„Das Korps behauptet sogar, daß selbst die tralthanischen Planierraupen von Uhrmachern zusammengesetzt worden sein müssen“, schloß sich Gurronsevas der Würdigung des tralthanischen Schiffsbaus voller Stolz an.
Der Hudlarer schwieg einen Moment. „Stimmt. Doch ich möchte Sie keineswegs beleidigen, indem ich Ihnen ein geringes Allgemeinwissen unterstelle. Ich will Ihnen nur sagen, daß wir uns hier auf einem robusten Schiff befinden, das nach hudlarischen Vorgaben auf Traltha gebaut worden ist. Also können Sie sich getrost entspannen und sich trotz Ihres alles anderen als unbeträchtlichen Gewichts an Bord nach Lust und Laune frei bewegen, da unsere Anlagen und Ausrüstungsgegenstände gegen versehentliche Beschädigungen unanfällig sind.“
„Das freut mich zu hören“, antwortete Gurronsevas erleichtert und stampfte anerkennend abwechselnd mit seinen sechs schweren Füßen auf, und zwar mit einer Wucht, durch die er den Boden im Orbit Hospital stark eingebeult hätte. „Danke.“
Während er den beiden Hudlarern zum Kommandodeck folgte, dachte er, daß die Beleuchtung ein wenig schwächer als auf seinem Heimatplaneten war und durch irgendeine gallertartige Suspension in der Atmosphäre noch weiter verschlechtert wurde, die sich als grauer Film auf seinem Visier niederschlug, das er alle paar Minuten sauberwischen mußte. Im Gegensatz zu ihm fühlten sich die beiden Hudlarer offensichtlich nicht durch diese Schmutzpartikel gestört.
An den Anlagen und Displays auf dem Kommandodeck zeigte Gurronsevas nur höfliches Interesse, am Bildschirm, auf dem die Entladearbeiten aus dem Blickwinkel des Frachters zu sehen waren, blieb er jedoch länger stehen. Wie ihm das hudlarische Besatzungsmitglied erklärte, wurde die Nährstoffsubstanz für die Synthesizer im Abschnitt der warmblütigen Sauerstoffarmer als erstes entladen, da sie unanfällig gegen Schäden oder chemische Veränderungen durch grobe Handhabung war. Die Substanz für Illensaner und die Behälter mit dem komprimierten Nahrungspräparat für Hudlarer mußten dagegen sanfter behandelt werden. Darum wurden sie nicht von den Traktorstrahltechnikern herumgeworfen, sondern von spezialisierten Verladeteams per Hand oder auf G-Schlitten zum jeweiligen Lagerraum transportiert. Sobald im Laderaum des Frachters und auf dem luftleeren Ladeplatz der normale atmosphärische Druck wiederhergestellt war, würden die internen Transporttrupps, die ohne Raumanzüge arbeiteten, zu den übrigen Verladearbeitern stoßen. Diesen Vorgang konnten Gurronsevas und die beiden Hudlarer schließlich auf dem Bildschirm verfolgen, doch angesichts des Volumens, über das das Entladedock und der Laderaum des Frachters zusammengenommen verfügten, stieg der atmosphärische Druck nur langsam an, so daß gerade genug Zeit bleiben würde, um die weniger zerbrechlichen Frachtstücke zu löschen.
„Das Schiff hat von allen drei Nahrungssorten genügend geladen, um die Versorgung des Hospitals für ein viertel Einheitsjahr zu sichern“, erklärte der fremde Hudlarer weiter. „Für die Nahrungsversorgung der ausgefalleneren Lebensformen, wie diesen TLTU-Diagnostiker hier am Hospital, der heißen Dampf atmet und wer weiß was ißt, oder die VTXMs von Telfi, die von direkter Strahlenumwandlung leben, sind wir nicht verantwortlich. Und Sie, hoffe ich, auch nicht.“
„Nein“, antwortete Gurronsevas. „Wenigstens bis jetzt noch nicht.“
Nach seinem ersten Eindruck ähnelte der Essensbereich auf dem Schiff noch am ehesten dem gemeinschaftlichen Duschraum einer fremden Spezies, falls man ihn überhaupt mit etwas vergleichen konnte. Der kleine Speisesaal bot bis zu zwanzig Hudlarern gleichzeitig Platz, wenngleich der Raum gerade von nur fünf Besatzungsmitgliedern betreten wurde, als Gurronsevas und seine beiden Begleiter eintrafen. Anstatt sich der Unannehmlichkeit auszusetzen, sich seinen Schutzanzug und Helm von einer Schicht aus hudlarischem Nahrungspräparat verschmutzen zu lassen, riet man ihm, lieber draußen zu bleiben und die Vorgänge vom Gang aus durch ein Sichtfenster zu verfolgen. Seine beiden Begleiter, deren gut bedeckte Absorptionsorgane bewiesen, daß sie erst vor kurzem gegessen hatten, leisteten ihm Gesellschaft. Die übrigen Hudlarer eilten in den Raum, und der letzte schaltete die Anlage an.
Sofort begannen die Sprühköpfe, die in engen Abständen an den Wänden und der Decke angebracht waren, mit hohem Druck Nahrungspräparat in den Raum zu pumpen, bis dieser mit dichtem Nebel gefüllt war. Gleich darauf sprangen in den Wänden verborgene Gebläse an, peitschten die dichte Atmosphäre im Raum zu einem Sturm auf und hielten die Nahrungspartikel auf diese Weise in der Schwebe.
„Zwar ist das Präparat mit dem, das am Hospital und auf allen hudlarischen Schiffen und Raumunterkünften verwandt wird, identisch“, erklärte der fremde Hudlarer, „aber die heftige Luftbewegung im Speiseraum weist eine große Ähnlichkeit mit den ständigen Stürmen auf unserem Heimatplaneten auf, wodurch man sich beim Essen fast wie zu Hause fühlt und es einem vielleicht sogar ein wenig besser schmeckt. Wie Sie gleich sehen werden, erinnert das Freizeitdeck noch stärker an die Heimat, da dort jedoch keine Nahrungspartikel herumschwirren, können Sie sich dort auch ohne Probleme bewegen.“
Weil sich die übrigen Besatzungsmitglieder entweder im Speiseraum aufhielten oder die Fracht löschten, wurde das Freizeitdeck momentan nicht genutzt. Durch das Licht, das hier noch gedämpfter als auf dem Gang war, konnte Gurronsevas gerade noch die Einzelheiten von Trainingsgeräten, abgeschalteten Bildschirmen zum Lesen und zur Unterhaltung und Gebilde mit harten, unregelmäßigen Formen ausmachen, bei denen es sich womöglich um Skulpturen handelte. Da die Hudlarer wegen ihrer zähen Haut keine weichen Sitzgelegenheiten zum Entspannen brauchten, waren keine gepolsterten Liegen vorhanden. Aus einer straff gespannten, runden Membran, die in die Decke eingelassen war, drang ein Pfeifen und Jammern, das, wie man Gurronsevas erklärte, hudlarische Musik zur Entspannung darstellte, die jedoch einen fast aussichtslosen Kampf gegen das laute Heulen und Zischen des künstlichen Winds führte, der durch den Raum fegte.
Einige der Böen waren gelegentlich derartig heftig, daß sie Gurronsevas von den sechs weit gespreizten tralthanischen Beinen zu blasen drohten.
„Gegen meinen Anzug und das Visier klatschen dauernd irgendwelche kleinen Gegenstände, von denen sogar einige zu leben scheinen“, rief er über den Lärm hinweg.
„Das sind vom Wind getragene Insekten mit Stacheln, die auf unserem Planeten heimisch sind und normalerweise im Boden leben“, klärte ihn der fremde Hudlarer auf. „Die geringen Mengen Giftstoffe, die die Stacheln absondern, reizen kurz unsere Absorptionsorgane, ansonsten sind sie wirkungslos. Für eine Spezies wie die Ihre, die über einen gut entwickelten Geruchssinn verfügt, entspricht die von den Insekten erfüllte Funktion der von scharf riechenden Duftpflanzen oder Gewürzen. Wie viele Tiere brauchen Sie?“
„Ein paar von jeder Art, falls es mehr als jeweils eins gibt“, antwortete Gurronsevas. „Am liebsten wären mir Insekten mit unversehrten Stacheln und Giftdrüsen. Ist das möglich?“
„Selbstverständlich“, bestätigte der Hudlarer. „Öffnen Sie einfach Ihre Probenflasche, und verschließen Sie sie wieder, wenn genügend Insekten hineingeblasen worden sind.“
Gurronsevas hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, in der Hauptkantine des Hospitals einen Bereich für die ausschließliche Nutzung durch Hudlarer abzuteilen und dort Windmaschinen aufzustellen und einen kleinen Schwärm einheimischer Insekten auszusetzen, um den FROBs die Umgebung, in der sie ihre Mahlzeit einnahmen, angenehmer zu gestalten, doch diese Idee mußte er fallenlassen. Die Insekten, die gegen seinen Anzug geblasen wurden, versuchten mit großer Hartnäckigkeit, ihn durch den Anzugstoff zu beißen und zu stechen, und der Gedanke an das Chaos, das sie unter den ungeschützten Kantinenbesuchern anrichten könnten, falls sie aus dem abgeschlossenen Bereich der Hudlarer entkamen, war zu schrecklich, um die Sache ernsthaft ins Auge zu fassen. Gurronsevas kam zu dem Schluß, daß es sich bei dem Einsprühen mit dem Nahrungspräparat aus den Behältern um eine einfache und sehr bewährte Methode der Nahrungsaufnahme handelte, auch wenn das Präparat selbst vom Geschmack her an nichts erinnerte, was es auf Hudlar gab.
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