Takoorch gab durch eine zustimmende Gebärde zu verstehen, daß er dies einsah, und verfiel wieder in Schweigen, während das Eis um einige Millimeter näher kroch.
Etwas später kam Beetchermarlf ein anderer Gedanke. „Unsere Lampe muß ein bißchen Wärme ausstrahlen, obwohl wir sie durch die Anzüge nicht spüren. Warum sollte sich mit ihr kein Weg durch das Eis schmelzen lassen?“
„Versuchen können wir’s“, lautete Takoorchs lakonische Antwort.
Sie begaben sich vor die frostige Barriere.
Beetchermarlf errichtete einen Hügel aus kleinen Steinen und legte die auf Maximalleistung geschaltete Lampe darauf, so daß der Lichtkegel aus unmittelbarer Nähe auf das Eis fiel. Dann beobachteten sie den geringen Raum zwischen der Lampe und dem Eis.
„Da fällt mir ein“, sagte Takoorch, während sie warteten, „daß wir auch etwas Körperwärme besitzen. Könnte das nicht einen Schmelzprozeß unterstützen?“
„Vielleicht.“ Beetchermarlf zweifelte daran.
„Überzeugen wir uns zunächst, welche Wirkung die Lampe hat.“ Takoorch gestikulierte zustimmend, und die beiden schwiegen erneut.
Takoorch war jedoch keine Persönlichkeit, die längeres Schweigen zu ertragen vermochte, und bald darauf äußerte er eine neue Idee. „Unsere Messer sind gegen das Eis ziemlich wirkungslos, aber womöglich läßt sich diese erwärmte Stelle leichter ausschaben.“ Er öffnete eines der Klappmesser, die sie für allgemeine Zwecke stets bei sich trugen, und wollte sich an die Arbeit machen.
„Warte noch“, verlangte Beetchermarlf. „Wir sollten uns erst vergewissern, ob die Wärme überhaupt einen Effekt hat.“
„Wenn uns das Messer weiterhilft, wen interessiert dann, ob die Wärme es begünstigt oder nicht?“ erwiderte Takoorch. Beetchermarlf fand darauf keine gescheite Antwort und ließ ihn, indem er eine Bemerkung über die Kontrollierbarkeit von Experimenten murmelte, gewähren. Der Mesklinit begann mit der winzigen Klinge das Eis zu bearbeiten. Der Eingriff verdarb das Experiment nicht, obwohl er die Feststellung des sichtbaren Resultats wahrscheinlich etwas verzögerte.
Körperwärme, Lampenwärme und Messer zusammen erwiesen sich schließlich als der Aufgabe nicht gewachsen; das Eis drang weiter vor. Sie mußten die Lampe vom Steinhügel nehmen und zusehen, wie die kristallische Wand ihn einhüllte.
„Wir haben nicht mehr viel Zeit“, bemerkte Takoorch, während er die Umgebung ringsum ausleuchtete. „Nur zwei Krafteinheiten sind noch zugänglich. Sollen wir die Lampe nachladen oder hältst du die Mühe für überflüssig?“
„Da wir nichts anderes tun können, tun wir wenigstens das“, antwortete Beetchermarlf. „Zu dumm, daß die Einheiten in unserer Lage zu nichts anderem zu gebrauchen sind. Sie liefern genug Energie, um das Eis zu beseitigen, wüßten wir nur eine Methode, sie für diesen Zweck zu verwenden.“
„Die Einheiten lassen sich leicht aus den Walzen entfernen, aber was wir danach mit ihnen anstellen könnten, weiß ich auch nicht. Elektrischen Strom haben wir also, doch mir ist unklar, wie wir damit das Eis beiseite räumen sollten. Hier und jetzt könnten wir mit der Elektrizität nichts anderes als die beiden Walzen in Bewegung setzen.“
„Wahrscheinlich würde die Elektrizität eher uns als das Eis beiseite räumen. Ich kenne mich zwar nicht besonders gut aus, aber ich weiß genau, daß sie töten kann. Laß dir etwas anderes einfallen.“
Takoorch verzichtete auf eine weitere Äußerung.
Wie sein Gefährte hatte er nur eine kurze Ausbildung in fremder Wissenschaft erhalten; beide hatten sich freiwillig für das Dhrawn-Projekt gemeldet, weil sie mehr zu lernen hofften. Ihre allgemeinen Physikkenntnisse entsprachen etwa denen Benjamin Hoffmans, als er zehn oder zwölf gewesen war. Sachbeurteilungen, für die kein Anschauungsmodell zur Verfügung stand, fielen ihnen recht schwer.
Selbstverständlich ermangelte ihnen keineswegs die Fähigkeit zur Abstraktion. Beide kannten Wärme als häufigste gewöhnliche Energieform, obwohl sie sich diese nicht als Partikelbewegung vorstellten. Es war Beetchermarlf, der schließlich auf einen anderen elektrischen Effekt verfiel.
„Tak! Erinnerst du dich an die Erklärung, warum wir den Motoren nicht zuviel Energie zuführen sollen, bevor das Fahrzeug sich bewegt? Die Menschen sagten, es beschädige die Motoren, wenn wir zu schnell beschleunigten.“
„Stimmt. Nicht mehr als Viertelkraft bis einhundert Kabel in der Stunde.“
„Wir können noch an die Krafteinheiten ran und an die Motoren. Warum treiben wir die Motoren nicht an? Sie werden heißlaufen, da die Walzen sich nicht bewegen können.“
„Wieso glaubst du, daß sie heißlaufen? Sie haben nie gesagt, die Motoren würden heißlaufen, sondern bloß, daß es ihnen schade.“
„Ich weiß, aber worum könnte es sich sonst handeln? Jede Energie, die nicht anders verbraucht wird, verwandelt sich in Hitze.“
„Das hört sich wenig vernünftig an“, meinte der ältere Segler. „Aber jetzt kann uns jeder Versuch recht sein. Schließlich war keine Rede davon, daß Motorenschäden das ganze Fahrzeug zerstören würden; wenn es uns umbringt, sind wir kaum schlimmer dran.“
Beetchermarlf schwieg nachdenklich; die Möglichkeit, daß sie die Kwembly gefährden konnten, hatte er nicht berücksichtigt. Je länger er darüber nachdachte, um so weniger fühlte er sich berechtigt, dies Risiko einzugehen. Er betrachtete die relativ kleine Energieeinheit, die in der nächstliegenden Walze steckte, und fragte sich, ob die unsachgerechte Anwendung dieses Dings ein so gewaltiges Fahrzeug wirklich ruinieren könne.
Dann entsann er sich an die weitaus riesigere Maschine, die ihn und seine Rassegefährten nach Dhrawn befördert hatte, und kam zu dem Schluß, daß mit Energiequellen, die so ungeheure Massen durch den Himmel zu bewegen vermochten, leichtfertiger Umgang nicht ratsam war. Ihren Gebrauch, wäre er mit ihrer korrekten Handhabung vertraut gewesen, hätte er niemals gescheut; aber ein absichtlicher Mißbrauch erschien ihm bei weitem zu bedenklich.
„Du hast recht“, stimmte er zu — unangebrachterweise, da Takoorch sich schließlich bereit erklärt hatte, den Versuch zu wagen. „Wir müssen anders vorgehen. Hätten die Walzen Bewegungsfreiheit, würden die Motoren oder die Krafteinheiten keine Schäden erleiden, aber die Walzenbewegung würde das restliche Wasser in diesem Hohlraum erwärmen.“
„Bist du sicher? Ich wüßte nicht, dergleichen schon gehört zu haben. Außerdem liegen die Walzen unter dem ganzen Fahrzeuggewicht im Boden fest.“
„Richtig. Du wolltest graben, also grabe; das Eis kommt näher.“
Beetchermarlf machte selbst den Anfang und begann Gestein von der Auflagefläche einer der Walzen fortzuwühlen. Sogar für mesklinitische Muskeln war das harte Arbeit. Die Steine lagen dichtgedrängt, und außerdem gab es kaum anderen Platz dafür. Die unter der Walze befindlichen Steine konnten nicht herausgehoben werden, bevor die an ihren Rändern entfernt waren. Die beiden arbeiteten wie besessen, um die Walze freizulegen, und es erschreckte sie, wie langsam sie voran kamen.
Als sie schließlich rings um die Walze einen Graben geschaffen hatten und die Steine unterhalb der Auflagefläche zu bewegen versuchten, erwies sich dies als noch entmutigender. Die Kwembly besaß eine Masse von zweihundert Tonnen. Auf Dhrawn bedeutete dies ein Gewicht von sechzehn Millionen Pfund, verteilt auf die achtundfünfzig noch vorhandenen Walzen. Dreihunderttausend Pfund — knapp kalkuliert — waren zuviel für einen Meskliniten, dessen Gewicht sogar in Mesklins Polarzone wenig mehr als dreihundert Pfund betrug. Hätte Dhrawns Gravitation nicht die Oberflächenschichten enorm verfestigt, vielleicht wären die Kwembly und die anderen Fahrzeuge im Boden versunken, ehe sie einen Meter zurücklegten.
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