebete dar und Opfer von Hähnen und Hennen, und so ein Mann nach dem Grunde des Opfers gefragt wird, sagt er: »Ich bringe Opfer dar für das Wohl meiner in der Ferne weilenden Familie«; oder er sagt: »Ich bringe Opfer dar für das Gelingen meines Handels«; oder er sagt: »Ich bringe Opfer dar zu Ehren dieses oder eines anderen verblichenen Mitgliedes meiner Familie«; oder er benennt vielerlei andere Gründe, und darauf fügt er hinzu: »Und überdies für das Fortweichen des Dunstes.« Nun dünkte es mich seltsam, wie solch ein starkes und kriegerisches Volk so furchtsam vor etwas sein kann, daß es Mangel an Furcht vorgibt; und von allen vernünftigen Gründen zur Furcht schienen nach meiner Denkweise Dunst und Nebel über die Maßen unerklärlich. Ich sagte zu meinem Dolmetscher, daß ein Mann Wind oder tosende Sandstürme fürchten könnte, oder Wasserfluten oder das Beben der Erde, oder Donner und Blitz am Firmament, denn all dies könnte einem Mann Leid antun oder ihn töten oder seine Behausung zerstören. Doch ich sagte, daß Nebel oder Dunst keinerlei Bedrohung innewohne; in Wahrheit handle es sich um die allermindeste Art von unsteten Elementen.
Der Dolmetscher antwortete mir, daß es mir am Glauben der Seefahrer gebreche. Er sagte, daß angelegentlich des Unbehagens in einer Umhüllung aus Dunst viele arabische Seefahrer den Nordmännern beipflichteten; überdies, so sagte er, sei allen Seeleuten bang vor jeglichem Dunst oder Nebel, weil solch ein Zustand die Fährnisse des Reisens auf dem Wasser erhöhe.
Ich sagte, dies sei begreiflich, doch verstünde ich nicht den Grund für jegliche Furcht, wenn der Dunst über dem Lande liege und nicht auf dem Wasser. Darauf erwiderte der Dolmetscher: »Der Nebel wird allzeit gefürchtet, wann immer er kommt.« Und er sagte, daß es nach Ansicht der Nordmänner keinen Unterschied gebe, ob zu Lande oder zu Wasser. Und darauf sagte er zu mir, daß die Nordmänner den Dunst wahrhaft nicht sehr fürchteten. Überdies sagte der Dolmetscher, er als Mann, fürchte den Dunst nicht. Er sagte, es handle sich nur um eine mindere Angelegenheit von geringem Gewicht. Er sagte: »Es ist wie ein schwaches Reißen in einem steifen Gelenk, welches mit dem Nebel einhergehen mag, doch von keiner größeren Bedeutung.«
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