„Beetchermarlf! Gib den Menschen Bescheid, daß du unverzüglich von Kervenser abgelöst wirst, und melde dich umgehend im Schutzanzug an der hinteren Steuerbordnotschleuse zur Stelle. Ich möchte eine Untersuchung der Walzen und der Ruderleinen. Ich teile dir zwei Begleiter zu. Ich bin mehr an Sorgfalt als an Schnelligkeit interessiert.
Sollten irgendwelche Schäden vorliegen, die sich einfacher reparieren lassen, solange wir festliegen, möchte ich es wissen. Anschließend verschaffe dir einen allgemeinen Überblick. Ich möchte mir eine Vorstellung davon machen können, wie fest wir verkeilt sind und wie viel Arbeit es uns abverlangen wird, das Fahrzeug loszumachen.
Unabhängig davon werde ich mir die Verhältnisse persönlich ansehen, aber ich möchte auch deine Meinung dazu hören.“
„Jawohl, Captain“, bestätigte der Steuermann.
Fast hätte er Benj von seiner Abkommandierung zu informieren vergessen, da dieser Befehl ihn aufrichtig erstaunte; nicht etwa aufgrund der Tatsache, daß er nach draußen geschickt wurde, sondern weil der Captain ausgerechnet auf ihn verfallen war, um die eigenen Eindrücke von der Lage durch seine Beobachtungen zu überprüfen.
Eine halbe Minute später fand sich Beetchermarlf bei der bezeichneten Schleuse ein, wo der Captain und vier Matrosen, alle in Schutzanzüge gekleidet, ihn bereits erwarteten. Die Matrosen hielten aufgerolltes Seil bereit.
„Also los, Beetch“, empfing ihn der Captain.
„Stakendee geht zuerst hinaus und befestigt seine Verbindungsleine am nächsten Klammereisen. Du folgst ihm, dann kommt Praffen. Jeder befestigt seine Leine an einer anderen Stelle. Hier — ohne Ballast würdet ihr schwimmen.“ Er reichte dem Steuermann vier einhakbare Gewichte.
Schweigend machten die drei ihren Weg durch die winzige Schleuse. Sie war ein U-förmiges, flüssigkeitsgefülltes Becken und funktionierte ebenso wie die Hauptschleuse, jedoch lag der Boden so tief, daß die Schräglage der Kwembly ihre Funktion nicht behinderte. Beetchermarlf tauchte direkt in die Strömung und war sehr froh um Staks Unterstützung, während er die eigene Sicherheitsleine verankerte.
Eine Minute später hatte sich das dritte Mitglied der Gruppe zu ihnen gesellt. Gemeinsam kletterten sie hinab auf den Grund. Das Gestein, das sie bereits von der Brücke aus bemerkt hatten, lag in seltsam keilförmiger Anordnung, die in die Strömungsrichtung wies. Auf den ersten Blick hatte Beetchermarlf den Ei ndruck, daß das Fahrzeug im Winkel des Gesteinskeils festhing, doch obwohl mehrere Außenscheinwerfer noch intakt waren, konnte man die Sichtverhältnisse nicht gerade als ideal bezeichnen.
Das Trio umrundete das Heck, um einen Blick unter den Fahrzeugboden zu werfen. Dorthin drang noch wesentlich weniger Licht, aber es wurde sofort klar, daß es an Dondragmer einiges zu berichten gab.
Die Kwembly hatte auf einem Satz von sechzig Walzenrädern gestanden, jedes etwa achtzig Zentimeter dick und zweimal so lang, verteilt auf fünf longitudinale Zwölferreihen. Jede Walze besaß einen eigenen Motorblock mit Raum für die Installation einer Krafteinheit. Zum Zeitpunkt der Havarie waren zehn der fünfundzwanzig Konverter, über die die Kwembly verfügte, an Heck und Bug in zwei nach vorn weisenden vförmigen Anordnungen von Motoren installiert gewesen. Nun waren achtzehn Walzen vom Heck des Fahrzeugs, einschließlich der fünf mit Krafteinheiten versehenen, verschwunden.
Nicht alle waren, strenggenommen, völlig verschwunden. Mehrere sah man zwischen dem Gestein liegen, offenbar solche, die sich beim letzten Aufprall gelöst hatten. Ob einige schon bei den vorherigen Kollisionen verlorengega ngen waren, ein paar Meilen weiter stromaufwärts, ließ sich im Moment nicht feststellen. Dafür konnte man sich später interessieren; es war vordringlich, den Fahrzeugschaden zu begutachten, und der Steuermann machte sich an die Durchführung dieser Aufgabe.
Der Fahrzeugbug war anscheinend völlig unbeschädigt geblieben; die Walzen waren noch alle vorhanden und die Ruderleinen in gutem Zustand. In Höhe der Rumpfmitte hatte sich die Aufhängung einiger Walzen gelockert. Der Schaden am Heck erwies sich allerdings als reichlich entmutigend. Backbords hatte Reihe 1 die hinteren fünf Walzen verloren, den Reihen 2 und 3 fehlten jeweils die letzten vier, Reihe 4 entbehrte der drei hinteren, Reihe 5 — auf der Steuerbordseite — der letzten beiden. Die Vermutung lag nahe, daß der Schaden demselben Aufprall zuzuschreiben war; und da mehrere der abgerissenen Walzen in der Nachbarschaft lagen, bestand eine gute Chance, daß man auch die restlichen fand.
Die drei waren überrascht, wie wenig der Walzenverlust die Rumpfkonstruktion beeinträchtigt hatte. Beetchermarlf und seine Begleiter waren mit der Herstellung ihrer Fahrzeuge nie beschäftigt gewesen. Sie besaßen nicht die leiseste Ahnung davon, welche Probleme es aufwarf, eine Maschine zu bauen, die von hochmodernen Energieeinheiten angetrieben, aber von Geschöpfen gesteuert werden sollte, die sich noch in der Phase der Fortbewegung durch Wind und Muskelkraft befanden. In dieser Problematik lagen die Gründe, warum die Steuerung durch mechanische Kraftübertragung erfolgte statt durch Servoautomatiken; warum die Luftschleusen so einfach und nicht narrensicher angelegt waren; warum das Versorgungssystem nicht bloß manuelle Handhabung erforderte, sondern auch von mesklinitischen Wissenschaftlern und Technikern entworfen und hergestellt worden war.
Einige hundert Meskliniten hatten umfassende Kenntnisse fremden Wissens übermittelt bekommen, aber nichts war geschehen, sie über die ganze mesklinitische Kultur zu verbreiten. Fast alle >Graduierten< waren nun auf Dhrawn, zusammen mit zumeist jungen, ausreichend intelligenten Seglern aus Barlennans Seefahrervolk, die sich freiwillig gemeldet hatten; Beetchermarlf war einer davon. Sie waren es, denen die Aufgabe zufiel, die Instandhaltung und die Reparaturen ohne menschliche Hilfe zu erledigen. Die Konstruktion eines Fahrzeugtyps, der den Bedingungen auf Dhrawn gewachsen war und sich zugleich mit einem gewissen Sicherheitsgrad von Meskliniten beherrschen ließ, mußte unvermeidlich in die Verwendung von Material und Gerät mit überdurchschnittlichen Qualitäten münden.
Eigentlich hätte Beetchermarlf kaum überrascht sein dürfen.
Selbstverständlich lag der Hauptgrund für den Einsatz der Meskliniten in ihrer Intelligenz.
Roboter hatten sich bereits in den Anfängen der Raumforschung als ungenügend erwiesen. Die Intelligenz der Meskliniten ließ sich offenbar mit der von Menschen, Drommianern und Paneshken vergleichen; eine ziemlich wundersame Tatsache, da die vier Planeten ihre Lebensformen innerhalb sehr unterschiedlich langer geologischer Zeiträume entwickelt hatten. Fest stand auch, daß die Meskliniten erheblich langlebiger waren als Menschen; was dies auf lange Sicht für die Kontaktpflege bedeutete, war mindestens so problematisch wie die ganze Expedition. Es war in jeder Hinsicht ein Risikoprojekt, in dem die Meskliniten die meisten Risiken trugen. Die gigantische Raumbarke, die in der Nähe des bemannten Satelliten den Planeten umkreiste und für eine eventuell notwendige Evakuierung der Basis vorgesehen war, konnte man kaum mehr als eine Geste nennen, vor allem bezüglich jener Mannschaften, die sich in den Fahrzeugen unterwegs befanden.
Diese Hintergründe waren den drei Seglern, die die Kwembly untersuchten, nicht gegenwärtig. Sie waren lediglich überrascht und erleichtert, konstatieren zu können, daß die Walzen anscheinend nicht abgerissen waren, sondern nur aus den Aufhängungen gesprungen, und daß sie wahrscheinlich, falls man sie fand, wieder montiert werden konnten. Nach dieser befriedigenden Erkenntnis erkundete Beetchermarlf — in dem Umkreis, den die Sicherheitsleine zuließ — den Grund und entdeckte zwölf der verlorenen Walzen, einige davon beschädigt. Die drei sammelten alle, die sie erreichen und transportieren konnten, am Heck der Kwembly. Der Steuermann erwog, die Sicherheitsleinen zu verlängern, um in weiterem Umkreis zu suchen, doch entschied er sich, zunächst an Dondragmer zu berichten und dessen Zustimmung einzuholen. Er wunderte sich, daß der Captain, obschon er die Absicht geäußert hatte, sich einen eigenen Überblick zu verschaffen, bisher nicht erschienen war.
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