Als diese Zeit vorüber war, tippte ich meine Schlußfolgerungen ein:
a) Der Shipstone-Konzern ist im Grunde eine einzige Firma. Es sieht nur so aus, als wären es achtundzwanzig unabhängige Unternehmungen.
b) Die Direktoren und/oder Anteilseigner des Shipstone-Konzerns besitzen oder kontrollieren in allen großen Territorialnationen des Sonnensystems alles, was irgendwie von größerer Bedeutung ist.
c) Shipstone ist potentiell eine planetenumspannende (systemumspannende?) Regierung. Aus den Daten ließ sich nicht ableiten, ob der Konzern als solcher handelte oder nicht, da die Steuerung (wenn es sie in der Tat gibt) auf jeden Fall durch Firmen erfolgen würde, die nicht offensichtlich zum ShipstoneImperium gehören.
d) Ich hatte Angst. In Verbindung mit einer Shipstone-Firma (Morgan Associates) war mir etwas aufgefallen, und das brachte mich darauf, eine Suche nach Kreditfirmen und Banken einzuleiten. Es überraschte mich weniger, als daß es mich deprimierte, als ich erfuhr, daß die Firma, die mir im Augenblick Krediteinräumte (Master Charge Kalifornien) im Grunde identisch war mit der Firma, die die Zahlung garantierte (South Africa & Ceres Akzept-Gesellschaft), eine Entdeckung, die sich noch mehrmals wiederholte ob es sich nun um Maple Leaf, Visa, Crédit Québec oder sonst etwas handelte. Das war mir nicht neu; die Theoretiker des Geldmarkts haben das behauptet, solange ich zurückdenken kann. Gleichwohl traf es mich wie ein Keulenschlag, diesen Tatbestand in verzahnten Verwaltungsgremien und übereinstimmenden Besitzverhältnissen so deutlich bestätigt zu finden.
Einem Impuls folgend, fragte ich den Computer:
„Wer besitzt dich?“
Und erhielt zur Antwort: NULL PROGRAMM.
Ich formulierte die Frage um, wobei ich mich sorgfältig nach der Sprache der Maschine richtete. Der Computer, der durch mein Terminal vertreten wurde war eine sehr kluge und zum Verzeihen neigende Maschine; normalerweise hatte er nichts gegen einigermaßen zwanglose Programmierstellungen. Es gibt aber Grenzen im Verständnis einer Maschine, wenn es um mündliche Äußerungen geht; eine reflexive Frage dieser Art mochte semantische Präzision voraussetzen.
Wieder: NULL PROGRAMM.
Ich beschloß mich an die Idee heranzuschleichen.
Ich stellte der Maschine die folgenden Fragen, mich Schritt für Schritt weiterarbeitend, in totaler Einstellung auf die Sprache, die Grammatik, das Protokoll des Computers: „Wie sehen die Besitzverhältnisse jenes informationsverarbeitenden Netzes aus, das überall in Britisch-Kanada Terminals unterhält?“
Die Antwort erschien und blitzte mehrmals auf,ehe sie wieder gelöscht wurde — gelöscht ohne meine Anweisung: ANGEFORDERTE DATEN NICHT IN
MEINEN GED-SPEICHERN.
Das erschreckte mich. Ich machte für heute Schluß ging schwimmen und wartete nicht erst, bis ich gefragt wurde, sondern suchte mir für den Abend einen Freund fürs Bett. Ich war nicht übermäßig scharf darauf, aber übermäßig einsam, und wollte unbedingt einen lebendigen, warmen Körper neben mir haben als „Schutz“ vor einer intelligenten Maschine, die mir nicht sagen wollte, wer (was) sie in Wirklichkeit war.
Am nächsten Morgen ließ mir der Chef beim Frühstück ausrichten, ich solle um zehn-hundert zu ihm kommen. Ich meldete mich ein wenig verwirrt, weil ich meiner Meinung nach nicht annähernd genug Zeit gehabt hatte, die beiden Aufträge zu erledigen: Shipstone und die Anzeichen für eine kranke Gesellschaft.
Als ich jedoch eintrat, übergab er mir einen Brief der altmodischen Art, in einen Umschlag versiegelt und körperlich befördert, wie Werbepost.
Ich erkannte den Umschlag, denn ich hatte ihn selbst abgeschickt — an Janet und Ian. Es überraschte mich allerdings, ihn in den Händen meines Chefs zu sehen, da der von mir angegebene Absender falsch gewesen war. Ein Blick ergab, daß die Anschrift geändert worden war — das Schreiben war an ein Anwaltsbüro in San José weitergeleitet worden, die Kanzlei, die auf meiner Suche nach dem Chef schon einmal mein Kontakt gewesen war. „Unwichtig.“
„Sie können mir den Brief zurückgeben, dann schicke ich ihn an Captain Tormey … sobald ich weiß wo er ist.“
„Oh, wenn Sie erfahren, wo die Tormeys sind werde ich einen ganz anderen Brief schreiben. Dieser ist ziemlich vage.“
„Das lobe ich mir.“
„Sie haben ihn gelesen?“ (Verdammt noch mal, Chef!)
„Ich lese alles, das an Captain Tormey und seine Frau weitergeleitet werden soll — und an Dr. Perreault. Auf deren Bitte.“
„Ich verstehe.“ (Niemand sagt mir was!) „Ich habe den Brief so geschrieben, mit dem falschen Namen und so weiter, weil die Polizei Winnipeg ihn finden und öffnen hätte können.“
„Zweifellos hat sie das auch getan. Ich finde, Sie haben Ihre Spuren ausreichend verwischt. Es tut mir nun leid, daß ich Ihnen nicht gesagt habe, daß die an das Haus der Tormeys gerichtete Post automatisch zu mir kommt. Freitag, ich weiß nicht, wo die Tormeys stecken — aber ich verfüge über eine Kontaktmöglichkeit, die allerdings nur einmal in Frage kommt. Unser Plan läuft darauf hinaus, sie zu benutzen, wenn die Polizei sämtliche Anklagen gegen die beiden fallen läßt. Damit hatte ich eigentlich schon vor Wochen gerechnet. Aber nichts hat sich getan. Daraus schließe ich, daß die Polizei in Winnipeg ernsthaft bemüht ist den Tormeys das Verschwinden von Lieutenant Dikkey als Mordanklage an den Hals zu hängen. Ich möchte noch einmal fragen: Kann die Leiche gefunden werden?“
Ich überlegte angestrengt und versuchte die Sache unter dem negativsten Blickwinkel zu sehen. Sollte sich die Polizei jemals näher mit dem Haus befassen was würde sie finden? „Chef, war die Polizei schon drin im Haus?“
„Ganz bestimmt. Die Beamten haben es durchsucht, als die Eigentümer gerade einen Tag fort waren.“
„In dem Fall hat die Polizei die Leiche am Vormittag des Tages, an dem ich mich hier zurückmeldete nicht gefunden. Wenn sie sie seit dem Tag gefunden hat oder noch findet — würden Sie davon erfahren?“
„Ich nehme es an. Meine Kontakte im Hauptquartier der Polizei sind nicht gerade perfekt, doch ich zahle für taufrische Informationen die besten Preise.“
„Wissen Sie, was aus den Haustieren geworden ist?
Vier Pferde, eine Katze und fünf Junge, ein Schwein vielleicht noch andere Tiere?“
„Freitag, wohin führt Sie Ihre Intuition?“
„Chef, ich weiß es nicht genau, wie die Leiche versteckt wurde. Janet — Mrs. Tormey — ist Architektin die sich auf die doppelte Sicherung von Gebäuden spezialisiert hat. Was sie hinsichtlich ihrer Tiere unternommen hat, könnte mir sagen, ob ihrer Meinung nach die Möglichkeit bestand, daß die Leiche jemals gefunden würde.“
Der Chef schrieb sich etwas auf. „Wir sprechen später darüber. Wie sehen die Symptome einer kranken Gesellschaft aus?“
„Chef, ich bitte Sie! Ich bin noch dabei, die Winkel des riesigen Shipstone-Konzerns auszuleuchten.“
„Das werden Sie nie schaffen. Ich habe Ihnen zwei Aufträge gleichzeitig gegeben, damit Sie sich mal mit einem Themenwechsel etwas geistige Erleichterung verschaffen konnten. Nun versuchen Sie mir nicht einzureden, daß Sie über die zweite Frage noch gar nicht nachgedacht haben.“
„›Nachgedacht‹ habe ich, mehr aber auch nicht. Ichhabe Gibbon gelesen und die französische Revolution studiert. Außerdem Smiths Vom Yalu zum Abgrund.“
„Eine sehr doktrinäre Abhandlung. Sie sollten außerdem Penns Die Letzten Tage des Süßen Landes Freiheit lesen.“
„Jawohl, Sir. Ich habe mir schon erste Dinge notiert.
Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn die Menschen in einem Land sich nicht mehr mit dem Land identifizieren, sondern nur noch mit einer Gruppe. Einer Rassengruppe. Oder einer Religion. Oder einer Sprache. Egal was, solange es nicht die ganze Bevölkerung betrifft.“
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