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Algis Budrys: Projekt Luna

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Algis Budrys Projekt Luna

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»Selbst wenn Sie gar nichts tun, sind Sie nach 232 Sekunden ein toter Mann. Selbst wenn Sie sich nicht von der Stelle rühren, läßt das Gebilde Sie nur so lange am Leben wie Ihren Vorgänger. Diese Zeitspanne wird größer, je weiter Sie vordringen.« Dr. Hawks, der Schöpfer des Materie-Transmitters und -Duplikators, hat einen potentiellen Selbstmörder als neuen Rekruten für das Projekt Luna angeworben. Für die Erforschung des rätselhaften Gebildes auf dem Mond kommen nur Leute in Frage, die bereit sind, hundert verschiedene Tode zu sterben …

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»Das könnte Al allerdings nie passieren«, sagte Claire und lehnte sich auf die Ellbogen zurück. »Er ist nämlich Mitglied einer der vornehmsten Verbindungen an seiner ehemaligen Universität — sogar Alter Herr, wenn ich mich recht erinnere. Seine gesellschaftliche Anerkennung hat er allerdings nur seinen schauspielerischen Fähigkeiten zu verdanken — und seinen großzügigen Stiftungen.« Sie strich Barker über die Stirn. »Aber was ist aus deiner Verbindung geworden? Wo sind die Blumen vergangener Jahre? Wo ist der Mimbreño-Junge geblieben?« Sie lachte und lehnte sich gegen seine Knie.

Barker sah auf sie hinunter und schien nicht recht zu wissen, ob er lachen oder böse sein sollte. Seine linke Hand spielte mit ihren Haaren. »Sie dürfen sich nicht von Claire verwirren lassen, Doktor«, sagte er langsam. »Sie kann nicht anders, das ist eben ihre Methode.« Er schien nicht zu merken, daß seine Hand sich in ihrem Haar verkrampft hatte, und daß seine Finger an einer Strähne zogen. »Claire macht sich einen Spaß daraus, andere Leute auf die Probe zu stellen. Manchmal wirft sie sich ihnen dabei an den Hals. Aber das hat nichts zu bedeuten.«

»Sicher«, stimmte Hawks zu. »Aber ich wollte eigentlich mit Ihnen sprechen.«

Barker schien ihn nicht gehört zu haben. Er sah Hawks ernst ins Gesicht. »Mein erstes Zusammentreffen mit ihr war wirklich interessant. Vor sieben Jahren war ich in den Schweizer Alpen. Eines Tages, als ich gerade die Schlüsselstelle einer ziemlich schweren Wand hinter mir hatte, sah ich sie einige Meter über mir.« Jetzt spielte seine Hand zärtlich. »Sie saß dort auf einem winzigen Vorsprung, starrte in das Tal hinunter und träumte vor sich hin. Einfach so. Ich war keineswegs darauf vorbereitet gewesen, an dieser Stelle einem anderen Menschen zu begegnen. Es war, als ob sie dort gesessen habe, seit der Berg existierte.«

Claire lachte leise und drängte sich an Barker. »Die Erklärung dafür ist ganz einfach«, sagte sie zu Hawks. »Ich war in Begleitung einiger französischer Offiziere auf einer leichteren Route an diese Stelle gelangt. Ich wollte dort absteigen, wo Al heraufgekommen war, aber die Franzosen weigerten sich, weil es ihnen zu gefährlich erschien.« Sie zuckte mit den Schultern. »Deshalb bin ich also mit Al hinuntergeklettert. Ich bin nicht so kompliziert, wie ich aussehen mag, Ed.«

»Bevor sie mitging, mußte ich allerdings noch die Franzosen verjagen«, warf Barker bedeutungsvoll ein. »Ich glaube, daß einer von ihnen sogar mit einem Hubschrauber ins Tal geflogen werden mußte. Und ich habe nie vergessen, wie man sie am besten festhält.« Er sah Claire an.

Sie lächelte zu ihm auf, aber dann nahm ihr Gesicht wieder einen herausfordernden Ausdruck an. »Warum haben Sie Al noch nichts von seinem neuen Job erzählt, Ed?«

»Sie haben einen Job für mich?« fragte Barker überrascht. »Dann sind Sie und Connie also tatsächlich geschäftlich hier?«

Hawks betrachtete die beiden einen Augenblick lang schweigend. Dann entschloß er sich. »In Ordnung. Sie sind bereits vom Geheimdienst überprüft worden, Mr. Barker?«

Barker nickte. »Ja.« Er lächelte, als erinnere er sich an vergangene Zeiten. »Ich habe schon ab und zu Aufträge für das FBI durchgeführt.«

»Dann möchte ich mich gern unter vier Augen mit Ihnen unterhalten.«

Claire erhob sich betont langsam. »Ich werde mich ein bißchen auf dem Sprungbrett sonnen. Wenn ich eine Spionin in russischen Diensten wäre, hätte ich natürlich einige Mikrophone in den Rasen eingegraben.«

Hawks schüttelte den Kopf. »Nein, Sie irren sich. Wenn Sie eine gute Spionin sein sollten, dann müßten Sie ein Mikrophon mit Richtwirkung benutzen — vielleicht sogar vom Sprungbrett aus. Das würde völlig genügen. Ich zeige Ihnen gern, wie man eines installiert, wenn Sie sich dafür interessieren.«

Claire lachte. »Dr. Hawks ist jeder Situation gewachsen. Ich werde in Zukunft daran denken.« Sie ging zum Schwimmbecken hinüber.

Barker sah ihr bewundernd nach.

Hawks seufzte. »Mr. Barker, ich möchte, daß Sie einen Auftrag übernehmen, den nur sehr wenige Männer ausführen können — falls Sie nicht überhaupt der einzige sind. Ich habe leider nur sehr wenig Zeit, um mich nach anderen umzusehen. Würden Sie sich diese Photographien ansehen und mir sagen, was Sie davon halten?«

Er nahm den Umschlag aus der Tasche, hielt die Aufnahmen so, daß Barker sie nicht sehen konnte, und suchte eine von ihnen heraus.

Barker betrachtete sie neugierig, runzelte die Stirn und gab sie Hawks zurück. Sie zeigte eine Landschaft, die aus aufeinandergetürmten schwarzen Felsbrocken unter silbernen Wolken bestand. Im Hin tergrund waren Staubwolken und zerklüftete Schatten zu erkennen. Alles zusammen wirkte wie ein gigantischer Irrgarten, in dem immer wieder neue Einzelheiten zu entdecken waren.

»Was ist das?« fragte Barker. »Es sieht schön aus.«

»Es ist ein Gebäude«, antwortete Hawks. »Oder auch nicht. Es könnte ein künstliches Gebilde sein — oder ein lebendes Wesen. Über das Wort ›schön‹ könnte man streiten, aber immerhin gibt diese Photographie ungefähr den Zustand wieder, in dem sich dieses — äh — Gebilde vor einer Woche befunden hat.« Er reichte Barker einige andere Aufnahmen. »Hier, sehen Sie sich das genau an. So sehen die beiden Männer aus, die dort gewesen sind.«

Barker warf ihm einen fragenden Blick zu, aber Hawks sprach schnell weiter. »Das war der erste Mann, den wir hineingeschickt haben. Unter Einhaltung der üblichen Sicherheitsbestimmungen.

Er war hervorragend ausgerüstet, aber selbst das war nicht genug.«

Barker starrte wie gebannt auf die Photographie. Seine Finger verkrampften sich, und sie wäre ihm fast aus der Hand gefallen. Sein Daumen hinterließ einen feuchten Abdruck auf dem Hochglanzpapier.

Hawks reichte ihm die nächste. »Als nächstes schickten wir zwei Männer hinein«, erklärte er nüchtern. »Wir vermuteten, daß ein Team eine größere Chance hätte.« Er nahm das Bild zurück und zeigte Barker ein anderes. »Dann versuchten wir es sogar mit vier Freiwilligen.« Hawks machte eine Pause. »Schließlich änderten wir unsere Arbeitsmethode. Wir entwickelten eine völlig neue Ausrüstung und verloren von da ab keinen einzigen Mann mehr. Das war der vorläufig letzte.« Er gab Barker die fünfte Photographie. »Ein junger Mann namens Rogan.« Er wartete.

Barker sah von dem Bild auf. Seine Augen verrieten keinerlei Erregung. »Haben Sie diesen Mann unter Aufsicht gestellt, damit er keinen Selbstmordversuch unternehmen kann?«

Hawks schüttelte den Kopf. Er beobachtete Barker. »Er würde nie Selbstmord begehen, dazu hat er zuviel Angst vor dem Sterben.« Er schob die Photographien zusammen. »Ich bin hier, um Ihnen seinen Job anzubieten.«

Barker nickte. »Ja, natürlich.« Er runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht … ich weiß nicht genug. Wo befindet sich dieses Gebilde eigentlich?«

Hawks dachte kurz nach. »Das darf ich Ihnen noch sagen, bevor Sie den Auftrag annehmen. Aber nicht mehr als das. Es liegt auf dem Mond.«

»Mond? Dann haben wir also doch bereits Raketen, die einen Mann zum Mond befördern können, und die Russen sind uns nicht überlegen?«

Hawks gab keine Antwort, und Barker zuckte mit den Schultern. »Bis wann muß ich meine Entscheidung treffen?«

»Ich will Ihnen keinen Termin setzen. Aber ich werte Connington anweisen, mir ab morgen etwaige andere Bewerber vorzustellen.«

»Also habe ich bis morgen Zeit.«

Hawks schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß er sich um andere bemüht hat. Er besteht darauf, daß Sie der einzige sind, den er auftreiben kann. Begründet hat er diese Auffassung allerdings nicht.«

Barker lächelte. »Connie macht ständig Pläne für andere Leute.«

»Sie nehmen ihn anscheinend nicht sehr ernst.«

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