Benj war dort, wie immer, wenn er keinen Dienst versah. Inzwischen hatte er mit weiteren Meskliniten Freundschaft geschlossen, aber Beetchermarlf mochte er am liebsten. Sein Stennish hatte sich ganz erheblich gebessert, und er war darin nun fast so gut, wie seine Mutter schon immer glaubte.
Als Easy und der Techniker eintraten, lauschte er gerade einer von Takoorchs Anekdoten, weshalb es ihm nicht allzu leid tat, sofort durchsagen zu müssen, daß eine wichtige Nachricht für Dondragmer vorliege.
Mehrere Minuten verstrichen, bevor der Captain auf der Brücke erschien; wie die übrige Besatzung arbeitete er nahezu ununterbrochen, aber zum Glück hielt er sich im Fahrzeug auf, als die Durchsage eintraf.
„Ich bin am Apparat, Easy“, erklang schließlich seine Stimme. „Tak sagte, es sei dringend. Ich höre.“
„Es geht um die Methode, mit der du das Fahrzeug freizubekommen beabsichtigst, Don“, begann sie. „Wir haben von der Situation keine vollständige Vorstellung, aber zwei Aspekte finden unsere Techniker besorgniserregend. Der eine ist, daß, wenn die Bugwalzen anrollen, noch etwa zwei Meter Rumpflänge — und damit eure Brücke — auf den Felsen gestützt sind; habt ihr euch überzeugt, daß die Hülle nicht aufschlagen kann, wenn das Fahrzeug sich in Bewegung setzt? Zweitens, in dem Moment, bevor die Kwembly in die Horizontale zurückkehrt, wird das Gewicht den Unterbau einseitig belasten; vielleicht fängt die Pneumatik den Stoß auf, aber darüber gibt es keine Gewißheit. Unter Dhrawns Schwerkraft könnte das Fahrzeug bei einem dieser Manöver entzweibrechen. Habt ihr das berücksichtigt?“
Dondragmer gestand sich ein, daß er das nicht getan hatte und es wohl besser getan wurde, ehe er seine Absicht ausführte. Er sprach dieses Geständnis aus, bedankte sich und strebte zur Hauptluftschleuse, die mittlerweile wieder passierbar war.
Draußen hatte die Strömung sich inzwischen so abgeschwächt, daß man keine Sicherheitsleinen mehr benötigte. Schon ragten die größeren Felsen aus dem Wasser, und er mußte einige davon überklettern, um zu einem Punkt zu gelangen, von dem aus er das ganze Mißgeschick zu überschauen vermochte.
Der Anblick behagte ihm ganz und gar nicht.
Wahrscheinlich hatten die Me nschen recht. Das
Risiko war hoch, viel zu hoch für ein vernünftiges Lebewesen.
Die Antwort auf das Problem befand sich buchstäblich in Dondragmers Sichtweite, aber es verging noch eine Stunde, bevor er darauf stieß.
Ein menschlicher Psychologe, als er später davon erfuhr, sah sich darüber sehr enttäuscht; er forschte nach prinzipiellen Unterschieden zwischen der menschlichen und der mesklinitischen Psyche, doch er entdeckte, wie er es selbst nannte, ungewöhnlich viele Ähnlichkeiten.
Die Lösung erforderte natürlich Arbeit. Auch die kleinsten Steine waren schwer. Andererseits gab es zahlreiche davon, und man brauchte sich nicht weithin zu zerstreuen, um genug zu sammeln. Die ganze Besatzung der Kwembly, Beetchermarlf und seine Helfer, die weiter den Reparaturarbeiten nachgingen, ausgenommen, machte sich daran, unter dem Heck des festsitze nden Fahrzeugs eine Rampe aus Gestein aufzuschichten.
Damit wurde auch Beetchermarlfs Aufgabe erleichtert, da man nun Stellen des Rumpfes erreichen konnte, die zuvor nicht zugänglich gewesen waren. Die beiden Gruppen beendeten ihre Tätigkeit fast gleichzeitig; auf vier Walzen mußte jedoch wegen fehlender Teile verzichtet werden.
Der Captain hatte die meiste Zeit damit verbracht, zwischen dem Funkgerät — er hoffte noch auf eine brauchbare Vorhersage über die zu erwartende Flutentwicklung — und den Einsatzgruppen hin und her zu eilen. Als die Gesteinsrampe fertiggestellt war, stand das Wasser kaum noch einen Meter hoch, und die Strömung hatte fast völlig aufgehört; das Gewässer war nun eher als Teich denn als Fluß zu bezeichnen.
Inzwischen herrschte endgültig Nacht; die Sonne war seit nahezu einhundert Stunden unter dem Horizont verschwunden. Das Wetter war wieder gänzlich klar, und man sah die Sterne heftig blinken. Außerhalb der Scheinwerferreichweite war es fast völlig finster. Dhrawn besaß keinen Mond, und die Sterne lieferten nicht mehr Licht als am Nachthimmel Mesklins oder der Erde. Die Temperatur war unverändert.
Dondragmers Wissenschaftler registrierten die Oberflächenverhältnisse so exakt, wie ihre Kenntnisse und ihre Geräte es ermöglichten, und gaben die Resultate dem Satelliten durch. Der Captain hatte sich einige Informationen versprochen, aber schließlich rief er sich ins Bewußtsein, daß die Menschen nicht zwangsläufig verpflichtet waren, ihn ständig zu unterrichten. Die Berichte waren schlichtweg Bestandteil der Aufgabe, die die Meskliniten übernommen hatten.
Er hatte die Wissenschaftler aufgefordert, sich Gedanken über die Situation zu machen.
Borndenders Antwort, mit der er die Aufforderung, die er für sarkastisch hielt, quittierte, lautete dahingehend, daß er nur zu gerne alles versuchen werde, wenn die Menschen ihn ausreichend mit Datenmaterial über andere Zonen des Planeten versorgten, das Vergleichsmöglichkeiten bot. Der Captain hatte nicht im mindesten sarkastisch sein wollen. Wie sich erklären ließ, warum ein Fahrzeug auf Wasser oder Ammoniak schwamm, und wie sich erklären ließ, warum an einem bestimmten Tag zwischen Stunde 40 und Stunde 100 über der Basis 2,3 Millikabel Niederschlag fielen, machte für ihn wenig Unterschied. Er hegte den Verdacht, daß der Wissenschaftler ihn absichtlich mißverstand; wenn es um Ausreden ging, waren Meskliniten geradezu verblüffend menschenähnlich, und Borndender war anscheinend über die eigene Hilflosigkeit ziemlich verstimmt. Ohne sich näher zu äußern, erwiderte der Captain, nützliche Ideen seien willkommen, und verließ das Labor.
Auch die Wissenschaftler mußten die Kwembly räumen, als die letzten Vorbereitungen für das Manöver getroffen wurden. Borndender murrte, aber Dondragmer ließ sich auf keine Diskussion ein; er hatte keinen Vorschlag gemacht, sondern einen Befehl erteilt, und nicht einmal die Wissenschaftler zweifelten sein Recht dazu an. Nur der Captain selbst, Beetchermarlf und ein im Versorgungskontrollraum stationierter Techniker namens Kensnee blieben an Bord. Eigentlich hatte Dondragmer, da er ohnehin die Verantwortung für das Manöver trug, das Steuer persönlich übernehmen wollen, doch es war unbestreitbar, daß Beetchermarlf das Steuersystem besser kannte und in kritischen Momenten rascher und sicherer zu reagieren vermochte.
In der Menge raupenähnlicher Geschöpfe, die sich in sicherem Abstand von dem riesigen Fahrzeug sammelte, verbreitete sich Spannung. Dondragmer, der die Besatzung von der Brücke aus nicht sehen konnte, blieb gelassen; Beetchermarlf dagegen teilte ihre Unruhe. Die menschlichen Zuschauer verfolgten das Geschehen über einen Kommunikatorsatz, den man aus dem Versorgungskontrollraum geholt und auf einem etwa einhundert Meter entfernten, aus dem Wasser ragenden Felsen platziert hatte; sie waren ebenfalls ruhig, außer Easy und Benj.
Der Junge widmete dem Bildschirm, der mit der Außenka mera korrespondierte, kaum Beachtung, sondern konzentrierte sich auf jenen, der die Szene auf der Brücke wiedergab und worauf teilweise Beetchermarlf sichtbar war. Der Steuermann war von seiner Aufgabe stark beansprucht.
Als die Kwembly sich rückwärts zu schieben begann, konnte einer der Menschen sich eines heftigen Kommentars nicht enthalten. „Zum Teufel, warum hat man auf der Brücke nicht wenigstens Fernsteuerungskontrollen installiert?
Ich begreife nicht, wie der arme Bursche es feststellen soll, wenn eine der Walze nreihen vollen Bodenkontakt bekommt, gar nicht davon zu reden, wie er merken könnte, ob und wie sie auf das Steuer reagiert.“
„Barlennan wünschte keine Installationen, außer in unvermeidlichen Fällen, die sich von seinen Leuten nicht unter den Einsatzbedingungen reparieren lassen würden“, erläuterte Mersereau.
Читать дальше