„Dadurch könnten meine Augen zwar anfangen, für immer zu schielen, aber das macht mir nichts“, stellte Hossantir fest.
Keins von Conways Alter egos konnte an der Vorstellung von einem großen elefantenartigen Tralthaner, der mit zweien seiner vier Augen schielte, irgend etwas Komisches entdecken. Zum Glück war ein unterdrücktes terrestrisches Lachen unübersetzbar.
Seine Hände und die Instrumente erweckten den Eindruck, schwer und unbeholfen zu sein, und zwar nicht nur, weil er melfanische Klammern benutzte. Das Schwerkraftneutralisierungsfeld um ihn herum erstreckte sich zwangsläufig nicht auf den Patienten, deshalb war alles im Operationsbereich viermal so schwer wie normal. Doch der Tralthaner benutzte die Scanner, um ihn durch Worte zu dem Blutgefäß zu leiten, von dem die massive Blutung ausgehen mußte, und angesichts des hohen Blutdrucks der hudlarischen Lebensform rechnete Conway damit, beim Abklemmen des Gefäßes Widerstand zu spüren.
Aber da war keiner, und die Blutung hielt mit unverminderter Stärke an.
Eines seiner Alter ego hatte während einer Transplantation bei einer vollkommen anderen Lebensform schon einmal etwas Ahnliches wie diese Situation erlebt, und zwar bei einem kleinen Nidianer, dessen Blutdruck nur einen Bruchteil von dem des Hudlarers betrug. In dem Fall hatte die Blutung ebenfalls aus einem feinen Sprühnebel und nicht aus dem für eine offene Arterie typischen pulsierenden Strahl bestanden, und das Problem war nicht auf eine schlechte Operationstechnik, sondern auf mechanisches Versagen zurückzuführen gewesen.
Zwar wußte Conway nicht genau, ob das auch hier das Problem war, doch da sich ein Teil seines vielfach zusammengesetzten Verstands sicher war, entschloß er sich, diesem Teil zu vertrauen.
„Schalten Sie das künstliche Herz aus“, sagte er in bestimmtem Ton. „Stoppen Sie die Blutzufuhr zu der betreffenden Stelle.“
„Den Blutverlust können wir zwar leicht ausgleichen“, wandte Hossantir besorgt ein, „aber die Blutzufuhr für mehr als ein paar Minuten zu stoppen könnte der Patientin das Leben kosten.“
„Schalten Sie es aus!“ sagte Conway.
Innerhalb weniger Sekunden war der leuchtend gelbe Sprühnebel erst schwächer geworden und schließlich ganz versiegt. Eine Schwester reinigte Conway das Visier, während Hossantir mit der Absaugpumpe das Operationsfeld säuberte. Sie brauchten keine Scanner, um zu sehen, was geschehen war.
„Techniker, schnell!“ rief Conway.
Bevor er das zweite Wort über die Lippen gebracht hatte, schwebte neben seinem Ellbogen schon ein kleiner, pelziger Nidianer, der in seinem durchsichtigen Operationsanzug wie ein als Geschenk verpackter Teddybär aussah.
„Das Rückschlagventil im Verbindungsschlauch hat sich in geschlossener Stellung verklemmt“, stellte der Nidianer in seiner abgehackten, bellenden Sprechweise fest. „Ich würde sagen, das wurde durch eins der chirurgischen Instrumente verursacht, das versehentlich gegen das Ventil gestoßen ist und die Einstellung verändert hat. Dadurch ist der Blutstrom aus dem künstlichen Herzen gestaut worden und hat sich durch die Aussparung der Reguliervorrichtung des Ventils einen Weg nach draußen gebahnt, daher der feine, mit hohem Druck ausgetretene Sprühnebel. Das Ventil selbst ist nicht beschädigt, und wenn Sie das Organ anheben würden, damit ich Platz habe, um das Ventil nachzustellen.“
„Ich würde das Herz lieber nicht bewegen“, entgegnete Conway. „Wir haben sehr wenig Zeit.“
„Ich bin kein Arzt“, sagte der Nidianer verärgert. „Diese Reparatur sollte eigentlich auf einer Werkbank durchgeführt werden oder zumindest in einem Raum, wo ich Platz für meine zugegebenermaßen kleinen Ellbogen habe. In enger Berührung mit lebendem Gewebe zu arbeiten ist. ist mir zuwider. Trotzdem sind meine Werkzeuge für solche Notfälle sterilisiert und bereit.“
„Ist Ihnen übel?“ erkundigte sich Conway besorgt, da er den kleinen Nidianer sich schon in den Helm erbrechen sah.
„Nein“, antwortete der Techniker, „ich bin nur verärgert.“
Conway zog die melfanischen Instrumente zurück, um dem Techniker mehr Platz zum Arbeiten zu verschaffen. Inzwischen hatte eine Schwester neben ihm am Gestell ein Tablett mit Instrumenten für terrestrische DBDGs befestigt, und mit der Zeit hatte sich Conway die Instrumente ausgesucht, die er brauchen würde, sobald der Nidianer die verklemmte Ventilklappe befreit hatte. Er bedankte sich gerade bei dem Techniker für die schnelle Reparatur, als ihn Hossantir unterbrach.
„Ich schalte jetzt wieder das künstliche Herz an“, sagte er.
„Nein, warten Sie“, entgegnete Conway scharf. Er hatte auf den Monitor geblickt und das Gefühl bekommen — ein sehr vages Gefühl, das nicht einmal stark genug war, um die Bezeichnung Ahnung zu verdienen —, daß jede weitere Verzögerung gefährlich wäre.
„Mir gefallen die Lebenszeichen nicht. Es ist nichts da, was nicht da sein sollte, obwohl die Blutzufuhr vom künstlichen Herzen unterbrochen war, zuerst durch das verklemmte Ventil im Verbindungsschlauch und später, als das Gerät für die Reparatur abgeschaltet worden ist. Mir ist bewußt, daß im Gehirn nicht rückgängig zu machende Veränderungen stattfinden werden, die zum Tod führen, wenn das künstliche Herz nicht innerhalb der nächsten Minuten eingeschaltet wird. Trotzdem habe ich das Gefühl, es wäre besser, das künstliche Herz nicht wiederanzuschalten, sondern statt dessen sofort das Spenderherz einzusetzen.“
Ihm war klar, daß Hossantir protestieren und lieber den sicheren Weg einschlagen wollte, erneut das künstliche Herz in Betrieb zu nehmen und zu warten, bis man sicher war, daß der Blutkreislauf des Patienten wieder optimal funktionierte, um dann wie ursprünglich geplant fortzufahren. Normalerweise hätte Conway nichts dagegen einzuwenden gehabt, da er es selbst ebenfalls vorzog, keine unnötigen Risiken einzugehen. Doch in seinem Hinterkopf — oder in einem seiner Hinterköpfe — nörgelte irgend jemand herum, und dabei ging es um die Auswirkungen von langwierigen seelischen Schocks auf gewisse schwangere, unter hoher Schwerkraft lebende Wesen, und dieser Eindruck war so nachhaltig, daß er ihm gehorchen mußte. Beim Sprechen hatte Conway seine Instrumente in die Hand genommen, um Hossantir auch ohne Worte — damit er die Gefühle des Chefarzts nicht allzusehr verletzte — zu verstehen zu geben, daß er nicht vorhatte, über diese Frage zu diskutieren.
„… würden Sie bitte die Verbindung zum Absorptionsorgan herstellen und dabei den Monitor im Auge behalten?“ bat er abschließend den Chefarzt.
Conway teilte sich das Operationsfeld mit dem Tralthaner und arbeitete in dem beschränkten Raum schnell und sorgfältig. Er klemmte die Arterie an der Verbindung mit dem künstlichen Herzen ab, machte sie los und verband sie mit dem kurzen Arterienstück, das aus dem Spenderorgan ragte. Anders als in den ersten schrecklichen Sekunden der vorherigen Blutung schien die Zeit jetzt viel schneller zu verstreichen. Conways Hände und die Instrumente befanden sich ein gutes Stück außerhalb des Neutralisatorenfelds unter vierfacher Erdanziehungskraft und schienen deshalb ungeheuer langsam und unbeholfen zu sein. Mehrmals stießen seine Instrumente laut klirrend mit Hossantirs zusammen. Mit dem Chirurgen, der aus Versehen gegen das Verbindungsschlauchventil gekommen war und die Einstellung verändert hatte, konnte er mitfühlen, wer immer es gewesen war. Er mußte sich scharf konzentrieren, um die Instrumente davon abzuhalten, ein Eigenleben zu entwickeln.
Hossantirs Arbeit beobachtete er nicht, denn der Tralthaner beherrschte sein Fach, und für chirurgische Beobachtungen war keine Zeit.
Er legte Stütznähte an, um die Arterie an beiden Seiten des Verbindungsstücks zu fixieren, das sowohl die Enden der Ader beim Wiedereinsetzen des Blutkreislaufs fest an ihrem Platz halten als auch das körpereigene und neu eingepflanzte Gewebe trennen sollte, um postoperative Abstoßungsprobleme zu vermindern. Zuweilen wunderte sich Conway, weshalb ein hochentwickelter und komplizierter Organismus immunologisch gesehen sein eigener schlimmster Feind sein sollte. Als nächstes stellte er die Verbindung zu dem Gefäß her, das einen der Hauptherzmuskel mit Nährstoffen aus dem Absorptionsorgan versorgte.
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