„Was?“ unterbrachen Hoffman und Aucoin spontan und wie aus einem Mund.
„Verzeihung. Fachsprache.
Ammoniakteildruckwerte im Verhältnis zum Sättigungsgrad — analog dem Verhältnis des Wasserfeuchtigkeitsgrads. Solche Messungen müßten wir haben, um zu entscheiden, ob die Vermutung zutrifft, und die Meskliniten haben sie nicht vorgenommen.“
„Könnten sie es?“
„Ich bin sicher, daß sich eine Methode mit ihnen erarbeiten ließe. Wie viel Zeit das beansprucht, weiß ich nicht. Wasserdunst würde nicht stören; sein Ausgleichsdruck liegt in diesem Temperaturbereich um vier oder fünf Werte niedriger als beim Ammoniak. Es dürfte nicht allzu schwierig sein.“
„Mir ist klar, daß es sich mehr um eine Hypothese handelt als um eine ausgereifte Theorie. Bildet sie eine ausreichende Grundlage, um Maßnahmen einzuleiten?“
„Das hängt von den Maßnahmen ab.“ Aucoin machte eine ungeduldige Geste, und der Meteorologe sprach hastig weiter. „Ich meine, ich würde auf dieser Grundlage keine Aktionen entwickeln, die nach dem Prinzip >alles oder nichts< ablaufen, aber man könnte alles versuchen, das nicht kostbare Materialvorräte der Kwembly erschöpft oder das Fahrzeug in noch größere Gefahr bringt.“
Der Planer nickte. „Nun gut. Möchtest du bleiben und uns weiter mit Anregungen versorgen oder wäre es effektiver, diese Angelegenheit umgehend mit den Meskliniten zu besprechen?“
McDevitt verzog die Lippen und dachte einen Moment lang nach. „Wir verständigen uns regelmäßig mit ihnen, aber bis jetzt ist von ihrer Seite mehr nützliches Material gekommen als von…“ Er verstummte; Easy und ihr Mann unterdrückten ein Lächeln. Aucoin, der den faux pas anscheinend nicht bemerkt hatte, nickte nochmals. „Gut. Informiert uns, wenn euch irgendwelche neuen Ideen kommen, die erfolgversprechend sein könnten.“
Die vier Wissenschaftler versprachen es und verließen den Raum. Die zehn übrigen Konferenzteilnehmer schwiegen für einige Minuten, bis Aucoin endlich aussprach, was sie alle dachten.
„Finden wir uns damit ab“, sagte er langsam.
„Der richtige Streit kommt erst, wenn wir diesen Bericht an Barlennan weiterleiten.“
Ib Hoffmann richtete sich heftig auf. „Das habt ihr noch nicht?“ schnauzte er.
„Bis jetzt weiß er nur, daß die Kwembly strandete, aber nichts davon, daß sie plötzlich festgefroren ist.“
„Warum nicht?“ Easy spürte die Drohung in der Stimme ihres Mannes; sie überlegte, ob sie schlichten solle. Aucoin reagierte auf die Frage mit Überraschung.
„Das weißt du so gut wie ich. Ob er es jetzt, in zehn Stunden oder in einem Jahr erfährt, macht keinen Unterschied. Er kann kurzfristig gar nichts für Dondragmer tun, und wenn er überhaupt etwas unternehmen könnte, dann etwas, das wir wahrscheinlich auch diesmal ablehnen würden.“
„Und das wäre?“ fragte Easy freundlich. Sie hatte sich entschieden, wie das Gespräch zu führen war.
„Eins der bei der Basis bereitstehenden Fahrzeuge zur Unterstützung losschicken, wie er es im Falle der Esket wollte.“
„Du wärst auch jetzt dagegen.“
„Selbstverständlich, aus den gleichen Gründen, die Barlennan damals akzeptiert hat. Es geht nicht bloß darum, daß wir diese beiden Fahrzeuge für andere Aufgaben vorgesehen haben, aber das ist ein Grund. Wie du auch von mir denken magst, Easy, ich schätze Leben nicht als wertlos ein, weil es nichtmenschliches Leben ist. Dennoch bin ich dagegen, weil ich immer gegen Vergeudung von Zeit und Hilfsmitteln bin. Die Änderung des Vorgehens inmitten einer Operation führt gewöhnlich zu beidem.“
„Wenn du immer behauptest, daß dir mesklinitisches Leben nicht weniger als menschliches bedeutet, wie kannst du dann so etwas sagen?“
„Easy, du ignorierst die Tatsache, daß sich die Kwembly ungefähr dreizehntausend Meilen von der Basis entfernt befindet. Ein Hilfsfahrzeug benötigte etwa zweihundert bis zweihundertfünfzig Stunden, um sie zu erreichen. Überdies ist sie von ihrer ursprünglichen Route abgetrieben worden, und womöglich ist das Plateau jetzt nicht länger passierbar.“
„Wir könnten die Richtung anhand von Satellitenfotos bestimmen.“
„Zweifellos. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß Barlennan, wenn Dondragmer die gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht selbst zu bewältigen vermag, nichts zu seiner Unterstützung tun kann, falls die Kwembly akuter Gefahr ausgesetzt ist; falls sie lediglich vorübergehend festgefroren ist, können ihr schnellzyklisches Versorgungssystem und die Fusionskonverter sie lange genug am Leben erhalten, bis Barlennan und wir uns eine langfristige und risikolose Hilfsmaßnahme ausgedacht haben.“
„Wie bei Destigmets Esket“, antwortete die Frau mit einer Spur Bitterkeit in der Stimme. „Sieben Monate sind vergangen, und du würgst, wie damals, noch immer jedes Wort über eine Rettungsaktion ab!“
„Damals war die Situation völlig anders. Die Esket steht noch — unverändert, soweit die Kameras diesen Schluß zulassen — an ihrem Platz, aber die Besatzung ist verschwunden. Wir haben nicht die geringste Vorstellung, was ihr widerfahren sein kann, aber da niemand an Bord ist, müssen wir annehmen, daß sie umgekommen ist. Auch Meskliniten können, wenn sie nichts als ihre Schutzanzüge mitführen, auf Dhrawn nicht sieben Monate lang überleben.“
Easy wußte keine Antwort. Rein logisch betrachtet, hatte Aucoin völlig recht; aber Easy vermochte sich mit dem Gedanken, daß das Problem sich nur logisch lösen ließ, nicht abzufinden. Ib wußte, wie sie empfand, und kam zu der Einsicht, daß es angebracht sei, wieder einzulenken. Grundsätzlich teilte er, in gewissen Grenzen, die Meinung des Planers, aber ihm war klar, daß seine Frau wohl kaum damit einverstanden sein konnte.
„Das dringendste aller Probleme ist“, sagte Hoffman, „daß einige von Dondragmers Leuten noch außerhalb des Fahrzeugs sind. Wie ich es verstehe, befinden zwei sich unter dem Eis — und niemand kann sagen, ob der Tümpel nicht bis auf den Grund gefroren ist. Ich verma g die Chancen für Meskliniten, die sich — wenn auch in Schutzanzügen — in einer solchen Lage befinden, nicht abzuschätzen. Temperaturschwankungen dürften ihnen nicht schaden, aber niemand weiß, welchen anderweitigen physiologischen Beschränkungen sie unterliegen. Was Dondragmers Ersten Offizier angeht, der von einem Aufklärungsflug überfällig ist, so können wir nicht unmittelbar helfen, da er keinen Kommunikator an Bord hat; aber die Kwembly verfügt über einen zweiten Helikopter. Hat Dondragmer die Absicht geäußert, mit der anderen Maschine — mit einer Kamera ausgestattet — nach seinem Ersten Offizier suchen zu lassen, und hat er deshalb Unterstützung von uns angefordert?“
„Seit einer halben Stunde hat er sich nicht gemeldet“, erwiderte Mersereau.
„Dann empfehle ich dringend, daß wir ihm einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten.“
Aucoin nickte zustimmend und sah dann zu Easy hinüber. „Deine Aufgabe, würde ich sagen.“
„Als ob man mir das sagen müßte.“ Easy stand auf, kniff Ib im Vorbeigehen in ein Ohrläppchen und ging hinaus.
„Der nächste Punkt“, sagte Hoffman. „Ich meine, daß Barlennan über die neueste Situation der Kwembly informiert werden muß.“
„Weshalb sollten wir uns mehr Ärger einhandeln als erforderlich?“ fragte Aucoin. „Ich streite mich ungern mit jemand, dem es freisteht, ob er mir zuhören will oder nicht.“
„Streit dürfte sich erübrigen. Erinnere dich, daß er in dieser Beziehung schon einmal mit uns übereinstimmte.“
„Vor einigen Minuten hast du angedeutet, daß du an seiner Aufrichtigkeit zweifelst.“
„Er hätte der Esket, wäre ihm wirklich daran gelegen gewesen, gegen unseren Rat ein Hilfsfahrzeug schicken können. Er tat es, wie du dich entsinnst, bei mehreren anderen Anlässen.“
Читать дальше